Wirtschaft und Weiterbildung 9/2022

wirtschaft + weiterbildung 09_2022 49 dagogik“ an der Diploma Hochschule ein. Den Studienstoff erarbeitete sie sich abends, wenn die Kinder im Bett lagen und an den samstäglichen Präsenztagen, während die Kinder einen Papa-Tag genossen. Dann kam Corona! Die Präsenz entfiel und Vorlesungen wurden ins Digitale verlegt. Aber mit den Kindern zu Hause war es nahezu unmöglich, diese in Ruhe verfolgen zu können. Also stellte Reicherts Freundin (selbst Erzieherin) ihr kurzentschlossen fortan den Esstisch zur Verfügung. Nebenbei arbeiteten beide gemeinsam das eigene Waldkindergartenkonzept aus, stellten es den umliegenden Gemeinden vor und wurden mit Anfragen überrannt. Haushaltsplan und Finanzierungsplan waren keine Fremdwörter für Reichert. Und dann ging alles ganz schnell. 2019 wurden die ersten Gespräche mit der Gemeinde geführt und schon ein knappes Jahr später, im Mai 2020, eröffnete Reichert zusammen mit ihrer Freundin einen eigenen Waldkindergarten. Mit Ende 30 und drei kleinen Jungs den Absprung zu wagen und seinem Gefühl zu folgen, ist eine Herausforderung“, erinnert sich Stefanie Reichert heute. Aber alle Anstrengungen haben sich rückblickend mehr als gelohnt. „Ich bin unheimlich glücklich!“ Nicht nur den Mut zu haben, sein Leben noch einmal vollkommen auf den Kopf zu stellen, sondern auch das Durchhaltevermögen, seine Pläne und Träume in die Tat umzusetzen, dafür zeichnet die Jury Stefanie Reichert aus. 4. Gerlinde Hauschild (64): Pflegende Angehörige unterstützten Siegerin in der Kategorie „Gesellschaft & Engagement“ ist Gerlinde Hauschild aus Rheine. Nicht immer dient ein Fernstudium dem Ziel, sich beruflich weiterzuentwickeln oder die Karriereleiter zu erklimmen. Viele Fernstudierende nutzen ihre Weiterbildung für eine außerberufliche Tätigkeit. So auch Gerlinde Hauschild. Sie engagiert sich ehrenamtlich für pflegende Angehörige und unterstützt sie dabei, sich im Dschungel der angebotenen Hilfen und Leistungen zurechtzufinden. „Immer wieder berichten Pflegende von ihrer Orientierungslosigkeit und Verzweiflung“, weiß Hauschild zu berichten. „Ich setze mich für die Verbesserungen in der häuslichen Pflege ein, um ehrenamtliche Unterstützungs- und Entlastungsangebote für pflegende Angehörige und ihre zu pflegenden Lieben zu schaffen. Weil hierzu jedoch Fachwissen nötig ist, entschied ich mich, den Vorbereitungslehrgang „Betreuungskraft gemäß §§ 43b, 53b SGB XI“ beim Institut für Lernsysteme ILS zu absolvieren.“ Heute arbeitet die rüstige Rentnerin ehrenamtlich im Unterstützungs-NetzwerkPflegende-Angehörige (UNPA) Steinfurt. Ziel des Netzwerks ist der strukturierte Austausch aller Akteure, die an der Versorgung Pflegebedürftiger beteiligt sind, um Pflegenden auf schnellsten Wegen Informationen und Unterstützung zukommen lassen zu können. „Unsere Gesellschaft braucht ehrenamtliche und sich weiterbildende Menschen – auch ältere, denn lebenslanges Lernen hört nicht mit Eintritt in den Ruhestand auf“, mahnt Hauschild. Das sieht auch die Jury ähnlich und prämiert den Weiterbildungswillen und das ehrenamtliche Engagement. 5. Timo Grieger (34): Aus Arbeits- losigkeit und Verzweiflung zum Bachelor und Master Der Preisträger in der Kategorie „Fernstudium & Biografie“ ist Timo Grieger aus Augsburg. In dieser Kategorie zeichnet man Absolventen und Absolventinnen aus, in deren Leben das Fernstudium eine zentrale Rolle spielt. Grieger startete nach dem Realschulabschluss eine Ausbildung zum Papiermacher und musste schnell feststellen, dass die Papierindustrie in Deutschland ein unsteter Arbeitsmarkt ist. So folgte eine Phase der Arbeitslosigkeit und schwierige, harte Zeitarbeitsjobs, die Energie raubten. Um dieser Spirale zu entkommen, entschied sich Grieger 2009 eine Umschulung zum Mechatroniker zu starten und nahm hierfür eigens einen Kredit auf. Nach erfolgreichem Abschluss und ersten Erfolgen im Job folgte die Weiterbildung zum staatlich geprüften Elektrotechniker und später, nach einer zusätzlich absolvierten Fachhochschulreifeprüfung, ergriff Timo Grieger 2017 die Möglichkeit, sich an einer Hochschule einzuschreiben und startete mit dem Bachelor „Wirtschaftsinformatik“ seine akademische Laufbahn. Nur drei Jahre später folgte ein Masterstudium an der Wilhelm Büchner Hochschule, welches er ebenfalls erfolgreich abschloss. „Insgesamt verbrachte ich fast neun Jahre im Fernstudium – das ist ein großer Teil meines Lebens. Ich würde sagen, diese lange Zeit hat mich nicht nur geprägt, sondern grundlegend geformt. Beruflich konnte ich eine Treppenstufe nach der anderen nehmen“, blickt der Studienpreisträger zurück. Arbeitslosigkeit und Verzweiflung ließen in Grieger den Wunsch nach Veränderung wachsen. „Ich wollte mein Leben wieder in geordnete Bahnen lenken. Einen Schritt nach dem anderen verfolgte ich mein Ziel und erfüllte mir im April dieses Jahres den langersehnten Traum eines Masterabschlusses!“ Martin Pichler

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