wirtschaft + weiterbildung 09_2022 27 überdauernde Eigenschaften, die sich auf unser Verhalten und Handeln in konkreten Situationen auswirken. Für das Corporate Learning sind Persönlichkeitseigenschaften keine sinnvollen Zielgrößen, weil von diesen Merkmalen nicht zwingend auf bestimmte Haltungen und Handlungsweisen geschlossen werden kann und die Entwicklung dieser Eigenschaften – wenn überhaupt – nur sehr langfristig möglich ist. Es kann jedoch sinnvoll sein, Persönlichkeitseigenschaften zu erfassen, um bestimmte Werte und Kompetenzen, die ermittelt wurden, im Nachhinein besser erklären zu können. Modell der Future Skills Der Bedarf für die zukunftsorientierte Entwicklung der Mitarbeitenden ist in allen Unternehmen und Organisationen groß. Aber wo sollte der Fokus liegen? Wir haben einen Basissatz an Future Skills aus relevanten Studien, unter anderem der Selbst GmbH, des World Economic Forums und der OECD abgeleitet und auf die Erfordernisse von Unternehmen angepasst. So entstand ein Set an 16 Future Skills, die wir für besonders praxisrelevant erachten (siehe Tabelle links). Die Zahl, die Bezeichnungen, die Definitionen sowie die Handlungsanker der Future Skills können vor der praktischen Anwendung in einem moderierten Prozess mit erfahrenen Mitarbeitenden aus der jeweiligen Organisation auf die Rahmenbedingungen, die Kultur und die Sprache der jeweiligen Mitarbeitenden angepasst werden. Damit wird eine hohe Akzeptanz der Erfassung der Future Skills gefördert. Diese Future Skills sollten nun Eingang finden in ein professionelles Skillmanagement im Unternehmen – also in einen geplanten, gelenkten und systematischen Prozess mit dem Ziel, die Entwicklung der Skills der Mitarbeitenden und Teams selbstorganisiert zu ermöglichen, damit die strategischen Unternehmensziele erreicht werden. Die Entwicklung eines organisationsweiten Skillmanagements erfordert deshalb einen strukturierten Veränderungsprozess, der vor allem durch folgende Veränderungen geprägt ist: • von fremdgesteuerten Lehr-/Lernkonzepten zur selbstorganisierten, agilen Entwicklung der Future Skills • von der Vorgabe standardisierter Bildungsangebote auf Basis von Curricula zu einer Ermöglichungskultur, die selbstorganisiertes, personalisiertes Lernen mit individuellen Lernzielen fördert • von der Vermittlung in Seminaren und Workshops, die für alle gleich ist, zu agilen Lernprozessen im Prozess der Arbeit oder in herausfordernden Praxisprojekten Damit verlagern sich die Schwerpunkte des betrieblichen Lernens vom Wissensaufbau und Qualifikation mit Übung und Training zur gezielten, selbstorganisierten Entwicklung von Werten und Kompetenzen und damit zum erfahrungs- und erlebnisorientierten, sozial-emotionalen Lernen und zur Reflektion. Wissensaufbau und Qualifikation sind damit die notwendige Voraussetzung, aber nicht mehr das Ziel des betrieblichen Lernens. Future Skills Toolbox Werte und Kompetenzen werden stets in der Praxis erlebt und erfahren und können deshalb nicht gelehrt oder vermittelt werden. Der Aufbau von Future Skills ist damit immer Erfahrungs- und Handlungslernen in der Praxis. Dabei werden für den gezielten, selbstorganisierten Aufbau von Future Skills möglichst stark emotional „labilisierende“ Herausforderungen in der Arbeitswelt benötigt, deren Bewältigung die angestrebten Werte und Kompetenzen erfordern. Dies bedeutet, dass die Mitarbeitenden Dissonanzen (im emotionalen Sinn innere Widersprüche oder Verwirrungen) erfahren und lernen, diese über neue Lösungsmuster aufzulösen. Deshalb erfordert der Aufbau von Future Skills entsprechende Methoden, die wir in einer Toolbox gebündelt haben. Diese entstand aus der Erkenntnis, dass den meisten Mitarbeitenden Erfahrungen mit selbstorganisiertem Lernen ebenso fehlt, wie eine Übersicht über didaktisch und methodisch passende Lernformate. Die Toolbox ist daher als Sammlung von Formaten und Instrumenten gedacht, die den Lernenden Anregungen für eine eigenständige Auswahl geeigneter Lernansätze bietet. Zu jeder der 16 Future Skills wurden auf vier Skill-Stufen je drei Beispiele gewählt, die den Lernenden zeigen, wie sie sich die angestrebten Skills aufbauen können. Die drei Beispiele repräsentieren jeweils den Übergang von einem Skilllevel zum nächsten. Zum Beispiel lautet die Anregung für Beginner, die ihre Kompetenz für die digitale Transformation auf die Stufe „Advanced“ entwickeln wollen, Social-Media-Posts oder Podcast-Lösungen einzusetzen. Für die Entwicklung auf die Stufe „Experienced“ wird empfohlen, eine „Community of Practice“ zu initiieren und zu moderieren. Für die Entwicklung zur Stufe „Professional“ wird die (Weiter-)Entwicklung eines digitalen Geschäftsmodells für den eigenen Arbeitsbereich vorgeschlagen. So gelingt die Fokussierung in der Personalentwicklung Die Sicherung der Zukunftsfähigkeit der Unternehmen über die gezielte Entwicklung der Future Skills auf Basis eines bedarfsgerechten Future-Skills-Modells ist zwingend. Durch die Fokussierung auf nur 16 Future Skills und das handlungsorientierte Design ermöglicht es diese Konzeption, schnell, koordiniert und ergebnisorientiert selbstorganisiertes Future Learning in der gesamten Organisation zu fördern. Frank Edelkraut, Werner Sauter Frank Edelkraut ist geschäftsführender Gesellschafter der Mentus GmbH. Zudem ist er im Projekt- und Transformationsmanagement sowie als Interimsmanager in HR-Leitungsfunktionen tätig. Der Führungskräfteentwickler ist unter anderem Experte für die Nutzung sozialer Lernformate. fe@mentus.de AUTOREN Werner Sauter ist Gesellschafter und wissenschaftlicher Leiter der Valcom GmbH – Institut für Werte- und Kompetenzmanagement Berlin und begleitet Unternehmen im Werte- und Kompetenzmanagement beziehungsweise Skill-Management. wsauter@valcom.org
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