Wirtschaft und Weiterbildung 9/2022

22 wirtschaft + weiterbildung 09_2022 titelthema Gerben van Kleef von der Universität Amsterdam und seine Kollegen führten mehrere Experimente dazu durch und kamen zu dem Schluss, dass das Brechen von Regeln tatsächlich dazu führt, dass die Regelbrecher mächtiger erscheinen. Macht zu haben reicht nicht. Was muss man tun, um sie auch zu behalten? Pfeffer: Sie müssen Ihre Macht nutzen, um sie zu konsolidieren. Die meisten Menschen, die Macht haben, benutzen sie, um mehr Macht zu bekommen und sie zu behalten. Sobald sie an der Macht sind, ändern sie die Regeln, sodass ihre Macht institutionalisiert wird, wie zum Beispiel bei den Mehrheitsanteilen, die in den Unternehmen des Silicon Valley immer häufiger zu finden sind. Sie müssen Ihre Rivalen loswerden. So wie Donald Trump die Republikanische Partei übernommen hat. Das passiert in Unternehmen ständig. Wenn ein CEO an die Spitze eines Unternehmens kommt, entledigt er sich als Erstes der Führungsriege seines Vorgängers, und dann hat er keine Gegner mehr. Die Menschen erinnern sich nicht, dass es ursprünglich drei Gründer bei Apple gab. Oder nehmen Sie Jack Dorsey mit Twitter. Der erzählt eine Geschichte, die teils nicht wahr ist. Twitter wurde von Jack Dorsey, Biz Stone und Evan Williams gegründet. Biz Stone wurde von Dorsey rausgemobbt. Und Evan Williams ist vermutlich mehr verantwortlich für Twitter als Jack Dorsey. Sie müssen Ihre Wettbewerber loswerden und eine Story präsentieren, die Sie in einem möglichst positiven Licht erscheinen lässt. Sie brauchen ein gutes Narrativ. So wie Donald Trump? Pfeffer: Ja! Mein Verlag hatte mir vorgeschlagen, ein Buch über die Geheimnisse von Donald Trump zu schreiben. Aber das wollte ich nicht tun. Trump folgt übrigens allen sieben Regeln. Und auch Vladimir Putin befolgt die Regeln sehr gut. Er ist komplett rücksichtslos. Diese Rücksichtslosigkeit hat ihm Vorteile gebracht. Jeder sagt, er überspannt den Bogen. Mir gefällt es nicht, was er getan hat und tut, aber andererseits regiert er Russland seit vielen Jahren, wahrscheinlich bis er tot ist. Dasselbe haben wir in China. Haben Sie einen Beleg für Ihre wichtigste Regel: Erfolg entschuldigt alles? Pfeffer: Wir werden von Geld und Macht angezogen. Wenn man das hat, neigen die Menschen dazu, zu verzeihen und zu vergessen, was man getan hat, um Macht zu erwerben. Sie rationalisieren, damit sie dem nahe sein können, was sie sich wünschen – Macht und Erfolg. Auch hierzu gibt es akademische Untersuchungen. Bill Gates hat den Code gestohlen, auf dem Microsoft aufbaut. Jack Dorsey war nicht der Gründer von Twitter. Keinen kümmert es. Die Vorstellung wird zur Realität, weil wir glauben, die Welt ist ein gerechter und fairer Ort. Das ist eine harte Lektion für uns alle. Ihr Buch basiert auf dem Kurs „The Path of Power“, den Sie für MBA-Studierende an der Stanford University unterrichten. Wie kommt der Kurs eigentlich an? Pfeffer: Manche verleugnen meine Ausführungen, ungeachtet der zahlreichen sozialwissenschaftlichen Erkenntnisse. Weil viele Prinzipien der Macht von dem abweichen, was die Menschen vielleicht anderswo über Macht gelesen oder gehört haben, oder was sie von ihren Familien oder in der Schule gelernt haben. Die Leugnung erfolgt meist in der Form, dass ein Gegenbeispiel gefunden wird von einer erfolgreichen Person, die die sieben Regeln der Macht nicht befolgt hat. Aber ein einziges Gegenbeispiel sagt gar nichts. Manche behaupten auch, diese Grundsätze seien nicht anwendbar, weil die sozialen Medien oder neue Generationen die Regeln der Macht verändert haben. Manche sagen, sie gelten nicht in bestimmten Kulturen – zum Beispiel in Asien – oder in kleinen Unternehmen, in der Hochtechnologie oder in Partnerschaften. Verleugnung nimmt viele Formen an. Aber die Regeln gelten überall. Und die meisten Studenten sagen, dass die Regeln ihnen sehr geholfen hätten. Gilt das besonders für Frauen? Pfeffer: Menschen aus privilegierten Verhältnissen, die in der heutigen Gesellschaft in der Regel weiße Männer aus den oberen sozioökonomischen Schichten sind, brauchen die Machtkompetenzen natürlich viel weniger als Frauen oder farbige Menschen. Die Regeln sind wichtiger für Menschen, die nach oben wollen. Wenn Sie etwas erreichen wollen, müssen Sie Macht haben. Wenn sich die Welt ohne Macht verändern würde, hätte sie sich bereits verändert. Aber die Dinge sind im Gleichgewicht, und wenn man sie aus dem Gleichgewicht bringen will, braucht man eine gewisse Kraft. Das ist Physik, angewandt auf das Verhalten von Organisationen. Werden am Ende damit die Falschen Erfolg haben? Pfeffer: Nein! Es werden diejenigen an der Spitze sein, die das Spiel am besten spielen. Sie können nicht ein Fußballspiel kritisieren, ohne zu wissen, wie es funktioniert. Und dann müssen Sie das Spiel besser spielen als Ihre Gegner. Es gibt kein Gesetz, das man in einem Unternehmen an die Spitze kommt, nur weil man sehr gutes technisches Wissen hat. Evident ist, dass die „Power Skills“ wichtig sind. Sie müssen sie beherrschen. Oder Sie müssen sich über Ihr Schicksal beklagen und sagen, ich mag das nicht, wie die Welt funktioniert. Aber das ist nicht sehr hilfreich. Um etwas zu ändern, brauchen Sie Macht. Die Menschen stehen nun mal im Wettbewerb, die Wirtschaft ist im Wettbewerb und wir leben in einer Wettbewerbsgesellschaft, wo nicht jeder gewinnen wird. Also müssen Sie das Beste daraus machen. Macht ist ein Werkzeug, das für jeden beliebigen Zweck eingesetzt werden kann. Man sollte den Wert des Werkzeugs nicht damit verwechseln, wie es eingesetzt wird. Interview: Bärbel Schwertfeger R Buchtipp. Jeffrey Pfeffer: „7 Rules of Power: Surprising – But True“, Verlag Matt Holt Books, Dallas 2022, 216 Seiten, 25,00 US-Dollar

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