R wirtschaft + weiterbildung 09_2022 21 Aber wozu braucht man Macht, wenn in den Unternehmen Hierarchien abgebaut werden ... Pfeffer: Das ist doch Blödsinn. Es gibt weiter Hierarchien. Volkswagen hat einen Vorstandsvorsitzenden, Porsche und die Deutsche Telekom auch. Jede Firma hat einen Chef. Ich würde dem nicht viel Aufmerksamkeit gehen, was die Menschen sagen. Ich würde vor allem auf die Realitäten in der Welt setzen. Es gibt keine Evidenz dafür, dass sich etwas ändert. Heute heißt es oft, Führungskräfte müssen authentisch sein ... Pfeffer: Die Idee der authentischen Führung ist wissenschaftlich falsch und in vielerlei Hinsicht schädlich. Populäre Theorien wie transformationale und authentische Führung sind fehlerhaft, wie zwei skandinavische Forscher in einem preisgekrönten Artikel schreiben. Die Grundlagen, auf denen sie basieren, sind zu wackelig, um die Popularität zu rechtfertigen. Ich verweise nur auf Adam Grant. Der Wharton-Professor schreibt, Betrug hält unsere Welt in Schwung. Ohne Lügen würden Ehen zerbrechen, Mitarbeiter gefeuert, Egos zerschmettert und Regierungen kollabieren. Jahrzehntelange Forschung zur Selbstoffenbarung deutet darauf hin, dass sich verletzlich zu machen, indem man persönliche Informationen über sich selbst mitteilt, in der Regel die Sympathie und Gefühle der Nähe fördert. Die Forschung zeigt jedoch auch die Nachteile, insbesondere bei aufgabenorientierten Interaktionen für Menschen in höheren Führungspositionen. So fanden Forscher heraus, dass die Selbstoffenbarung einer Schwäche zu geringerem Einfluss, größeren Konflikten, weniger Sympathie und einem geringeren Wunsch nach einer zukünftigen Beziehung führt und den Status des Offenbarenden abschwächt. Sie plädieren dafür, unermüdlich zu netzwerken. Dabei sollten wir vor allem mit Menschen Kontakt suchen, mit denen wir bislang nur eine schwache Verbindung haben. Pfeffer: Die Logik ist klar. Menschen, mit denen eine enge Verbindung besteht, kennen dieselben Menschen und haben dieselben Informationen. Für was sind sie dann gut? Sie müssen mit Menschen Kontakt knüpfen, die verschieden sind. Dann lernen Sie auch neue Dinge. Sie brauchen viel mehr schwache Verbindungen als die meisten haben. Viele fühlen sich schlecht dabei, Kontakte mit anderen aus strategischen Gründen zu knüpfen. Dabei zeigt die Forschung eindeutig, dass professionelle Netzwerke den Erfolg erhöhen. Eine Ihrer Regeln heißt, wer Macht haben möchte, muss Regeln brechen. Warum? Pfeffer: Die meisten Menschen befolgen die Regeln, weil ihnen das so beigebracht wurde. Von der frühesten Zeit der Sozialisation in der Kindheit an wird uns beigebracht, Autoritäten zu gehorchen. Wir lernen zu gehorchen, weil diese in der Regel ziemlich hart durchgreifen. Das Dilemma besteht darin, dass die Menschen sich zwar anpassen und akzeptiert werden wollen, aber sie wollen auch hervorstechen. Wenn man sich zu sehr anpasst, wird man unauffällig. Um Macht zu erlangen, muss man mutig sein. Mehrere psychologische Mechanismen unterstützen die Idee, dass die Verletzung von Normen, Regeln und sozialen Konventionen den Regelbrecher mächtiger erscheinen lassen und ihm dadurch mehr Macht verschaffen. Mächtige sind freier, sich über soziale Normen und Konventionen hinwegzusetzen. Der Sozialwissenschaftler Jeffrey Pfeffer. Er ist seit 1979 Professor für Organisationsverhalten an der Stanford Graduate School of Business. Foto:Stanford
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