54 wirtschaft + weiterbildung 04_2022 hot from outside Manfred Kets de Vries (79) schrieb schon vor rund 40 Jahren, dass viele Manager nicht sachlich urteilten, sondern sich von unterdrückten Gefühlen und unbewussten Ängsten leiten ließen. Der Niederländer studierte Ökonomie an der Universität in Amsterdam, machte einen MBA in Harvard und promovierte dort auch. Außerdem absolvierte er eine psychoanalytische Ausbildung am Canadian Psychoanalytic Institute. Seit 1984 arbeitet er an der Insead Business School als Experte für „Leadership Development“. Sein jetzt im Februar erschienenes Buch „Leading wisely“ ist eine Art Zusammenfassung seiner Lebensweisheiten, die er locker präsentiert und mit Zitaten berühmter Philosophen und mit Geschichten aus einer Vielzahl spiritueller und kultureller Traditionen anreichert. Das Buch soll die Führungskräfte auf das lenken, was gerade in einer Krise wirklich zählt – nämlich Weisheit und nicht Daten und Fakten, die ein Computer liefert. Solche Informationen führen laut Kets de Vries nur zu einem oberflächlichen Führungsstil. Das Buch enthält eine strenge Absage an Neid und Gier. Es erklärt den Sinn der „goldenen Regel“, andere so zu behandeln, wie wir selbst behandelt werden möchten. Es fordert auf, mutig zu sein, sich aber genau zu überlegen, ob es sich lohnt, für eine bestimmte Sache zu kämpfen oder nicht. Seine Energie sollte man sich für das aufsparen, was wirklich wichtig ist. Der Autor betont zudem, dass es für den Erfolg von Führungskräften extrem wichtig ist, dass sie aufmerksam zuhören. Bemerkenswert ist, dass Kets de Vries sich sehr intensiv mit der Fähigkeit, glücklich zu sein, auseinandersetzt. Er geht davon aus, dass diese Fähigkeit maximal zu 50 Prozent genetisch bestimmt wird. Ansonsten rät er jedem: „Erwarte nicht, dass dein Arbeitgeber oder andere dich glücklich machen. Dein Glück wächst in deinem Garten.“ Eine Voraussetzung für Glück besteht allerdings darin, dass man sich selbst lieben kann. Man muss sich wertschätzen, auch wenn man weiß, dass man nicht nur gute, sondern auch schlechte Seiten hat. Glücklich wird man übrigens nie, wenn man etwas bekommt, was einem fehlt, sondern wenn man das schätzt, was man hat. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Glück und der Größe des eigenen Vermögens, aber sehr wohl macht eine gute Beziehung zu vielen wohlwollenden Menschen glücklich. Anderen Vorwürfe zu machen, dass man im Leben zu kurz gekommen sei, führt dagegen zu nichts. Der dazu passende Spruch lautet: „Unglückliche Menschen sehen die Vergangenheit besser, als sie war, und die Gegenwart schlechter, als sie ist.“ Tiefes Glück gibt es laut Kets de Vries im Übrigen nur, wenn man anderen hilft, etwas mit ihnen teilt oder sie wenigstens zum Lächeln bringt. Den Machtmenschen sagt der Autor, dass es kein Recht auf Glück gibt und dass es angesichts von Unglücken eine Stärke ist, Gefühle der Ohnmacht zu ertragen. Psychologie Weisheit hilft gerade jetzt Manfred F. R. Kets de Vries Leading Wisely – Becoming a Reflective Leader in Turbulent Times, John Wiley & Sons, Chichester 2022, 192 Seiten, 18,19 Euro Gudrun Porath Die freie Journalistin Gudrun Porath hat sich auf die zentralen Themen der Personalentwicklung und der Organisationsentwicklung spezialisiert. Sie ist E-LearningKolumnistin für www.haufe.de/personal und Mitglied des Programmbeirats „Corporate Digital Learning Experience“ der Messe „Zukunft Personal Europe“ in Köln. Außerdem schreibt sie regelmäßig für das „Personalmagazin“ und „Wirtschaft + Weiterbildung“. Mehr Demut, Urteils- und Einfühlungsvermögen, Mitgefühl, Nachsicht! „ „
RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==