training und coaching 48 wirtschaft + weiterbildung 04_2022 mittelbar in die Augen schaut. Gerade solche Erfahrungen sind aber für den Aufbau von Vertrauen und einer persönlichen Beziehung wichtig. Wir brauchen Workshops zum Beschnuppern Deshalb empfiehlt sich, vor dem Start von transnationalen Projekten zumindest mit den Schlüsselpersonen zum Beispiel ein, zwei Workshops durchzuführen, bei denen sich diese beschnuppern können – Workshops also, bei denen es weniger darum geht, das Projekt und die Zusammenarbeit bis ins Detail zu planen, als die emotionale Basis zu schaffen, damit die Zusammenarbeit im Alltag auch über weite Entfernungen und Kulturgrenzen hinweg funktioniert. Solche Workshops kosten Zeit und Geld – unabhängig davon, ob sie als Präsenzveranstaltung oder zum Beispiel coronabedingt als Onlineveranstaltung stattfinden. Sie amortisieren sich aber schnell, da die Zusammenarbeit danach störungsfreier funktioniert – auch weil zum Beispiel die Deutschen Fürsprecher bei den Amerikanern oder Chinesen und diese wiederum bei den Deutschen haben. Und treten trotzdem mal Störungen oder Irritationen auf? Dann fällt ein entsprechender Anruf beim Kollegen in Frankreich, China und den USA leichter. Risiken, aus denen Probleme erwachsen könnten, werden also schneller thematisiert. Und bereits vorhandene Probleme? Sie werden nicht so lange unter den Teppich gekehrt, bis aus ihnen echte Krisen werden und man sich in wechselseitigen Schuldzuweisungen ergeht. Solche Workshops bedürfen wie alle Teamentwicklungsmaßnahmen – unabhängig davon, ob sie als Präsenz- oder Onlineveranstaltung stattfinden – einer sorgfältigen Planung, denn das SichKennen-und-Verstehen-Lernen ist nicht zweckfrei. Vielmehr sollen die Teilnehmer anschließend besser kooperieren. Entsprechend wichtig ist es mit ihnen zu Beginn die Erwartungen zu klären. Leitfragen hierfür können sein: „Der Workshop hätte aus meiner Warte am Ende viel gebracht, wenn ...“ oder auch „Für mich ist am wichtigsten, dass ...“ Kennlernprozesse moderieren Sind die Erwartungen geklärt, wird in solchen Workshops meist über folgende Themenkomplexe gesprochen: • Welche Merkmale kennzeichnen die (Business-)Kultur der Länder, aus denen die Teilnehmer kommen? Welche Gemeinsamkeiten/Unterschiede gibt es? • Welche Merkmale kennzeichnen die (Teil-)Organisationen, für die die Teilnehmer arbeiten? Welche Gemeinsamkeiten/Unterschiede gibt es? • Was macht die Teilnehmer als Personen aus? Welche Vorlieben haben sie? • Welche Regeln sollen für die Zusammenarbeit gelten? Über diese Themen sollte kein Referent dozieren. Vielmehr sollten die Teilnehmer hierüber miteinander sprechen, damit das Eis zwischen ihnen bricht. Denn das zentrale Ziel solcher Workshops ist: Die Teilnehmer sollen sich am Schluss als Personen wechselseitig wertschätzen. Denn bei der späteren Zusammenarbeit werden immer wieder Missverständnisse und Irritationen entstehen. Das ist bei jedem Projekt der Fall. Der einzige Unterschied bei transnationalen Projekten: Die möglichen Ursachen sind sehr viel vielfältiger und die Teilnehmer haben, wenn etwas schief geht, ausgesprochen schnell eine Entschuldigung parat. „Das liegt an den Amerikanern ...“. Entsprechend wichtig ist es, mit den Teilnehmern auch zu erarbeiten, dass wechselseitiger Respekt und die Bereitschaft, sich zu verstehen und zu kooperieren, die Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit sind. In welchem Verhalten sich Respekt zeigt, dies ist aber von Kultur zu Kultur verschieden. Deshalb sollten in solchen Workshops auch Fragen erörtert werden wie: • In welchen Situationen habe ich mich (nicht) respektiert gefühlt? • Welche Bedeutung hat Respekt für mein Leben? • Wie erweist man in meinem Land anderen Personen in der Regel seinen Respekt? • Welche Unterschiede gibt es zwischen unseren Ländern? • Wie sollte eine Person sich verhalten, damit sie in unserem Unternehmen respektiert wird? Aus den Antworten können dann Regeln für den Umgang miteinander abgeleitet werden. Eine Regel sollte lauten: Wenn jemand gegen eine Regel verstößt, ziehe ich mich nicht schmollend zurück. Dann frage ich die Person vielmehr, warum sie sich so verhalten hat. Denn die meisten Regelverletzungen erfolgen aufgrund von Missverständnissen. Oder weil der betreffenden Person Infos fehlten. Oder weil sie gerade in Stress war. Oder weil ... Entsprechend leicht lassen sich aus Regelverstößen resultierende Irritationen meist auflösen, wenn man miteinander spricht – ohne den anderen sogleich anzuklagen. Sabine Machwürth R
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