R wirtschaft + weiterbildung 04_2022 47 wird wenig Zeit in die Suche nach möglichen Knackpunkten und in die Vorbereitung der Mitarbeitenden investiert. Denn dies erscheint, anders als wenn die neuen Partner Chinesen, Saudis oder Afrikaner sind, nicht nötig. Im betrieblichen Miteinander scheint alles weitgehend gleich. Doch dann startet das Projekt. Und einige Zeit später merken die Verantwortlichen: Irgendwie läuft das Ganze nicht wie geplant. Ständig gibt es Reibereien. Und unsere Botschaften kommen beim Gegenüber nicht an. Dann reift in ihnen allmählich die Erkenntnis: Die kulturellen Unterschiede sind größer als gedacht. „Den Chinesen“ oder „den Franzosen“ gibt es nicht Doch leider ist es dann oft zu spät, das Ruder herumzureißen – beziehungsweise hierfür wäre ein enormer Energieaufwand nötig. Denn zu diesem Zeitpunkt haben sich häufig die latenten Vorurteile, die jeder Mensch gegenüber Personen aus anderen Kulturen hegt, bereits zu unsäglichen Urteilen verfestigt - zu Urteilen, die sich in viel zu pauschalisierenden Aussagen und Gedanken wie „Die Franzosen ...“, „die Chinesen …“, „die Argentinier“ oder „die Amerikaner sind halt so“ manifestieren. Das heißt, es wird nicht mehr beachtet, dass es „den Franzosen“, „Chinesen“ oder „Amerikaner“ ebenso wie „den Deutschen“ nicht gibt – selbst wenn gewisse Verhaltensmuster in den einzelnen Kulturen verschieden stark ausgeprägt sind. Es wird auch nicht mehr reflektiert, dass jedes Verhalten aus einem bestimmten Erleben resultiert. Deshalb ist vielfach auch kein Verstehen möglich. Vielmehr werden die Verhaltensmuster mit Werturteilen verknüpft: • „Die Amerikaner sind halt oberflächlicher als wir Deutschen“ • „Die Spanier sind eben wie alle Südländer unzuverlässig“ • „Die Chinesen sind halt wie die meisten Asiaten obrigkeitshörig.“ Und diese Verknüpfungen wieder aufzulösen, ist meist schwer, denn sie sind zumindest in der subjektiven Wahrnehmung mit konkreten Erfahrungen hinterlegt. Solche Prozesse gilt es zu vermeiden, wenn Personen aus unterschiedlichen Nationen und Kulturen zusammenarbeiten und beim Erfüllen ihrer Aufgaben oder Erreichen ihrer Ziele aufeinander angewiesen sind – und zwar frühzeitig. Denn in den ersten Wochen entscheidet sich, wie gut transnationale Teams langfristig funktionieren. Entsprechend wichtig ist es, in der Startphase solcher Projekte Foren zu schaffen, die es zumindest den Schlüsselpersonen ermöglichen, sich persönlich kennen und verstehen zu lernen und sich auf gemeinsame Ziele sowie Regeln im Umgang miteinander zu verständigen. Onlinekommunikation erschwert das Kennenlernen Telefonate, E-Mails und Videokonferenzen können ein persönliches Kennenlernen nicht ersetzen. Denn wie Menschen zusammenarbeiten, hängt stark davon ab, inwieweit sie die Reaktion des jeweils anderen einschätzen können und ihm vertrauen. Und dies setzt voraus, dass die betreffenden Personen ein wechselseitiges Bild voneinander und einen gemeinsamen Schatz an lebendigen Erfahrungen haben. Dieses persönliche Bild vom Gegenüber entsteht beim Kommunizieren via Telefon und E-Mail sowie in Videocalls nur bedingt. Denn hierbei bleibt die Kommunikation oft weitgehend auf den Austausch fachlicher Infos beschränkt. Zudem ist die Wahrnehmung des Gegenübers eingeschränkt. Es fehlen sinnliche Erfahrungen, wie sie zum Beispiel entstehen, wenn man einer Person die Hand reicht. Oder wenn man ihr beim Gespräch unSabine Machwürth ist Mitglied der Geschäf tsleitung der international agierenden Managementberatung Machwürth Team International, die mit 450 Beratern, Trainern und Projektmanagern weltweit kooperiert, um Firmen bei der Umsetzung von Unternehmensstrategien gezielt zu unterstützen. Machwürth Team International GmbH (MTI) Dohrmanns Horst 19 27374 Visselhövede Tel. 04262 9312-0 www.mticonsultancy.com AUTORIN
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