R wirtschaft + weiterbildung 04_2022 43 einer Blockade unserer Fähigkeiten – zum Beispiel unseres Denkvermögens und unserer Kreativität. Eng verknüpft mit dieser Angst ist die Scham „Ich bin nicht gut genug“, „Ich genüge den Ansprüchen nicht.“ Sie schränkt unsere Fähigkeit ein, aus einer misslichen Situation zu lernen, denn wenn die Scham dominiert, fragen wir uns nicht mehr zukunftsorientiert „Was lerne ich aus dem Fehler?“. Wir fühlen uns vielmehr wertlos sowie zu schwach und „klein“, um herausfordernde Aufgaben zu meistern. Nagt dieses Gefühl dauerhaft an uns, kann dies sogar zu Depressionen führen. Die US-amerikanische Psychologin Kristin Neff, Professorin an der Fakultät für Pädagogische Psychologie der University of Texas in Austin, erachtet vor allem ein sogenanntes Selbstmitgefühl als wichtig, um den inneren Kritiker zu mäßigen. In Studien fand sie heraus: • Menschen mit einem ausgeprägten Selbstmitgefühl, übernehmen mehr Verantwortung für ihre Fehler. Sie sind gewissenhafter und entschuldigen sich eher. • Die meisten Menschen sind deutlich mitfühlender, verständnisvoller und freundlicher zu anderen Menschen als zu sich selbst. Doch was meint der Begriff Selbstmitgefühl eigentlich genau? Einfach ausgedrückt: Freundlich zu sich selbst sein. Das heißt unter anderem, dass wir Fehler, die wir machen, als menschlich erachten, verständnisvoll für uns selbst sind und bleiben und uns nicht permanent für unsere Unzulänglichkeiten kritisieren. Denn wer behauptet, dass wir keine Schwächen haben dürfen, dass uns immer alles auf Anhieb gelingen muss? Zu einem guten Freund sagen wir, wenn er einen Fehler macht, doch auch nicht: • Du bist dumm wie Brot. • Das hättest Du aber wirklich besser wissen müssen. • Du bist ein Versager und bleibst ein Versager. Täten wir dies, hätten wir bald keine Freunde mehr. Sich selbst gegenüber geizen viele Menschen aber nicht mit abfälligen Worten oder Gedanken. Sie sind sozusagen gnaden- beziehungsweise erbarmungslos mit ihrer Selbstkritik – und wundern sich dann, dass ihr Selbstwertgefühl hierunter leidet. Nicht selten wird ein Selbstmitgefühl mit Selbstmitleid verwechselt. Doch zwischen ihnen besteht ein fundamentaler Unterschied: Jemand, der Selbstmitleid empfindet, ist förmlich überflutet von den eigenen Problemen. Er nimmt nicht mehr wahr, dass es auch andere Menschen mit Problemen gibt. Nur die eigenen Probleme zählen. Selbstmitgefühl hingegen ermöglicht es uns, dass wir, wenn wir beim Lösen einer Aufgabe scheitern und uns unser eigenes Verhalten missfällt, unser Tun mit einem gewissen Abstand und aus einer angemessenen Perspektive betrachten und analysieren – und zwar ähnlich wohlwollend und verständnisvoll, unterstützend und problemlösungsorientiert, wie wir dies bei einem guten Freund oder einer guten Freundin tun würden. Selbstmitgefühl fördert und stimuliert den Erfolg An der Universität UC Berkeley wurde eine interessante Studie zum Thema Selbstmitgefühl erstellt. Für sie mussten ausgewählte Studierende einen Test absolvieren in drei Testgruppen. Der Test war bewusst so konzipiert, dass alle Studierenden durchfielen. Danach wurden den drei Testgruppen unterschiedliche Rückmeldungen gegeben: • Die erste Gruppe erhielt kein Feedback. • Der zweiten wurde schlicht gesagt: „Macht Euch keine Sorgen, Ihr seid
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