Wirtschaft und Weiterbildung 4/2022

wirtschaft + weiterbildung 04_2022 23 gestiegen sind. Ihr Geschäftsmodell war nicht nachhaltig. Heute findet man Unternehmen, die große weltgeschichtliche Trends erkennen und ihre Geschäftsmodelle darauf ausrichten, vorrangig in den USA. Amazon ist ein solches Unternehmen ebenso wie Google und Facebook. Auch Tesla hat es geschafft, aus der politischen Diskussion über den Klimawandel ein Geschäftsmodell ganz eigener Art zu machen: Das Unternehmen verdient nicht nur Geld mit dem Verkauf von Autos und Over-the-Air-Diensten, sondern auch mit dem Verkauf von CO2-Zertifikaten. Weder Edzard Reuter noch Jürgen Schrempp und zuletzt auch nicht Dieter Zetsche haben ein Geschäftsmodell gefunden, mit dem sie ihre Vision finanzieren konnten. „Das Beste oder nichts“ Im Jahr 2010 benutzte Mercedes den Werbeslogan „Das Beste oder nichts“. Er sollte den Führungsanspruch der Marke unterstreichen. „Das Beste oder nichts“ ist ein starker Imperativ. Aber Imperative werden nicht dadurch wirkungsmächtig, dass man sie irgendwo hinschreibt, auch nicht dadurch, dass man sie zum Firmenslogan macht. Imperative müssen gelebt werden, zuerst und vor allem von den Führungskräften. „Das Beste oder nichts“ ist nicht nur eine Aufforderung, die besten Autos der Welt zu bauen. „Das Beste oder nichts“ ist auch eine Aufforderung an das Management, immer die beste Entscheidung für das Unternehmen zu treffen. Mag sein, dass dieser Anspruch heute in einer unendlich komplexen Welt zu hoch ist, um ihn jeden Tag erfüllen zu können. Aber es geht bei dieser Maxime nicht um das Ergebnis, sondern um eine Haltung! Was bringt die Zukunft? Es wird wohl nicht lange dauern, bis viele Kommentatoren und Experten zu der Einschätzung kommen, dass die (nur auf Personenwagen ausgerichtete) neue Mercedes-Benz AG, gemessen amWeltmaßstab, nicht nur klein, sondern zu klein ist, um überleben zu können. Wenn das zu einer Diskussion darüber führt, wie Mercedes-Benz möglichst schnell in eine vermeintlich überlebensfähige Größe hineinwachsen könnte, dann würde das Unglück genau wieder da beginnen, wo es Anfang der 1980erJahre seinen Ausgangspunkt genommen hat. Die Auffassung, dass Economies of Scale die wichtigste Voraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen sind, scheint unausrottbar zu sein. Ist Größe entscheidend? Unternehmen können in jeder Größe überleben. Sie müssen sich in ihrer Strategie, in ihrer Struktur und in ihrer Kultur nur an ihren jeweiligen Möglichkeiten ausrichten. Es gibt erheblich mehr Luxusmarken, die an ihrem Streben nach „Größe“, nach mehr Umsatz und mehr Gewinn zugrunde gegangen sind, als Luxusmarken, die ihre Exklusivität bewahrt haben. Groß und erfolgreich ist ein Luxusunternehmen, wenn es zur Projektionsfläche von Sehnsüchten wird. Willi Diez Keine Angst vor Übernahme durch ausländische Investoren „Es ist kein Naturgesetz, dass Daimler ewig besteht“, sagte der damalige Daimler-Chef Dieter Zetsche im Februar 2019 auf einer Podiumsdiskussion. Schneller als erwartet wurde seine Prognose Realität, denn am 30. November 2021 endete die Geschichte der Daimler AG. An ihre Stelle treten zwei neue Unternehmen: die Mercedes-Benz AG und Einsichten. Ein Insider der von 1979 bis 1991 „beim Daimler“ arbeitete (zuletzt als Vorstandsreferent) hat die jüngere Geschichte des Automobilkonzerns aufgeschrieben und kritisch analysiert. Buchtipp. Willi Diez: „Verlorene Größe – Neue Horizonte: Das Ende von Daimler?“, Vahlen Verlag, München 2022, 507 Seiten, 39,80 Euro die Daimler Truck AG. Der Autor Willi Diez beschäftigt sich mit der Daimler-Geschichte sehr kenntnisreich und erzählt lebendig und spannend. Er nennt die „Kapitalvernichter“ und „Managementnieten“ beim Namen, aber nicht um sie zu denunzieren, sondern um mit einer personifizierten Darstellung das Maximum an möglichen Lerneffekten zu erzielen. Das Buch überzeugt auch durch seine analytische Kraft, mit der einige verführerische Managementmoden als Blödsinn enttarnt werden. Und Diez regt dazu an, an einer effektiven Kontrolle von Aktiengesellschaften durch die zuständigen Aufsichtsgremien zu zweifeln. Das vorliegende Buch ist kein Nachruf. Aber bei den Lesern und den Leserinnen entsteht der Eindruck, dass die zusammengeschrumpfte Mercedes-Benz AG bald von einem ausländischen Investor aufgekauft werden könnte. Diez betont: „Ich sehe eine Übernahme nicht unbedingt als Schreckensszenario. Jeder Investor wäre daran interessiert, die Marke Mercedes-Benz zu stärken und nicht zu schwächen.“

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