Wirtschaft und Weiterbildung 4/2022

aktuell 12 wirtschaft + weiterbildung 04_2022 Leider spüren viele Kunden immer häufiger die negativen Folgen der virtuellen oder hybriden Zusammenarbeit bei ihren Dienstleistern und Lieferanten. So beklagte zum Beispiel ein Kunde von mir unlängst beim gemeinsamen Mittagessen, dass er zunehmend das Vertrauen in die Steuerkanzlei, mit der er seit über 20 Jahren zusammenarbeite und die auch die Lohnabrechnung für seine Mitarbeiter mache, verliere. Seit die Kanzleimitarbeiter weitgehend im Homeoffice arbeiteten, also verstärkt virtuell zusammenarbeiteten, häuften sich in ihrer Arbeit die Fehler. So seien zum Beispiel Steuerunterlagen noch ein halbes Jahr nach dem Umzug seines Unternehmens wiederholt an die alte Büroadresse geschickt worden. So seien per Mail mitgeteilte Infos über das Ausscheiden von Mitarbeitern und Lohnänderungen bei den Lohnauswertungen nicht berücksichtigt worden. Über solche Defizite klagen Kunden gehäuft – und zwar insbesondere … • bei Unternehmen, die für ihre Kunden recht komplexe (Dienst-)Leistungen erbringen, die eine Zusammenarbeit mehrerer Mitarbeiterbereiche auf Seiten des Leistungserbringers erfordern • wenn ein Unternehmen (wie der Steuerberater) mehrere Leistungen für einen Kunden erbringt, die von unterschiedlichen Mitarbeitern oder Bereichen erbracht werden. Dann spüren die Kunden oft nicht nur in der Auftragsabwicklung, sondern auch bei der Betreuung einen aus der virtuellen Zusammenarbeit resultierenden Mangel an Kommunikation und Koordination. Dies kann speziell für Unternehmen, die primär von Stammkunden leben und bei denen die Vertrauensbeziehung zu ihren Kunden ein zentraler Erfolgsfaktor ist, fatale Folgen haben. Denn staut sich bei Kunden mit der Zeit ein Unmut über die gesunkene Arbeits- oder Betreuungsqualität an, platzt ihnen irgendwann der Kragen. Der Dienstleister fällt aus allen Wolken: „Jahrzehntelang haben wir doch gut zusammengearbeitet.“ Stimmt! Deshalb sah der Kunde ja lange über die Nachlässigkeiten hinweg. Doch irgendwann ist die gute Zusammenarbeit in der Vergangenheit Schnee von gestern. Entsprechend wichtig wäre es zurzeit einmal systematisch zu analysieren: • Inwieweit hat sich durch die virtuelle oder hybride Zusammenarbeit die Qualität unserer Leistung aus Kundensicht verändert? • Wo sollten wir deshalb unsere Prozesse überdenken und eventuell neue Standards definieren, um unseren Kunden weiterhin eine Top-Qualität zu bieten? • Inwieweit haben sich durch die veränderte Zusammenarbeit auch die Anforderungen an unsere Führungskräfte verändert? Zudem sollten sie gemäß der Formel „Menschen-Tools-Prozesse“ ermitteln: Welche (digitalen) Tools können wir außer zum Optimieren unserer Prozesse nutzen? Dies zu tun, wird umso dringlicher, je stärker sich die virtuelle und hybride Zusammenarbeit zum neuen Normal in den Betrieben entwickelt. Denn im Verlauf dieses Prozesses verändern sich auch die Erwartungen ihrer Kunden. In den ersten Monaten nach dem Ausbruch der Pandemie waren sie noch bereit, „situationsbedingt“ über gewisse Unzulänglichkeiten in der Auftragsbearbeitung und Kundenbetreuung bei ihren Dienstleistern und Lieferanten hinwegzusehen. Doch heute – also zwei Jahre später – erwarten sie schlicht, dass Kommunikation und Kooperation reibungslos funktionieren. Gastkommentar Wirklich alles paletti im Homeoffice? Peter Schreiber Peter Schreiber ist Inhaber der B2B-Vertriebs- und Managementberatung Peter Schreiber & Partner in Ilsfeld bei Heilbronn (www.schreiber-training.de). Er ist unter anderem auch Dozent an der IHK-Akademie München in Westerham und Referent bei WEKA Industriemedien in Wien. Coronabedingt sahen viele Abnehmer über gewisse Unzulänglichkeiten ihrer Lieferanten hinweg. „ „

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