Wirtschaft und Weiterbildung 6/2022

d“ Das Magazin für Führung, Personalentwicklung und E-Learning www.wuw-magazin.de wirtschaft weiterbildung 06_22 Mat.-Nr. 00107-5198 Wertetraining_Den Kern von Kompetenzen in den Fokus stellen S. 28 Verhaltensökonomie_Die Erkenntnisse für die Führung nutzen S. 34 Managerweiterbildung_Das operative Kerngeschäft einbinden S. 46 Die Galaxie der Schule 42 Kodieren lernen mit Gamification und Peer Review S. 18

editorial wirtschaft + weiterbildung 06_2022 3 Eine wertvolle Lektüre wünscht Kristina Enderle da Silva, Chefredakteurin das liebe ich an meinem Beruf: Ich treffe auf inspirierende Menschen, die in ihrer Arbeit aufgehen und vor Ideen sprühen; bei denen sich aus jedem Wort herauslesen lässt, wie sehr sie ihre Profession schätzen – und das alles live von Angesicht zu Angesicht. Das durfte ich auf der Messe „Zukunft Personal Nord“ in Hamburg bei der Moderation eines Podiums endlich wieder erleben. Drei Coachingprofis gaben Einblicke in ihr tiefes Wissen zu digitalem Coaching und zeigten neue App-Entwicklungen auf. Auch die Gespräche an den Messeständen waren geprägt von großer Offenheit und der Leidenschaft, die in einer Produktentwicklung steckt. Für diese Ausgabe konnte ich weitere inspirierende Gespräche führen – wenn auch nur im Video-Interview: Die Kompetenz-Koryphäe John Erpenbeck gab mir zusammen mit dem bekannten Lernexperten Werner Sauter Einblick in das Konzept des Wertemanagements. Für mich machte es dabei mehrfach „Klick“: Werte sind an vielen Stellen das fehlende Bindeglied – gerade wenn es um den Gap zwischen erwartetem und tatsächlichem Verhalten geht. Gleichzeitig stellt sich die Frage, wo die Grenze zwischen der Beeinflussung von Werten und Manipulation liegt. Wertemanagement kann schnell „übergriffig“ werden, wenn die Ziele nicht klar sind und es an der Kommunikation hapert. Doch lesen Sie selbst, wie die beiden dies einschätzen (ab Seite 32). Das zweite Interview in dieser Ausgabe, das ich zusammen mit meiner Kollegin Julia Senner geführt habe, war geprägt von großem Enthusiasmus: Wir haben mit Ralph Linde, Chief Learning Officer des VW-Konzerns, gesprochen und ihn gefragt, woher sein großes Engagement für die Programmierschule Wolfsburg 42 rührt, die er als Präsident unterstützt. Heraus kam ein leidenschaftliches Gespräch (ab Seite 24) über den Disruptionsdruck in der Bildung, die Freude an der Förderung von Menschen und die Motivation zum lebenslangen Lernen. Ich hoffe, dass Sie sich davon mindestens ebenso inspiriert fühlen wie ich. Liebe Leserinnen und Leser,

inhalt 06_2022 4 wirtschaft + weiterbildung 06_2022 06 blickfang aktuell 08 Nachrichten Neues aus der Weiterbildungsbranche: aktuelle Studien, Umfragen und Tipps menschen 14 Herausforderung Transformation „Change optimiert, Transformation schafft Neues“, ist sich Berater Reza Razavi sicher. Seine Überzeugungen, wie Unternehmen den Wandel meistern, fußen auch auf seiner persönlichen Geschichte. titelthema 18 Die Galaxie der Schule 42 Programmierer sind begehrte Fachkräfte. Darum konzentrieren sich viele Weiterbildner auf eine möglichst schnelle Ausbildung. Die Schule 42 geht einen ganz eigenen Weg: Das für alle zugängliche Studium setzt auf einen spielerischen Lernansatz, der ohne Lehrkräfte und Bücher auskommt. 24 „ Bildung steht unter Disruptionsdruck“ Wir müssen bereit sein, Neues zu wagen und Bildungskonzepte zu überdenken, meint Ralph Linde, CLO von VW. Die Schule 42 vereint viele seiner Ideen zu Teamarbeit und Selbstorganisation. Programmieren. Das Lernkonzept der Schule 42 basiert auf einem Gamification-Ansatz: Im Lernuniversum öffnen sich mit jedem Planeten neue Herausforderungen beim Kodieren. Wer das nächste Level nicht erreicht, verschwindet im schwarzen Loch und muss das Studium abbrechen. Reza Razavi. Der Berater sieht Transformation als überlebenswichtig für Firmen an. Change sei nur Kosmetik. 14 personal- und organisationsentwicklung 28 Werte als Wegweiser Die Arbeitswelt wird immer unberechenbarer und komplexer. Je mehr Menschen dabei selbstorganisiert handeln, desto mehr benötigen sie Antrieb und Orientierung. Deshalb gewinnen Werte und ihre gezielte Entwicklung an Bedeutung. 32 „Das erfordert einen Paradigmenwechsel“ Professor John Erpenbeck und Professor Werner Sauter haben zusammen ein Konzept für das Wertemanagement erstellt. Im Interview erläutern sie, warum Unternehmen dem Wertemanagement mehr Aufmerksamkeit schenken sollten und wo Grenzen beim Wertetraining liegen können. 34 Immer wichtiger: „Perspective Taking“ Die Fähigkeit, das zukünftige Verhalten anderer Personen halbwegs zutreffend einzuschätzen, ist gerade auf der Führungsebene oft schlecht ausgebildet. Man projiziert gerne die eigenen Einstellungen auf andere und glaubt, die anderen seien so wie man selbst. Um das zu ändern, können Ansätze aus der Verhaltensökonomie helfen. 18

wirtschaft + weiterbildung 06_2022 5 Werte. Sie bilden den Kern von Kompetenzen und bieten Mitarbeitenden Orientierung für ihr Handeln. training und coaching 38 Agile Spiele machen den Wandel greifbar Es gibt zahlreiche Beispiele dafür, dass sich die Prinzipien der Agilität sehr gut über Spiele lernen lassen und dass diese Spiele auch noch Spaß machen. Kreativität und Neugierde werden freigesetzt, wenn alte Regeln unter Anleitung einer Trainerin oder eines Trainers spielerisch verändert werden. 46 Foresight Journey – Lernen auf neuen Wegen Eigene Erfahrung bei der Bewältigung realer Herausforderungen zu sammeln, gilt als Erfolgsrezept in der Führungskräfte- weiterbildung. Ein neues Programm baut darauf auf, indem es Weiterbildung mit dem operativen Kerngeschäft verbindet. 56 Kolumne: Fördere und setze auf Kompetenz! Managementtrainer Boris Grundl fordert von Managern eine tiefgehende Entwicklung ihrer Führungskompetenzen. Was selbstverständlich klingt, wird immer noch zu oft vernachlässigt und mit rhetorischer Kunst überspielt. Training. In einem neuen Programm rückt die Weiterbildung von Führungskräften näher an das operative Kerngeschäft und wird so effektiver. 28 46 52 fachliteratur 58 zitate Rubriken 03 editorial 51 vorschau/impressum

blickfang 6 wirtschaft + weiterbildung 06_2022 WAS Das Foto zeigt drei mit Kräutern und essbaren Blumen bepflanze Hochbeete, die auf der ehemals tristen Dachterrasse des Verwaltungsgebäudes eines Hamburger Bauunternehmens stehen. WAS NOCH Die grüne Oase auf dem Dach verschönern die Pausen der Mitarbeitenden, die hier ihre Salate oder Butterbrote mit frischen Kräutern würzen oder Radieschen und Möhren naschen. UND SONST Das Foto von den Kisten wurde uns von dem Start-up „Hochbeet Hamburg“ (Petra Weinstein und Sven Scott Kirkwood) in Hamburg zur Verfügung gestellt (www.hochbeet-hamburg.de). Lernprojekt Hochbeet. Auf der „Zukunft Personal Nord 2022“ stießen die Messebesucher und -besucherinnen in einem Bereich, der für das betriebliche Gesundheitswesen reserviert war, überraschenderweise auf mehrere mit echten Pflanzen bestückte Hochbeete. Ein Start-up hatte die Idee, die Terrassen, Pausenhöfe oder ehemaligen Parkflächen von Unternehmen grüner zu gestalten. Bürogemeinschaften sollen so zu einer kleinen Gartenarbeit und zu gesunder, taufrischer Ernährung angeregt werden. Eine gemeinsame Verantwortung für etwas Jobfremdes könnte zusätzlich auch noch das Wirgefühl stärken. Was als „sinnvolle Erweiterung des Arbeitsalltags“ angeboten wurde, begeisterte vor Ort viele Personaler und Personalerinnen. Die Idee, Aufbau, Bepflanzung und Präsentation von Hochbeeten den Auszubildenden über ein agiles Projektlernen anzubieten, stieß auf reges Interesse.

8 wirtschaft + weiterbildung 06_2022 UMFRAGE ALLENSBACH Das Zukunftsvertrauen der Deutschen ist kollabiert Videokonferenzen sind nicht förderlich für die Kreativität der Beteiligten, schreiben Melanie Brucks von der Columbia University und Jonathan Levav von der Stanford University im wissenschaftlichen Fachmagazin „Nature“. Zunächst baten die Wissenschaftler Zweierteams, neue Verwendungsideen für ein Produkt zu entwickeln. Die Hälfte aktuell ARBEITSWELT Videokonferenzen bremsen die Kreativität an weniger Gegenstände im Raum als die persönlich interagierenden Paare. Die Forscher sehen das Ergebnis als Bestätigung für die Hypothese, dass ein eingeengtes Sichtfeld und damit ein eingeengter kognitiver Fokus verhindern, dass Gedanken umherschweifen und dabei Assoziationen aufkommen, die schließlich kreative Ideen entstehen lassen. Der überregionale „Gabal Impulstag 2022“, der am 25. Juni in Frankfurt am Main stattfinden sollte, wurde abgesagt. Die Anmeldezahlen blieben weit hinter den Erwartungen zurück. „Die Entscheidung ist uns nicht leichtgefallen, doch zahlreiche interne und externe Gespräche bestätigten, dass das Thema „Adaptability“ (Anpassungsfähigkeit als wichtigste Zukunftskompetenz) unserer Zielgruppe aktuell nicht unter den Nägeln brennt“, erklärten die Veranstalter. Darüber hinaus herrsche noch immer eine gewisse Zurückhaltung, was Veranstaltungen in geschlossenen Räumen angehe. Der Verband (www.gabal.de) weist auf seine regionalen Events hin, die kontinuierlich stattfinden. GABAL Impulstag wurde abgesagt der Paare saß dabei gemeinsam in einem Raum, bei der anderen Hälfte saß jeder Partner allein in einem Raum und die beiden waren per Videokonferenz zusammengeschaltet. Es zeigte sich, dass virtuelle Paare deutlich weniger kreative Ideen entwickelten. Um zu prüfen, ob eine Verengung der visuellen Wahrnehmung für die KreativitätsDer Krieg Russlands gegen die Ukraine hat zu einem in der Geschichte der Bundesrepublik nie erlebten Zusammenbruch des Zukunftsoptimismus geführt. Nur noch 19 Prozent der Bevölkerung sind für die nächsten zwölf Monate optimistisch gestimmt, die Mehrheit ist dagegen tief besorgt. Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine fühlen sich drei von vier Deutschen durch Russland bedroht. 86 Prozent der Deutschen rechnen mit Versorgungsengpässen bei Energielieferungen. Die Deutschen sind auch langfristig pessimistisch, denn 66 Prozent glauben, dass sich der Wohlstand in den nächsten zehn Jahren verringern werde. Nur jeder fünfte (20 Prozent) geht davon aus, dass sich der Wohlstand auf einem Niveau wie heute einpendeln könnte. Seit 1949 beobachtet das Institut für Demoskopie die Stimmungslage der Bevölkerung. Immer wieder gab es Schockwellen, die den Zukunftsoptimismus angriffen – den Koreakrieg, den Mauerbau, die Ölkrisen in den 1970er- und 80erJahren, die Rezession Anfang der 1990erJahre, die New Yorker Anschläge, die Finanzmarktkrise und zuletzt den Ausbruch der Pandemie. Nie war das Zukunftsvertrauen indes so tief erschüttert wie zurzeit. bremse verantwortlich ist, dekorierten die Forscher die Versuchsräume mit verschiedenen Gegenständen. Sie verfolgten dann die Blicke der Probanden, während sie ihre Ideen sprudeln ließen, und fragten sie am Ende des Experiments, was sie im Raum wahrnahmen. Das Ergebnis: Die Videopartner sahen sich deutlich länger direkt an und erinnerten sich

wirtschaft + weiterbildung 06_2022 9 Kurz und Knapp Womenpower. „Future of Leadership“ unter diesem Motto findet am 2. Juni 2022 im Rahmen der Hannover Messe der 19. Karrierekongress „Womenpower“ als hybrides Event statt. Es werden über 1.400 Teilnehmende erwartet. Außerdem soll der Award „Engineer Powerwoman“ an eine technikaffine Topmanagerin verliehen werden. Messen. Der Mai 2022 war in Deutschland mit rund 50 Messen ein sehr starker Messemonat. Mehr als die Hälfte der Messen waren international geprägt, etliche davon Leitmessen. Erstmalig findet mehr als die Hälfte der für das zweite Halbjahr geplanten 250 Messen im Sommer statt. Grund dafür ist der Nachholbedarf nach Verboten, Absagen und Verschiebungen von Messen in den vergangenen beiden Jahren. Didacta. Die große Bildungsmesse „Didacta“, mit seit Jahren durchschnittlich rund 100.000 Besuchern und Besucherinnen, findet in diesem Jahr vom 7. bis zum 11. Juni in den Kölner Messehallen statt (www.didacta-koeln. de). Die Messe kümmert sich in diesem Jahr insbesondere um den „dramatischen Fachkräftemangel“ in Deutschland. Auch das noch. Ab Mitte Mai soll beim Softwareriesen SAP in Walldorf freitags auf Konferenzen möglichst verzichtet werden. Ziel ist, den Beschäftigten eine ungestörte Arbeitszeit vor dem Wochenende zu ermöglichen. Der sogenannte „Focus Friday“ soll es ermöglichen, ungestört dringende Aufgaben vor dem Wochenende zu erledigen, um dann am Samstag und Sonntag das Privatleben zu genießen, schrieb Personalchef Cawa Younosi in einer internen Mitteilung. Quantenphysik als Verkaufsmasche im Coaching SCHARLATANE Professor Uwe-P. Kanning, Wirtschaftspsychologe an der Hochschule Osnabrück, warnt vor Coachings, die auf der Basis der Quantenphysik Erfolge bringen sollen. Praktisch läuft das so ab: Der Coach sucht seinen Klienten, ausgestattet mit einem Notebook und einer geheimen Software, direkt am Arbeitsplatz auf. Der Coach schließt eine Sonde an Sieben Stunden sind die perfekte Schlafdauer CAMBRIDGE-FORSCHER Als ideale Schlafdauer für Menschen mittleren und hohen Alters identifizierten Forscher der Universitäten Cambridge und Fuhan rund sieben Stunden, schrieb das Fachblatt „Nature Aging“. Sowohl eine zu kurze als auch eine zu lange Schlafdauer sorgen für verminderte kognitive Leistungen. Wer zu wenig oder zu lange schlief, war bei Tests langsamer und hatte eine geringere Aufmerksamkeitsspanne sowie schlechtere Problemlösungsfähigkeiten. Auch die psychische Gesundheit litt: Menschen mit zu viel oder zu wenig Schlaf zeigten mehr Symptome von Angst und Depression und insgesamt ein geringeres allgemeines Wohlbefinden. Die Forscher vermuten, dass eine Störung des Slow-Wave-Schlafes, eines Teils des Tiefschlafs, ein möglicher Grund für die kognitive Leistungsminderung sein könnte. Schlafstörungen. Es lohnt sich, auf ausreichend Schlaf zu achten. sein Notebook an und misst die quantenphysikalischen Schwingungen im Raum. Anschließend analysiert seine Software gewisse Anomalien. Die sind die Ursache für die Missgeschicke des Klienten. Mit Hilfe einer weiteren Software verändert der Coach dann die Quantenfelder im Unternehmen und siehe da, alles wird gut. Kanning kommentiert: „Dass es Die Wissenschaftler untersuchten die Daten von fast 500.000 Erwachsenen im Alter zwischen 38 und 73 Jahren, die in der britischen „UK Biobank“ zu finden waren. Zwar beschreibt die Studie keine Kausalität, die Ergebnisse deuten aber darauf hin, dass eine unzureichende oder übermäßige Schlafdauer ein Risikofaktor für den kognitiven Abbau im Alter sein könnte. Fest steht, dass die Gründe, warum ältere Menschen schlechter schlafen als jüngere, sehr schwer zu identifizieren sind. Die Forscher tippen auf eine Kombination aus genetischer Veranlagung und der Struktur des Gehirns, die dabei eine nicht unerhebliche Rolle spielt. Allein in Deutschland klagte ein Drittel der Befragten in einer Studie der Techniker Krankenkasse (TK) aus dem Jahr 2017 über Schlafprobleme, jeder Zweite gab an, auf höchstens sechs Stunden Schlaf zu kommen. Quanten gibt, steht außer Frage, auch dass sie unser Verständnis für physikalische Prozesse im subatomaren Raum verändert haben. Physikalische Phänomene, die sich in strengen Laborexperimenten, im Vakuum, beim absoluten Nullpunkt, im subatomaren Raum vorübergehend zeigen, sagen jedoch schlichtweg nichts über das menschliche Verhalten aus.“

aktuell 10 wirtschaft + weiterbildung 06_2022 ZUKUNFT PERSONAL NORD 3.100 HR‘ler beim Neustart AGILE HR CONFERENCE 2022 „Machen ist wie wollen – nur krasser“ Die HR-Messe „Zukunft Personal Nord“ in Hamburg zog Anfang Mai rund 3.100 Besucher und Besucherinnen an und lag damit nur knapp unter den 3.700 Besuchern, die im April zur Schwestermesse „Zukunft Personal Süd“ nach Stuttgart kamen. Die rund 200 Aussteller in Hamburg freuten sich insbesondere über die „hochwertigen und vielversprechenden“ Kontakte und zeigten sich überrascht über die zupackende Art vieler HR‘ler, sich für neue Produkte zu interessieren. Pandemiebedingt stünden die HR-Abteilungen offenbar vor großen Herausforderungen. „Nach schwierigen Jahren haben die HR-Abteilungen aktuell in nahezu allen Bereichen aufzuholen: Employer Branding, Recruiting, Digitalisierung, Transformation, Nachhaltigkeit und insbesondere betriebliches Gesundheitsmanagement“, betonte Sandra Reis, Event Director vom Veranstalter Spring Messe Management. Viele Besucher wurden dadurch angezogen, dass die Messe (zur Hafenstadt Hamburg passend) Logistikthemen aufgriff. So berichtete Tim Oelkers von der HHLA Hamburger Hafen und Logistik AG, wie HRVerantwortliche eine menschenzentrierte und menschenorientierte Transformation gestalten können. Die nächste HR-Messe von Spring ist die „Zukunft Personal Europe“ (13. bis zum 15. September in Köln). Personal Nord. Die relativ kleine Messehalle sorgte für dichtes Gedränge. Boxer Henry Maske unterhielt als Keynote Speaker mit Positiver-Denken-Sprüchen. Agile HR Conference. Seit 11 Jahren Treffpunkt von Transformationsprofis. Zum ersten Mal seit zwei Jahren Pandemie fand vom 27. bis 28. April 2022 die „Agile HR Conference“ wieder vor Ort in Köln mit 200 „echten“ Teilnehmenden statt. Auch 250 Onlineteilnehmende folgten dem Programm. Die agilen Vordenker beschäftigten sich mit Führungskonzepten in der Transformation. „Anstiftung zur Führung“ lautete dieses Jahr das Motto, Anstiftung zu einer Führung, die auf die anstehende Transformation reagiert. Wer Ernst machen will damit, Führung anders zu denken, der muss „loslassen und in den Dialog treten“. Und er müsse vor allem loslegen, meinte André Häusling, der Veranstalter. „Machen ist wie wollen – nur krasser“, ist eine der Botschaften, die Häusling in seiner Keynote hervorhob. Unter den Fotos: Pichler Teilnehmenden waren fast ein Drittel HR-Verantwortliche, 19 Prozent Personal- und Organisationsentwickelnde und 15 Prozent Führungskräftebaus der Linie. In den Diskussionen zeigte sich, dass „agil handeln“ in erster Linie „Feedbackschleifen drehen“ heißen sollte. Feedback sei wichtig für die Transferenz erweiterte den Raum: Nach jedem Vortrag gab es Menti-Abfragen, um die Meinung der Teilnehmenden einzuholen. Auch zum Abschluss wurden alle gefragt: „Was nimmst du mit?“. Die Antworten waren breit gefächert und reichten von „tolle neue Kontakte“ über „hohe Motivation“ bis hin zu „neue Denkansätze“. formation, die mutige Experimente, aber auch Evaluation braucht. Das Prinzip Feedback spielte nicht nur in Vorträgen eine Rolle. Auch die Konferenz selbst lebte davon. Feedbackbögen gehören heutzutage zu jeder Veranstaltung, doch die Auswertung blieb meist dem Veranstalter vorbehalten. Die Agile KonFoto: hr-pionerrs.com

„REMOTE LEADERSHIP“ ENTSCHEIDEN IM ERNSTFALL Wenn es darum geht, Teams erfolgreich aus der Ferne zu führen, könnten Führungskräfte viel von Jesus lernen. Davon ist die Schweizer Diplom-Psychologin und Unternehmensberaterin Birgit Troschel überzeugt. Sie ist die Präsidentin der Internationalen Vereinigung Christlicher Geschäftsleute und Führungskräfte (IVCG) und hält Jesus für den ersten „Remote Leader“. Jesus sei es gelungen, Kommunikation, Koordination und Kontrolle vorbildlich auszubalancieren. Er habe absolutes Vertrauen in seine Jünger gehabt, dass sie in der Lage sein werden, seine Botschaft weiterzugeben. Er habe vertraut und bewusst mögliche Fehler in Kauf genommen. Jesus sei kein „Mikromanager“ gewesen, der alles im Detail kontrollieren wollte, betonte Troschel und forderte: „Vertrauen Sie Ihren Mitarbeitenden und leben Sie eine barmherzige Fehlerkultur.“ Die Beraterin ist grundsätzlich vom „Remote Leadership“ überzeugt: Sie sei ein Beitrag zu einer gesteigerten Motivation und zu mehr Leistungsbereitschaft sowie zu einer erhöhten Zufriedenheit und Produktivität der Belegschaft, weil diese mehr Eigenverantwortung übernehmen und gezielter eingesetzt werden könnten. Das „Managermagazin“ (5/2022) hat die Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg-Blankenese besucht und vom Kommandeur der Akademie, Oliver Kohl, erfahren: „Die größte Gefahr für die Truppe sind militärische Führer, die keine Entscheidungen treffen.“ Mut zu entscheiden, gelte als Essenz dessen, was einen Offizier ausmache. Aber selbst Offiziere müssen zuerst Was Führungskräfte von Jesus lernen können Was Führungskräfte von künftigen Generälen lernen können intensiv diskutieren, bevor sie eine Lage einschätzen. Didaktisch hat die Bundeswehrakademie das zu bieten, was sich auch sonst in der Erwachsenenbildung bewährt hat: Kompetenzentwicklung statt Wissensvermittlung, der Lehrer als Mentor, Projektlernen mit mehreren Perspektivenwechseln für jedes Projektmitglied, lösungsorientiertes Denken. Geschult wird laut „Managermagazin“ insbesondere die Reduktion von Komplexität, das Denken in Strukturen, das Abwägen von Risiken und das Handeln unter Ungewissheit. Dass das Entscheidungs-Knowhow der Bundeswehr gefragt ist, erkennt man laut „Managermagazin“ daran, dass derzeit jede Unternehmensberatung versuche, hochrangige Militärs mit ihren Klienten zu Hintergrundgesprächen zusammenzubringen.

aktuell 12 wirtschaft + weiterbildung 06_2022 Teams arbeiten effizienter als Einzelpersonen, so lautet ein weitverbreitetes Credo. Doch das ist nicht immer der Fall. Oft schöpfen Teams ihr Potenzial nicht aus. Diese Gefahr ist bei virtuellen Teams besonders groß. Cyril Northcote Parkinson, ein englischer Soziologe, untersuchte im Jahr 1957 die Entwicklung des Britischen Marineministeriums, das ursprünglich das gesamte britische Empire verwaltete. Nach dessen Zerfall reduzierte sich die Mitarbeiterzahl des Ministeriums nicht. Im Gegenteil: Sie erhöhte sich zur Überraschung vieler Zeitgenossen. Daraus schloss Parkinson: Die Mitarbeiterzahl von Unternehmen korreliert nur bedingt mit dem Arbeitsvolumen. Organisationen neigen dazu, sich selbst zu beschäftigen. Parkinson ermittelte hierfür unter anderem folgende Ursachen: 1. Wie viel Zeit jemand für eine Aufgabe braucht, hängt auch von der zur Verfügung stehenden Zeit ab. Sie wird schlicht verbraucht. 2. Menschen investieren ihre Zeit primär in Tätigkeiten, die wahrgenommen sowie belohnt oder sanktioniert werden – und nicht in diejenigen, die nötig wären. 3. Macht, Prestige und Anerkennung sind in vielen Unternehmen an die Mitarbeiterzahl gekoppelt. Deshalb streben Führungskräfte eine höhere Anzahl an Mitarbeitern an. 4. Der Führungsnachwuchs schafft neue künstliche Bedarfe an Mitarbeitern und Führungspositionen, um sich bessere Karrierechancen zu eröffnen. Treffen diese Befunde zu, dann sollte man gegen diese „natürlichen“ Effekte ankämpfen. Hierfür gibt es folgende Handlungsempfehlungen: • Stellen Sie (auch bei einer virtuellen Zusammenarbeit) sicher, dass Ihre Mitarbeiter spüren: Mein Engagement wird registriert und meine Leistung lohnt sich – für mich. • Schaffen Sie eine Erfolgsgemeinschaft. Jedes Mitglied der Gruppe sollte das Gefühl haben „im selben Boot“ zu sitzen. Sprich: Wenn unsere Leistung top ist, profitiere auch ich davon. Ebenso verhält es sich im umgekehrten Fall. • Rütteln Sie Ihre Mitarbeiter regelmäßig auf. Sonst verfallen sie in lähmende Routinen. Starten Sie immer wieder neue Projekte und Initiativen, die Ihre Mitarbeiter motivieren, sich besonders anzustrengen. • Koppeln Sie die Vergütung, die Karrieren und das Prestige in Ihrer Organisation nicht an der Zahl der Mitarbeiter. Fördern Sie Projekt- und Expertenlaufbahnen. • Fragen Sie sich als Führungskraft: Sende ich – auch online – an die Mitarbeiter die richtigen Signale, was (mir) wichtig ist? Wer zum Beispiel top-gestaltete PowerpPointPräsentationen honoriert, „züchtet“ Mitarbeiter, die vor Meetings tagelang Folien „basteln“. • Führen Sie regelmäßig Prozessanalysen durch. Jede Organisation neigt dazu, „Speck“ anzusetzen. Deshalb sind alle zwei, drei Jahre „Diätkuren“ nötig. • Reduzieren Sie für bestimmte Aufgaben „scheinbar willkürlich“ die Ressourcen. Nötigen Sie Ihre Mitarbeiter und Teams, sich so zu organisieren, dass sie mit weniger Ressourcen auskommen. Oft werden so effizienzsteigernde Ideen geboren. Und wenn Ihre Kürzungen sich als übertrieben erweisen? Dann können Sie ja wieder Ressourcen freigeben. Gastkommentar Ruhekissen „virtuelles Team“ Dr. Georg Kraus Prof. Dr. Georg Kraus ist geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal (www.kraus-und-partner.de). Er ist Lehrbeauftragter an der Universität Karlsruhe, der IAE in Aix-en-Provence, der St. Galler Business School und der technischen Universität Clausthal. Jede Organisation neigt dazu, Speck anzusetzen. Diätkuren sind wichtig. „ „

menschen 14 wirtschaft + weiterbildung 06_2022 WANDEL. Reza Razavi, langjähriger Inhouse Consultant bei BMW, fasst seine Erfahrungen in Sachen Organisationsentwicklung so zusammen: „Change optimiert, Transformation schafft Neues!“ Aus innerer Überzeugung plädiert er für echte Transformationen und erklärt sie am Beispiel von Raupe und Schmetterling. Wenn Reza Razavi über das Thema „Transformation“ spricht, spielte immer auch seine persönliche Geschichte eine Rolle. Als Sohn eines Arztes im Iran geboren, kam er im Alter von 14 Jahren mit seiner älteren Schwester (aber ohne Eltern) nach Deutschland. Nach einer einjährigen Sprachschule konnte er am deutschen Schulunterricht teilnehmen und machte mit 19 Jahren sein Abitur. Bereits während seines Studiums der Mathematik und Philosophie eröffnete er in Hannover ein Restaurant, das sich schon bald zu einem Szenelokal entwickelte. Nebenbei studierte er auch noch Betriebswirtschaft sowie Daten- und Informationsmanagement. Seine proaktive, kreative und innovative Denkweise machte Eindruck Nach elf erfolgreichen Jahren als Unternehmer wechselte Razavi als Berater zum Managementzentrum St. Gallen und ging anschließend als Inhouse Consultant zur BMW-Group nach München. Dabei setzte er sich nach Kräften für den kulturellen Wandel im Konzern ein und propagierte eine proaktive, kreative und innovative Denkweise bei den Mitarbeitenden. Sein Einsatz machte Eindruck und mit den Worten: „Ihr Leben ist Transformation. Wer könnte die Aufgabe besser übernehmen als Sie“, beförderte ihn sein Bereichsleiter im Jahr 2016 zum „Senior Expert Culture and Transformation Management“. In der Folge wurde Razavi zum Mitbegründer und Impulsgeber des „Connected Culture Club“ (CCC), einer bottom-up sowie Herausforderung Transformation bereichsübergreifenden Bewegung für die kulturelle Transformation von BMW. Heute ist er selbstständiger Berater und Kongressredner zum Thema „Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft“. Er will tiefgreifenden Wandel sinnlich begreifbar machen und beschreibt dazu gerne die Entwicklung einer Raupe zum Schmetterling. Vom Ei zur Raupe zur Puppe und schließlich zum Schmetterling Sobald sich die Raupe in ihren Kokon einspinnt, beginnt die Metamorphose. Angeregt durch spezielle Enzyme, löst sich die bisherige Zellstruktur der Raupe auf. Die Raupe verdaut sich selbst und beginnt mit dem teilweisen Abbau ihrer Zellen. Dabei wird ihr Gewebe zerkleinert und in eine Art Proteinsuppe umgewandelt, aus der sich neue Zellen („Imagozellen“) bilden. Diese Zellen sind insofern „imaginativ“, weil sie noch keine Schmetterlingszellen sind, sondern lediglich die „Vision des künftigen Schmetterlings“ in sich tragen. Dem Immunsystem der Raupe gelingt es, diese erste Generation von Imagozellen zu eliminieren. Aber diese geben nicht auf und bleiben hartnäckig. In diesem Prozess gibt es einen Zeitpunkt, ab dem jede bekämpfte Zelle durch Tausende neuer Zellen ersetzt wird. Die neuen Zellen sind lernfähig und sie kommunizieren miteinander. Sie verbinden sich und bilden mit der Zeit Cluster, die untereinander einen intensiven Informationsaustausch betreiben. Reza Razavi. Der Organisationsentwickler erklärt die Gesetzmäßigkeiten echten Wandels in seinem aktuellen Buch „Die Magie der Transformation“.

wirtschaft + weiterbildung 06_2022 15 Nach einiger Zeit ist das Immunsystem der Raupe überwältigt und kann die andersartigen Zellen nicht mehr schnell genug zerstören. In ihrer Metamorphose wird die Raupe systematisch auseinandergenommen und neu zusammengesetzt bis zur endgültigen Verwandlung. Dabei findet ein fast vollständiger körperlicher Umbau statt: Es gibt kein Körperteil, das der Schmetterling von seiner Raupe übernommen hätte. Das Problem der Raupe ist, dass sie geschlechtslos ist und sich aus sich selbst heraus nicht vermehren kann. „Die Metamorphose ist ihre Rettung und gleichzeitig ihr Untergang.“ Schönheit ist nicht der Sinn der Metamorphose, sondern das Überleben So faszinierend der Verwandlungsprozess des Schmetterlings ist, so wesentlich ist auch der eigentliche Sinn und Zweck der Metamorphose, denn die Raupe geht nicht unter, damit ein schöner Schmetterling entsteht. Razavi: „Ohne die Verwandlung kann es kein zukünftiges Leben geben. Es geht darum zu verstehen, dass erst die Weiterentwicklung für das Überleben sorgt. Und das gilt für die Transformation von Organisationen ebenso.“ Der Prozess der Metamorphose gibt laut Razavi wertvolle Hinweise darauf, was und wie man etwas tun muss, um Transformation in einem Unternehmen zu gestalten. Vielen Unternehmen dämmert es mittlerweile, dass sich in der heutigen Welt etwas ändern muss. Doch ihr Wandel entpuppt sich bei näherem Hinsehen als eher unbeholfen und oberflächlich. Sie konzentrieren sich auf die Mechanik des Wandels im Sinne des Ursache-Wirkungs-Prinzips oder sie versuchen, durch die radikale Überstülpung von Methoden aus den letzten Change Management Trends ihre Organisation zu verändern. Was sie dabei oftmals übersehen, ist die tiefere Bedeutung der Transformation. Um im Bild der Metamorphose zu bleiben: Es ist keine gute Idee, der Raupe lediglich bunte Schmetterlingsflügel anzuheften, denn diese Flügelattrappen sind weder ein neu entstandener Körperteil des Organismus, noch sind sie funktional. Die Raupe kann mit solchen nachgebildeten Aufsätzen nichts anfangen, sie werden ihr sogar hinderlich sein. Und niemals wird auf diese Weise aus der Raupe ein Schmetterling werden. So kann die Transformation in Organisationen funktionieren Ähnlich funktionieren nach den Worten von Razavi viele Changeprojekte in den Unternehmen, die aufgesetzt werden, um neuen Herausforderungen zu begegnen: Der Wandel geschieht nicht von innen heraus, sondern ist eher kosmetischer Natur. Damit neu implementierte Strukturen funktionieren, müssen die Akteure – so die Top-down-Vorgabe– ihr Verhalten ändern. Im Unterschied dazu ist Transformation keine Vorgabe, sondern das Ergebnis eines Prozesses, und zwar anhaltender, unternehmensweiter Motivation und des Engagements für ein gemeinsames Ziel. Buchtipp. Reza Razavi: Die Magie der Transformation, Haufe-Lexware Verlag, Freiburg im Breisgau 2022, 224 Seiten, 29,95 Euro R

menschen 16 wirtschaft + weiterbildung 06_2022 Das Buch vertritt die These, dass wir aus der Metamorphose des Schmetterlings viel lernen können und es nützlich ist, das Erlernte auf Unternehmen, Gesellschaft und Organisationen zu übertragen. Auch hier beginnt eine Transformation mit dem Auftauchen imaginierender Individuen, die als Spinner oder Außenseiter wahrgenommen werden, weil sie das Bestehende angreifen. Sie sind in der Regel mit einem gemeinsamen Anliegen verbunden, auch wenn dieses zu Beginn noch vage ist. Das Immunsystem der alten Gesellschaft versucht, diese Visionäre loszuwerden. Mit der Zeit bilden sich Cluster von Gleichgesinnten, die sich untereinander austauschen und Gemeinschaften bilden. Bald können die neuen Visionen aufblühen und machen sich schließlich in der gesamten Organisation bemerkbar. Razavi betont: „Der Schlüssel für eine erfolgreiche Mobilisierung im Unternehmen liegt darin, eine Bewegung an der Basis zu schaffen, die vom mittleren Management und prominenten Unterstützern mitgetragen wird. Die Basis muss lernen, dass es sich lohnt, über den täglichen Egoismus hinauszugehen, um Teil einer größeren Dynamik zu werden.“ Das Neue erreicht schließlich die Herzen und wird ansteckend und inspirierend. Die Transformation ist somit ein Akt der Bewusstseinsentwicklung. Man braucht eine Veränderung in der Mentalität und Identität, um eine Welt schaffen zu können, die sich deutlich von der bestehenden Welt unterscheidet. Eine entstehende mentale Energie treibt den Transformationsvorgang an, lockert den psychischen Boden des Unternehmens auf und reichert ihn mit Nährstoffen an. Es entsteht ein kulturelles Umfeld, in dem die neue Vision aufblühen kann. Eine Transformation ist noch lange kein durchgeplantes Projekt, sondern eine von zunehmender Gewissheit geleitete Reise, deren Ziel zunächst vage bleibt. Grundlegende Abgrenzung zum „Change“ Mit diesem Verständnis von Transformation zum wird zugleich der Unterschied zum Begriff „Change“ deutlich, der einen Wandel, eine Veränderung innerhalb eines bestehenden Paradigmas beschreibt. Ein Change liegt also dann vor, wenn kein Paradigmenwechsel stattfindet. Die grundsätzlichen Weltsichten, Logiken und inneren Bilder eines Systems bleiben unverändert. Change bedeutet, dass die bisherigen VorGrenzerfahrungen suchen, um Neues zu lernen „Wie der Historiker Rutger Bregman habe ich den Glauben an die Menschheit nicht verloren. Er hat in seinem Buch „Im Grunde gut“ (Rowohlt 2020) für ein positives Menschenbild appelliert. Ich stimme ihm zu, auch wenn mir bewusst ist, dass es Menschen gibt, die diesem Menschenbild nicht entsprechen. Damit kann ich leben. Mein Menschenbild ist Menschenbild. Reza Razavi, Wedemark, Experte für Unternehmenskultur, Change und Transformation, Leadership und Kooperation hat auf seiner Homepage (www.reza-razavi.de) sich zu seinem Menschenbild Gedanken gemacht. Reza Razavi (stehend). Der Berater erklärt auf einer Tagung des „Club 55“ die Elemente einer Transformation. positiv, optimistisch und unvoreingenommen. Ich glaube, dass Menschen rational und emotional handeln und dass ihre Bedürfnisse, ihre Impulse und ihre Handlungen logische Konsequenzen ihrer Geschichte und ihrer Erfahrungen sind. Ich glaube, dass Menschen gesehen, wahrgenommen und gebraucht werden wollen. Ich bin überzeugt davon, dass Menschen Grenzerfahrungen suchen, um sich zu entwickeln. Fehler, Defizite, Krisen, Scheitern, Erfolg und Misserfolg sind Teil solcher wichtigen Grenzerfahrungen. Ich glaube, dass es besser ist, unserem Umfeld wertschätzend, freundlich, großzügig und verantwortungsbewusst zu begegnen als mit einer negativen Haltung. Je nach Kontext und Umfeld kann sich der Mensch anders verhalten. Wenn Menschen in einem sehr kompetitiven, leistungsorientierten Kontext sind, dann werden andere Motive wie Macht oder Leistungsmotivation aktiviert werden und dann ein anderes Verhalten zeigen. Je nach Kontext kann das eine Motiv mehr aktiviert werden als das andere. Das heißt, in einem nicht kompetitiven Verhältnis ohne Wettbewerbsdruck kann sich Mitgefühl und Altruismus leichter entfalten. Daran müssen wir arbeiten.“ Reza Razavi R

wirtschaft + weiterbildung 06_2022 17 gehensweisen, Prozesse und Strukturen nicht grundsätzlich infrage gestellt werden. Man spielt dasselbe Spiel, nur mit verbesserten Spielregeln. Changemanagement bedeutet, das Bestehende weiterzuentwickeln und die Handlungen der beteiligten Akteure darauf abzustimmen. In einem Changemanagement-Prozess ist die Systemlogik der Vergangenheit der grundlegende Bezugspunkt für den Wandel. In diesem Sinne impliziert Change, dass sich manches ändert, während vieles gleich bleibt. Change wird stets wie ein Projekt gehandhabt, das einen definierten Anfangs- und Endpunkt hat, und somit zeitlich begrenzt ist. Das Ziel ist bekannt und wird im Rahmen der Umsetzung höchstens feinjustiert. „Change“ bedeutet eine Veränderung mit einem klaren Ziel, das alle Beteiligten immer deutlich vor Augen haben. Organisationen und Gesellschaften sind in der Regel träge Systeme. Wandel entsteht in ihnen nicht auf Knopfdruck. Neues löst Altes nicht direkt ab. Es gibt kein Stufenmodell mit klaren Grenzen. Aus einer Raupe wird nicht im nächsten Schritt ein Schmetterling. Stattdessen beginnt die Phase des Puppenstadiums, sogenannte Übergangsphasen werden durchlaufen. Es beginnt eine Zwischenphase, in der sich vieles ändert und in Bewegung ist – eine Phase voller Widersprüche und paralleler Prozesse. Einerseits durchlaufen alte Strukturen einen graduellen Auflösungsprozess, andererseits entwickelt sich langsam etwas Neues und Anderes. Beim Change wird die Funktionslogik der Vergangenheit nicht angetastet Jeder Paradigmenwechsel durchschreitet schwierige Phasen: Es herrschen Verwirrung, Ratlosigkeit, Überforderung, Angst, Werteverfall, Auflösung von traditionellen Ordnungsprinzipien. Gleichzeitig fehlt den Verantwortlichen das Vertrauen. Sie haben Angst, zu versagen oder zu viel oder zu wenig zu wagen. Ihre erste Reaktion in dieser Situation: Sie bewerten das Neue kritisch, stellen es infrage. Wozu braucht es einen Schmetterling, wenn die Raupe bislang hervorragend funktioniert hat? Never change a running system! „Als ich die Entwicklung der Raupe zum Schmetterling verstanden hatte, wurde mir schlagartig klar, warum viele Veränderungskonzepte nicht nachhaltig umgesetzt werden“, schreibt Razavi. „Traditionell werden Transformationen hierarchisch von oben aufgesetzt und vorgegeben. Doch Transformation ist ein Prozess des Entdeckens und Experimentierens, der nicht linear läuft, sondern ein suchender, iterativer, zyklischer Kreationsprozess mit offenem Ausgang, der alle Beteiligten auf intensive Weise herausfordert.“ Die Renaissance gilt als ein wichtiges Musterbeispiel für Transformation Als Vorbild für eine gelungene Transformation stellt Razavi die Renaissance heraus. Sie bezeichnet eine bestimmte europäische Kulturepoche – nämlich den Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. Bahnbrechende neue Perspektiven ergaben sich gegenüber dem Mittelalter insbesondere für das Menschenbild, für die Literatur, die Bildhauerei, die Malerei und die Architektur. Damals hat sich wie heute ein fundamentaler Wandel im Denken und Handeln vollzogen. Die Parallelen sind unübersehbar, sagt der Renaissancekenner und Da-Vinci-Experte Jens Möller, den Razavi mit folgenden Worten zitiert: „Wie die Menschen damals haben auch wir mit den disruptiven Kräften des wissenschaftlich-technischen Fortschritts zu kämpfen, die fortlaufend Neues entstehen, aber auch Altes verschwinden lassen. So sind die Veränderungen, die zu Leonardos Zeiten durch Innovationen wie die Druckerpressen, die Räderuhren und eine Vielzahl von mechanischen Maschinen ausgelöst wurden, durchaus mit den Innovationen vergleichbar, die wir heute durch Big Data, Digitalisierung und Automatisierung erleben.“ Wir können laut Razavi von der Renaissance und ihren großen Denkern lernen, dass Wandel nicht den Weltuntergang bedeutet, dass wir aber ein neues Mindset brauchen – eine neue Denkweise, die es uns ermöglicht, die zentrale Bedeutung von Kreativität und Innovation zu verstehen und unsere komplexe Welt proaktiv mitzugestalten. Martin Pichler „Geburt“ eines Monarchfalters. Wie kommt es, dass aus einer Raupe ein Schmetterling wird, wo doch beide die gleichen genetischen Informationen besitzen? Es liegt an den Proteinen, die neu gebildet werden und die die Zellen verändern. Foto: blackdiamond67 / Adobe Stock

LERNEN MAL ANDERS. Die Programmierschule 42 hat ihr ganz eigenes Lernuniversum. Es geht um Talent im Coden, ein Schulabschluss ist nicht nötig. Es geht um Selbstorganisation und Teamlernen, Lehrkräfte gibt es nicht. Das Studium ist wie ein Spiel angelegt, aber die Projekte haben es in sich. Die Lerngalaxie der Schule 42 Foto: Anna Efetova / gettyimages titelthema PROGRAMMIEREN LERNEN ... ... in der Schule 42: 18 wirtschaft + weiterbildung 06_2022

01. Ohne Zugangsvoraussetzung – alle Interessierten ab 18 Jahren können sich bewerben. 02. Piscine – die vierwöchige Auswahlzeit der 42 ist harte Arbeit. 03. Peer Review statt Lehrkräfte – die Studierenden bewerten sich gegenseitig. wirtschaft + weiterbildung 06_2022 19 R

titelthema 20 wirtschaft + weiterbildung 06_2022 Der IT-Fachkräftemarkt ist leergefegt – das ist schon lange bekannt. Gleichzeitig benötigen die Unternehmen noch dringender Programmierer und Programmiererinnen. Schließlich sorgt die Digitalisierung für eine Transformation der Produkte und Dienstleistungen, der Arbeitswelt an sich und der Geschäftsmodelle. Einige Weiterbildungsanbieter setzen daher auf Kurzzeitprogramme, die Quereinsteigenden die Grundlagen der Programmierung vermitteln sollen. Nach ein paar Monaten Vollzeittraining sollen Kodierprofis für die Unternehmen ausgebildet sein. Vermittelt wird also IT-Wissen und Programmierfähigkeiten – erstmal ausreichend für den Arbeitsmarkt. Doch Soft Skills, die zum Beispiel die künftig stark gefragte Lernfähigkeit, die Teamfähigkeit und die Anpassungsfähigkeit umfassen, bleiben dabei unberücksichtigt. Einen neuen Weg, um die begehrten Programmierer und Progammiererinnen auszubilden, geht die „Schule 42“. Wer sie durchläuft, geht nicht als Klischeenerd auf den Arbeitsmarkt, sondern ist ein hoch motivierter Programmierprofi, der oder die weiß, wie er oder sie im Team ans Ziel kommt. Das pädagogische Konzept wird als Revolution im Bildungsmarkt gefeiert. Es motiviert die Schüler und Schülerinnen, begeistert Lernexperten und Lernexpertinnen und bekommt viel Unterstützung von der Unternehmen. Die ersten Schritte zur 42 Ihren Ursprung hat die Schule 42 in Frankreich. Die erste „Ecole 42“ entstand 2013 in Paris, gegründet vom französischen Unternehmer Xavier Niel und Partnern. Inzwischen gibt es Standorte auf der ganzen Welt. In Deutschland haben 2021 mit 42 Wolfsburg und 42 Heilbronn die ersten Schulen geöffnet, mit der 42 Berlin startet in diesem Jahr ein weiterer Standort den Betrieb. Die Schulen verstehen sich als Schwesternschulen und stehen in engem Austausch. Insgesamt gibt es Campuszentren in 25 Ländern, mit mehr als 15.000 Studierenden. Für die 42 braucht es keinen Schulabschluss. Daher sind die Studierendenkohorten bunt gemischt. Manche haben schon eine Karriere hinter sich, manche arbeiten schon länger im IT-Bereich, manche sind völlig neu und bringen keine Vorkenntnisse im Programmieren mit. Einzige Voraussetzung: das Mindestalter von 18 Jahren. Das Altersspektrum ist breiter als an klassischen Universitäten, nämlich zwischen 18 und 58. Wer sich für die 42 interessiert, muss sich auf der Webseite registrieren. Im Anschluss durchlaufen die Bewerbenden zwei Onlinespiele. Das eine Spiel testet die Merkfähigkeit. Die Bewerbenden treffen auf ein Rasterquadrat, das aktiviert und deaktiviert wird. Ihre Aufgabe ist es, das mit steigender Schwierigkeit zu reproduzieren. Das andere Spiel zielt auf das logische Programmierdenken, indem sich die Teilnehmenden mittels einer Kombination grafischer Befehle, die eine Funktion ergeben, den Weg vom Start zum Ziel bahnen müssen. Bis zum Mindestlevel müssen die Bewerbenden gelangen, daraufhin können sie sich zu einer Introduction-Runde anmelden, um Fragen zu stellen und den Staff kennenzulernen. Auswahlstation „Piscine“ – Bootcamp für Codingfans Und dann folgt sie, die letzte Auswahlstation, die fast legendäre „Piscine“ – französisch für Schwimmbad. „Die Idee ist, dass jede*r das Schwimmen lernt, indem er/sie sofort ins kalte Wasser geworfen wird“, heißt es auf der Homepage der 42 Heilbronn. Die Bewerbenden sollen eintauchen in die Programmierwelt. Mit Entspannung hat das aber nichts zu tun. Die Piscine vor Ort besteht aus einem vollen Programm, sieben Tage die Woche, das es vier Wochen lang zu bestehen gilt. Das ist anstrengend. Pro Studierendenkohorte finden zwei bis drei Piscines à 150 Bewerbenden, also mit bis zu 450 Bewerbenden, statt. Manche brechen im Laufe der Piscine ab, aus der Summe derer, die durchkommen, werden 150 ausgewählt. Die Piscine hat zwei Ziele: Das eine ist Networking, die Teilnehmenden sollen sich kennenlernen. Zum anderen geht es um Inhaltliches: Die Bewerbenden erhalten Einführungssessions, lernen die Tools und die Lernplattform, das sogenannte „Intra“, kennen und arbeiten dort an Projekten. Für jedes der Projekte gibt es ein Briefing im PDF-Format. Es geht darum, einfache Kommandozeilen in der Programmiersprache C zu erlernen – zum Beispiel printf –, nicht darum, ein lauffähiges Programm zu entwickeln. Die Teilnehmenden sollen sich also zu Beginn die Programmierlogik erschließen. Jeden Freitag wird in Examina getestet, wie viel die Bewerbenden schon gelernt haben. Sie müssen ohne Hilfsmittel Programmierzeilen entwickeln. Die Bewertung erfolgt automatisiert, beim kleinsten Fehler schon wird der Code nicht validiert. Am Wochenende müssen sie gemeinsam Gruppenprojekte, sogenannte „Rushes“, bewältigen. „Natürlich gibt es Leute, die Programmiererfahrung mitbringen, die haben in den ersten Tagen einen Vorteil. Das egaR 04. Gamification – das gesamte Lernprogramm ist als Spiel angelegt. 05. Teamfähigkeit – nur kodieren reicht nicht, auch Soft Skills sind entscheidend. 06. Das schwarze Loch – wer das nächste Level nicht rechtzeitig erreicht, muss aufhören.

wirtschaft + weiterbildung 06_2022 21 lisiert sich aber auch wieder. Die ohne Erfahrung holen da auf“, erklärt Janett Kalina, Operations Lead bei 42 Wolfsburg. Zudem hängt die Zulassung nicht nur vom Fortschritt in den Projekten ab. Wichtig ist auch, dass die Teilnehmenden gut zusammenarbeiten. Sie bewerten ihre Projektergebnisse nämlich gegenseitig. „Wer so gar nicht mit anderen kann, schafft es wahrscheinlich nicht. Zusammenarbeit ist eine systemische Voraussetzung“, so Kalina. „Wenn jemand zwar weit in den Projekten kommt, aber wenig Punkte im Sozialen hat, dann kann das den Unterschied machen. Wir schauen auf alles.“ Punkte gibt es für Evaluationen, die man gibt oder bekommt. Auch wird geschaut, an wie vielen Events die Bewerbenden teilnehmen, wie aktiv sie sind – vor Ort oder online. Dazu kommt, dass die Studierenden gegenseitig Punkte für soziale Interaktionen verteilen. Wöchentlich fragt die 42 ab, wer den anderen die größte Hilfe war. Wer am Ende der Piscine ausgewählt wird, erhält ein „Golden Ticket“ und darf das Studium starten, wann er oder sie es möchte. Peer Review ist Hauptprinzip Die „Peer Review“, die schon Teil der Piscine ist, bildet das zentrale Prinzip der Schule 42 überhaupt. Denn es gibt keine Lehrkräfte, die die Leistung der Studierenden bewerten und korrigieren. Die Studierenden sind ihr gegenseitiges Korrektiv. In so einer Peer Review präsentieren die Studierenden ihren Kommilitoninnen und Kommilitonen ihren Code und erläutern Projekt freigeschaltet. Die Studierenden erhalten also Zugriff auf mehr Ringe im Universum. Für anfängliche Projekte gibt es neben der Peer Review auch eine automatische Evaluierung, die sogenannte „Moulinette“. Sie sei sehr kleinlich, meint Kalina, so sollen die Studierenden von Beginn an lernen, den Code sauber zu schreiben. Viele der Studierenden sind ohnehin Digital Natives und mit Videospielen groß geworden. „Wir wollen spielerisch motivieren. Es ist einfacher, die Studierenden bei der Stange zu halten, wenn es Spaß macht“, begründet Kalina den Gamification-Ansatz. „Das heißt aber nicht, dass man das Studium spielerisch durchlaufen kann. Die Projekte haben es in sich.“ Die Schule stellt den Studierenden das nötige Inventar zur Verfügung. Sie dürfen die vielen I-Macs der Schulen nutzen, die Anmeldedaten für das Intra erhalten sie bei der Piscine. Ein TechTeam kümmert sich um die Software. Auch Meetingräume und Eventspaces bieten die Schulen. Die Studierenden dürfen zudem per Schulgremium aktiv bei der Gestaltung der Schule mitwirken. Was auch Spaß macht: das Fab-Lab der 42 Wolfsburg. Dort können die Studierenden ihn Zeile für Zeile. Auch hier gilt, dass die Studierenden voneinander profitieren, auch bei unterschiedlichen Wissensständen. Wer noch nicht so weit ist, lernt Inhalte und Lösungsschritte von anderen. Wer weiter ist, lernt, so zu vermitteln, dass andere es nachvollziehen können, eine ebenso wichtige Kompetenz. Auch sonst sollen die Studierenden sich gegenseitig unterstützen. Die Gruppe steuert sich selbst durch das Studium und die neuen Inhalte. Das übernimmt auch hier keine Lehrkraft. Es gibt zwar ein pädagogisches Team, das die Rahmenbedingungen absteckt. „Was aber nicht passiert, ist, dass sich jemand mit den Studierenden hinsetzt und den Code entwickelt“, macht Kalina klar. Es gehe eher darum, die Studierenden für neue Lösungsansätze anzustupsen und an Peers zu verweisen, die im Programm schon fortgeschrittener sind. Die Studierenden können auch im Intra sehen, wer in welchem Projekt ist und sich zusammentun. Gamification in Lernuniversum Der Ansatz der Schule 42 verzichtet nicht nur auf Lehrbücher und -kräfte, sondern auch auf Langeweile, so titelt die 42 Heilbronn. Die 42 Schulen setzen nämlich auf den Gamification-Ansatz. Das Studienprogramm ist im Intra der Schulen wie ein Videospiel angelegt. Im Intra-Überblick finden die Studierenden eine Grafik, die einem Sonnensystem ähnelt. Entsprechend stehen die Planeten für verschiedene Projekte. Pro Projekt finden die Studierenden analog zur Piscine ein Briefing. Mit jedem Fortschritt wird ein weiteres R Ausstattung. Die Studierenden der 42 Wolfsburg dürfen die vielen I-Macs nutzen, um all die Projekte im Intra zu absolvieren. Fotos: 42 Wolfsburg

titelthema 22 wirtschaft + weiterbildung 06_2022 alles Mögliche ausprobieren: von Löten bis 3D-Drucken. Manche Studierende stellen Dinge her, die die Schule braucht, aber es dürfen auch Projekte sein, mit denen die Programmierfans testen, was technisch möglich ist. Etwa Roboterautos, die autonom fahren. Das Fab-Lab der 42 Wolfsburg steht in Kooperation mit dem Coworking Space Schiller 40, auch externe Mitglieder dürfen es nutzen. Von der Fußgängerzone aus können die Menschen beobachten, was im Fab-Lab hergestellt wird. „Softwareentwicklung sieht man von außen nicht, aber beim Fab-Lab kann man Dinge sehen“, schmunzelt die Operations Lead der 42 Wolfsburg. Unternehmen als Förderer Für die Studierenden ist das Studium gebührenfrei. Als eingetragener Verein sind die Schulen 42 daher auf Spenden und Sponsoring angewiesen. Darum hat die 42 diverse Partnerunternehmen, die die Kosten übernehmen. Gründungspartner der 42 Wolfsburg ist VW, bei 42 Heilbronn ist es die Dieter Schwarz Stiftung, in Berlin VW, Bayer, SAP, Microsoft, T-Systems, Cariad und Capgemini. Die finanzielle Unterstützung der Unternehmen spielt eine große Rolle, aber auch ihr sonstiges Engagement. Egal, ob sie weitere Zertifizierungen anbieten, Studierenden Einblick geben in jeweilige Arbeitsbereiche oder als Fellows zur Seite stehen. Solche Fellows agieren wie Mentorinnen oder Mentoren, die die Studierenden begleiten. Dabei geht es weniger um Codieren als um die Karriereentwicklung. Fellows präsentieren, woran sie arbeiten, und zeigen auf, wie ihr eigener Weg verlief. Sie bieten Orientierung und inspirieren. „Unternehmen müssen sukzessive Sorge dafür tragen, dass sie Fachkräfte bekommen. Wir sind ein zusätzlicher Baustein dafür“, erläutert Kalina den Beitrag der Unternehmen. Aber sie gehen keine Verpflichtung ein. Alles steht unter dem Motto: „Alles kann, nichts muss.“ Verfolgt vom schwarzen Loch Studierende aller Schulen 42 starten nach der Piscine mit einem Grundstudium, dem Core-Studium. Dabei wird der Inhalt zentral von Paris aus gesteuert. Laut Homepage der 42 Heilbronn „liegt der Fokus auf Projekten zu Kommandozeileninteraktion, C-Programmierung und Algorithmen. Anschließend kommen etwas herausfordernde Projekte zu den Themen Programmierung, Algorithmen, C-UnixProgrammierung und Webprogrammierung.“ Im Programm selbst gibt es einen virtuellen Besenwagen, der die Studierenden wie ein schwarzes Loch schluckt, wenn sie nicht genug Zeit investieren. Wenn die Studierenden nicht rechtzeitig ihr Projekt abschließen, ist ihr Studium an der 42 vorbei. Die Studierenden dürfen auch eine Pause („Freeze“) von maximal sechs Monaten einlegen. Schnelle Studierende schaffen das Grundprogramm in acht Monaten, Ziel sind zwölf Monate. „Für das Core-Studium erhalten die Studierenden zu Beginn 77 ‚Black Hole Days‘, das heißt sie haben maximal 77 Tage, um das erste Projekt zu validieren. Für jedes validierte Projekt bekommen sie eine festgelegte Anzahl Tage dazu. Insgesamt können die Studierenden rechnerisch bis zu 670 Tage durch abgeschlossene Projekte erreichen“, erklärt Kalina. Auf das Grundstudium folgt ein erstes Praktikum, das etwa vier bis sechs Monate dauert. Die Studierenden können frei entscheiden, wo sie das Praktikum absolvieren möchten, über die Partnerunternehmen erhalten sie aber einige Möglichkeiten. Manche Studierende scheiden bereits hier aus dem Studium aus, wenn sie Jobangebote im Praktikum erhalten. Für alle anderen geht es mit der Spezialisierung weiter, die etwa eineinhalb Jahre in Anspruch nimmt. Hier können die Studierenden auch zwischen den 42 Schulen wechseln. Denn jede Schule 42 hat andere Spezialisierungsschwerpunkte, von Game Development, über IT-Sicherheit und Automotive, was der Schwerpunkt der 42 Wolfsburg ist. Dort entsteht ferner gerade die Vertiefung „Seame“ (Software R Dritter Standort. Ab Juni 2022 durchlaufen die ersten Bewerbenden die Auswahlcamps der 42 Berlin. Die Schule liegt im Berliner Stadtbezirk Neukölln, in den ehemaligen Geyer-Werken in der Harzer Straße. Geplant ist, die Türen auch für die Nachbarschaft aufzuhalten, bei einzelnen Events oder im Fab-Lab, das es auch in der 42 Berlin geben soll. Rektor der 42 Berlin ist – wie schon in Wolfsburg - Max Senges. Den Berliner Standort und die Vielfalt der Neuköllner Nachbarschaft sieht er als Chance: „Komplexe Probleme lassen sich nur durch den Blick aus verschiedenen Perspektiven lösen. Dafür braucht man vielseitige Teams mit unterschiedlichen Kompetenzen und Hintergründen.“ Als Anwendungsfelder und Schwerpunkte bietet der Berliner Standort der Schule 42 „Mobility & Smart Cities“, „Digitally Enhanced Healthcare“ und „Education Tech“. Start der 42 Berlin

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