personal- und organisationsentwicklung 36 wirtschaft + weiterbildung 06_2022 Die Teilnehmenden bekamen Geld, mit dem sie den Erfolg ihrer Konkurrenten zerstören konnten. Je mehr Geld sie dafür investierten, desto größer war der toxische Wettbewerb. Das Programm bestand aus einer Serie von interaktiven Workshops und einem Entwicklungsteil, unter anderem mit Rollenspielen und Rollentausch. Dabei tauschten zufällig zugeordnete Führungskräfte und Mitarbeitende ihre Rollen und gaben sich Feedback. Zudem brachte das Projekte Verbesserungen in der Kommunikation. Perspektive von Kunden und Mitarbeitenden entscheidet Die Ergebnisse zeigen, dass innovative Interventionen zur Verbesserung des Beziehungsklimas in toxischen Arbeitsumgebungen dazu beitragen können, das Engagement der Mitarbeitenden zu erhöhen und die Fluktuation zu verringern und so letztlich die Beziehungskultur zu verändern. Für Felix Oberholzer-Gee, Professor für Betriebswirtschaft an der Harvard Business School und Autor von „Better, Simpler Strategy“, gibt es nur zwei Perspektiven, die ein Unternehmen berücksichtigen sollte: die Bereitschaft zum Zahlen beim Kunden (willingness to pay) und die Bereitschaft der Mitarbeitenden, für ein Unternehmen zu arbeiten (willingness to sell). Der Wirtschaftswissenschaftler untersuchte, warum es so große Unterschiede beim finanziellen Erfolg zwischen Unternehmen in derselben Branche und oftmals auch in derselben Region gibt. Er berichtet von einer IT-Beratung, deren Geschäfte zwar gut liefen, die aber nicht genug Berater fanden und so ihre Einnahmen vor allem dafür ausgaben, neue Mitarbeitende zu finden. Dabei half der Fokus auf die Perspektiven von IT-Beratern und Kunden. So lehnen Berater die häufigen Reisetätigkeiten ab und viele Kunden bevorzugen es, wenn der Berater im eigenen Haus arbeitet. „Wenn man diese beiden Aspekte kombiniert, wird das Geschäft profitabel“, so der Professor. Seine Tipps: Schauen Sie nicht aus der Perspektive des Unternehmens auf Ihr Geschäft, sondern aus der Perspektive derjenigen, die dafür arbeiten und derjenigen, die für Ihre Produkte zahlen. „Viele meiner Studierenden wollen ein Unternehmen gründen“, so der Professor. „Sie beginnen mit dem Geschäftsmodell und überlegen, wie sie Geld verdienen können. Aber das ist die letzte Frage, die sie stellen sollten.“ Am Anfang sollte immer die Frage stehen, wie sie Werte für ihre Kunden und Mitarbeitenden schaffen. Er verstehe daher nicht, warum viele behaupten, die Entwicklung einer Strategie sei schwierig und komplex, kritisierte Oberholzer-Gee. „Dafür reichen fünf Minuten, dann wissen Sie alles.“ Letztlich gehe es nur um die Wertschöpfung. Damit der Kunde zahlt, müsse die Qualität des Produkts stimmen und damit die Mitarbeitenden zufrieden sind, müsse die Qualität des Jobs stimmen. Wie das funktionieren kann, zeigt ein Experiment beim Einzelhändler The Gap. Dort arbeiten die Verkäufer in Schichten und wissen oft erst kurz vorher, wann sie eingesetzt werden - was zu hohem Stress führt. Um den Job attraktiver zu machen, führte Gap eine App ein, mit der die Mitarbeitenden ihre Schichten tauschen können. Das brachte nicht nur eine enorme Erleichterung, auch der Verkaufserfolg stieg um 15 Prozent, weil die Mitarbeitenden dann im Einsatz waren, wann sie wollten und nicht, wann sie mussten. „Das zeigt, dass es viele Möglichkeiten gibt, Jobs zu verbessern“, so der Professor. Das hat sich auch die Schweizer Bank Credit Suisse zum Ziel gesetzt. Sie nutzte die Coronapandemie, um ihre Mitarbeitenden zu befragen, wie sie künftig arbeiten wollen. Über sechs Monate hinweg lieferten knapp 4000 Bankmitarbeitende rund drei Millionen Antworten, die letztlich zu dem neuen Arbeitsmodell „The way we work“ führten. „Neue Arbeitsmodelle müssen auf Fakten basieren“, sagte Marina Weilenmann, Director und Head of Change Portfolio Management der Credit Suisse. Daher überprüfte die Bank in ihren Befragungen zahlreiche Überzeugungen und Vorurteile zum Thema Homeoffice. „Die meisten davon haben sich nicht bewahrheitet“, resümiert die Bankmanagerin. So habe sich der Glaube, dass im Homeoffice weniger produktiv gearbeitet werde, als falsch herausgestellt. Laut Auskunft der Mitarbeitenden ist die Produktivität und Leistungsfähigkeit sogar gestiegen. Ebenso habe sich die Befürchtung, dass Remote Work ein hohes Compliance Risiko darstelle (was gerade für eine Bank ein wichtiger Punkt ist), nicht bestätigt. „Wer im Büro keine Regeln umgeht, tut es auch zu Hause nicht“, so Weilenmann. Auch dass sich die Mitarbeitenden im Homeoffice isoliert und einsam fühlten, war nicht der Fall. „Hier waren wir überrascht, dass das Wohlbefinden sogar gestiegen ist“, so Weilenmann. Identifikation mit Arbeitgeber wurde durch Corona gestärkt „Die meisten waren zufrieden und meldeten, dass die virtuelle Interaktion mit Kollegen sogar häufiger stattfand und es vielfältigere Kontakte gab.“ Sogar die Bedenken, dass Mitarbeitende im Homeoffice weniger loyal sind, wurden widerlegt. Herauskam das Gegenteil. „Die Möglichkeit, wählen zu können und das implizit ausgesprochene Vertrauen haben die Identifikation mit dem Arbeitgeber offenbar gestärkt“, so die Direktorin. Ihr Fazit: Die Bank kann ihren Mitarbeitenden vertrauen. Allerdings brauche es Kontrollfunktionen. Das neue Arbeitsmodell basiert daher auf zwei Grundpfeilern: Die Mitarbeitenden entscheiden selbst, wie sie am besten arbeiten können und es gibt eine Kontrollfunktion durch das Team, das ihren Wünschen zustimmen muss. Dank der Fakten aus den Befragungen konnte man auch die Führungskräfte überzeugen und das Modell für 50.000 Mitarbeitende umsetzen. Da es jedoch erst vor kurzem die offizielle Rückkehr ins Büro gab, sei man noch in der Testphase. In einem weiteren Schritt erforscht die Bank, wie das Büro der Zukunft aussehen sollte. Auch künftig werde es weitere Experimente und ein systematisches Perspective Taking geben. Der schwierigste Punkt bei der Einführung des neuen Arbeitsmodells sei es gewesen, das Management zu überzeugen. Weilenmann: „Wir mussten unheimlich viel Arbeit mit Workshops auf allen Hierarchieebenen investieren, um unsere Vorgesetzten von ihren Glaubenssätzen zu befreien.“ Bärbel Schwertfeger R
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