wirtschaft + weiterbildung 06_2022 35 R Plenum. Viele Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen berichteten von Experimenten, die das menschliche Verhalten entschlüsseln können. Raffaella Sadun. Die Professorin sieht steigende Bedeutung der sozialen Kompetenzen. geht nicht darum, was ich glaube, sondern darum, was ich glaube, was die anderen glauben“, so der Professor für experimentelle Wirtschaftsforschung an den Universitäten Köln und Innsbruck. Raffaela Sadun, Professorin für Business Administration an der Harvard Business School, analysierte, welche Fähigkeiten bei Führungskräften gesucht sind. Dazu wertete sie Jobbeschreibungen von knapp 5.000 CEOs und Leader-Positionen aus den Jahren 2000 bis 2017 weltweit aus, die ihr eine internationale Personalberatung zur Verfügung gestellt hatte. Durch die Aggregation der Daten ließ sich erkennen, dass sich die Art der von den Unternehmen gesuchten Fähigkeiten dramatisch verändert habe. Administrative Skills seien um 40 Prozent gesunken. Dagegen sei die Nachfrage nach Social Skills förmlich explodiert und zwar vor allem bei größeren Unternehmen mit einem Fokus auf Technologie. Gefragt sei neben den sozialen Kompetenzen auch die Fähigkeit, komplexe Informationen zu verstehen. „Beide Fähigkeiten haben viel mit Perspective Taking zu tun, nämlich der Bewusstheit für andere und der Fähigkeit, mit verschiedenen Gruppen arbeiten zu können“, erklärte die Harvard-Ökonomin. Doch bisher gebe es keine guten Messmethoden dafür. Das gelte sowohl für die klassischen Interviews als auch für Persönlichkeitstests. Sadun plädiert daher dafür, sich bei der Auswahl stärker auf reale Verhaltensdaten zu fokussieren und zu beobachten, wie ein Manager sein Team und dessen Leistung beeinflusst. „Es geht nicht um die Produktivität des Managers, sondern darum, wie er die Produktivität der Mitarbeitenden beeinflusst“, so die Professorin. Gute Teamplayer spielten keine Solistenrolle, sondern seien so etwas wie ein Broker. Deshalb sei es auch schwierig, sie in traditionellen Assessment Centern zu erkennen. Das funktioniere bisher nur bei bestimmten Unternehmen, bei denen es die entsprechenden Messwerte gibt. Als Beispiel nennt sie ein Callcenter, in dem es eine Leistungsmessung auf individuellem Niveau gibt. Dort gebe es Studien, in denen untersucht wurde, wie sich die Produktivität des einzelnen Mitarbeitenden ändert, wenn er einen anderen Manager bekommt. Harvard verucht, die soziale Sensitivität zu messen Sadun berichtete auch von einem neuen Ansatz von David J. Deming. Der Ökonom und Professor of Education and Economics an der Harvard Graduate School of Education hat die soziale Intelligenz mit dem Reading the Mind in the Eyes Test (RMET) gemessen, einem Messverfahren zur Erkennung von Emotionen und sozialer Sensitivität. Der Test wurde eigentlich dafür entwickelt, um Defizite bei Menschen mit Asperger Syndrom und Autismus zu diagnostizieren. Inzwischen hätten Psychologen aber erkannt, dass der RMET sich auch für Vorhersagen in verschiedenen anderen Bereichen bei normalen Menschen nützen lässt. In Experimenten fand Deming heraus, dass gute Teamplayer, die ihr Team zu besseren Leistungen bringen, bei der Messung der sozialen Intelligenz besser abschneiden. Der RMET war auch eines der zahlreichen Instrumente, die Sule Alan, Professorin für Wirtschaftswissenschaften am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz und an der Bilkent Universität in Ankara, und Gozde Corekcioglu Ishakoglu, Assistenzprofessorin für Wirtschaftswissenschaften an der Kadir Has Universität in Istanbul, gemeinsam mit Matthias Sutter in ihrem Forschungsprojekt zum toxischen Verhalten in Unternehmen eingesetzt haben (Improving Workplace Climate in Large Corporations - A Clustered Randomized Intervention). Mit einem aufwändigen experimentellen Design führten die Forscher ein Trainingsprogramm zur Förderung des prosozialen Verhaltens durch, das sich vor allem auf das Verhalten von Führungskräften und die Interaktion zwischen Führungskraft und Untergebenen fokussierte. An dem Programm nahmen über 3.000 Mitarbeitende von 20 großen Unternehmen in der Türkei teil. Um pro- und antisoziales Verhalten zu messen, setzten die Forscher auch auf den spieltheoretischen Ansatz.
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