Wirtschaft und Weiterbildung 6/2022

wirtschaft + weiterbildung 06_2022 33 nismen und nicht über reines Lernen, bei dem ich Emotionen ausschalte. Sauter: Unter diesem Aspekt ist gerade auch der Prozess, wie man Wertemanagement einführt, sehr wichtig. Wir beginnen den Prozess damit, dass wir erstmal auf der Organisationsebene die Ist- und Wunschwerte der Mitarbeitenden erfassen. Das heißt, wir halten es für extrem wichtig, dass man nicht mit einer externen Unternehmensberatung irgendwelche schön formulierten Sätze aus den Textbausteinen dieser Organisationen verwendet, sondern dass wir diese Sollwerte in dem Prozess mit den Mitarbeitenden entwickeln. Wenn dann auf oberer Ebene das erste Mal diese Sollwerte entwickelt wurden, dann sollten diese zunächst in einem organisationsweiten Kommunikationsprozess zur Diskussion gestellt werden. Mitarbeitende sollen Zeit haben, sich damit zu beschäftigen und Anregungen einzubringen. Erst danach kann man die angepassten Sollwerte für die Organisation offiziell verabschieden. Dann hat man eine ganz andere Legitimation. Das sind keine von oben herab verordneten Werte, sondern es sind gewachsene Werte, die der tatsächlichen Organisationskultur entsprechen. So haben wir die Chance, eine hohe Akzeptanz bei den Mitarbeitenden zu erlangen. Manipulative Führungskräfte gibt es aber in den Unternehmen. Hätten diese keine Chance mehr an die Macht zu kommen, wenn man im Unternehmen einen Werteprozess durchlaufen hat? Sauter: Wir dürfen uns nicht anmaßen zu glauben, dass wir tatsächlich jetzt mit unserem Konzept direkte Veränderungen bewirken können. Was wir aber tun können, ist, dass wir Transparenz schaffen. Ich will das an einem Beispiel verdeutlichen: In einem kleinen Maschinenbauunternehmen haben wir die Werte der gesamten Organisation erfasst und dabei hat sich herausgestellt, dass insbesondere bei den Werten „Verantwortung und Respekt“ eine sehr große Abweichung zwischen Ist und Wunsch bestand. In einem Workshop mit repräsentativen Vertretern – Führungskräfte wie Produktionsmitarbeitende – kristallisierte sich nach zehn Minuten in der Analyse heraus, dass letztlich hinter dieser großen Diskrepanz eine einzelne Führungskraft stand, die extrem dominant war. Das mündete in einer intensiven Diskussion über die Werte und ergab auch entsprechende Maßnahmen. Und genau das ist die Stärke dieses Konzepts: Man kann solche versteckten Probleme transparent machen, um sie im Prozess zu lösen. Bisher sind in der Personaldiagnostik oft Tests im Einsatz, mit denen man Persönlichkeitsmerkmale erfasst. Diese spielen in ihrem Konzept keine Rolle mehr ... Erpenbeck: Mit einem Persönlichkeitstest wie dem Big-Five-Test stellt man fest, dass jemand bestimmte Persönlichkeitseigenschaften hat oder nicht. Diese Persönlichkeitseigenschaften sind sehr stabil und lassen sich kaum entwickeln. Wenn ein Unternehmen nun bei bestimmten Persönlichkeitseigenschaften prinzipielle Bedenken hat, kann man das natürlich über einen Test ermitteln. Aber es gibt keinen wirklichen Einfluss von Persönlichkeitseigenschaften auf die Kompetenzen. Der Erfinder des Bochumer Inventars, Rüdiger Hossiep, hat das sehr schön formuliert: Man kann bestimmte Persönlichkeitseigenschaften zwar messen. Aber man kann nicht über Persönlichkeitstests darauf schließen, wie jemand arbeiten wird. Umgekehrt helfen Persönlichkeitstests dabei, wenn man sich bestimmte Handlungsweisen eines Mitarbeiters oder einer Mitarbeiterin nicht erklären kann. Denn die Ursachen können in der Persönlichkeit liegen. Wir sollten uns also auf die Kompetenz- und Werteerfassung fokussieren statt auf die des Testens von Persönlichkeitsmerkmalen. Und welche Methoden empfehlen Sie zur Kompetenzerfassung? Sauter: Die mit Abstand beste Methode ist immer die Erfassung aufgrund von gemeinsamen Erfahrungen in der Praxis. Deswegen empfehlen wir, die Selbsteinschätzung durch Fremdeinschätzungen von Kollegen und Kolleginnen zu ergänzen. Wenn man diese gemeinsamen Erfahrungen nicht hat, dann bleibt eigentlich nur übrig, praxisnahe Situationen zu schaffen – zum Beispiel mit Assessment-Center-Übungen. Was wir häufig nutzen, sind die Vereinbarung von konkreten Praxisprojekten, zum Beispiel bei Führungsnachwuchskräften, die fit für künftige Führungsaufgaben sein sollen, die aber heute noch keine Führungsaufgaben haben. Sie sollte man dazu ermuntern, ein herausforderndes Praxisprojekt zu definieren, das sie über einen längeren Zeitraum bewältigen müssen. Kristina Enderle da Silva Foto: Valcom Institut Foto: Valcom Institut John Erpenbeck. Er lehrt Kompetenzmanagement an der Steinbeis Uni Berlin und ist wissenschaftlicher Berater des Valcom Instituts. Werner Sauter. Er ist wissenschaftlicher Leiter des Valcom Instituts und begleitet Unternehmen im Werte- und Kompetenzmanagement.

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