wirtschaft + weiterbildung 06_2022 31 Lernbegleitung, die es den Mitarbeitenden ermöglicht, komplexe Herausforderungen selbstorganisiert zu bewältigen und optimale Ergebnisse zu erreichen. • Die ergänzende Trainingsstufe ermöglicht es Mitarbeitenden, in realitätsgleichen, zumindest realitätsnahen oder -ähnlichen Herausforderungen selbstorganisiert Werte aufzubauen. „Klassische“ Trainings, zum Beispiel mit Fallstudien, Planspielen oder Rollenspielen, sind für Wertetrainings dagegen wenig geeignet, weil sie keine wirkliche emotionale Labilisierung ermöglichen. • Die unterstützende Weiterbildung kann Anstöße fur die selbstorganisierte Werteentwicklung geben oder die notwendigen Voraussetzungen, wie Fertigkeiten und Wissensaufbau, schaffen. Die meisten Mitarbeitenden haben eine fremdgesteuerte Lehrkultur verinnerlicht. Deshalb empfehlen wir, den Wandel zum selbstorganisierten, kollaborativen Lernen im Rahmen eines Social-BlendedLearning-Arrangements zielgruppengerecht zu gestalten. Damit wird es möglich, die Mitarbeitenden passgenau und schrittweise aus ihrer bisherigen, meist fremdgesteuerten Lernwelt professionell begleitet zum selbstorganisierten Lernen zu führen. Social-Blended-Learning-Arrangements verknüpfen Workshops mit selbstorganisierten Werte- und Kompetenzentwicklungsphasen in Praxisaufgaben oder Praxisprojekten. Dieses Entwicklungsarrangement weist gegenüber den rein qualifikationsorientierten Blended-Learning-Arrangements, die durch eine pädagogisch sinnvolle Kombination aus Workshops und Selbstlernphasen mit digitalen Medien geprägt sind, folgende zusätzliche Merkmale auf: Praxisstufe: Den roten Faden der selbstorganisierten, personalisierten Entwicklungsprozesse bilden ein Praxisprojekt oder herausfordernde Aufgaben im Arbeitsprozess. Die Priorisierung erfolgt in Abstimmung mit der Führungskraft auf Basis der individuellen Werte- und Kompetenzziele. Die Mitarbeitenden entwickeln selbstorganisiert ihre Werte und Kompetenzen. Dabei nutzen sie aktiv die Tools und Inhalte des digitalen Ermöglichungsraums („Learning Experience Platform“), der ihnen zur Verfügung steht, sowie ihr Netzwerk. Coachingstufe: Diese personalisierten Entwicklungsprozesse werden durch professionelle Prozessbegleitende unterstützt. Trainingsstufe: Nach Möglichkeit werden Werte- und Kompetenztrainings in realen Entwicklungsszenarien integriert. Weiterbildungsstufen: Unterstützende Lernmaßnahmen wie Workshops zu agilen Methoden runden das Konzept ab. Unsere Erfahrungen zeigen, dass solche Lernprozesse mit einer hohen Erfolgswahrscheinlichkeit initiiert werden können, wenn im „Kickoff“ die Grundlagen fur eine hohe Verbindlichkeit der selbstorganisierten Lernphasen, aber auch für eine Flankierung der personalisierten Lernprozesse durch Lernpartner und Lernpartnerinnen und Prozessbegleitende gelegt werden. Der Entwicklungserfolg wird anhand der Leistungsergebnisse gemessen. Eine neue Entwicklungskultur ist im Entstehen. Sind die Mitarbeitenden gewohnt, den Ermöglichungsraum und ihr Netzwerk erfolgreich für ihre eigenen Lernprozesse zu nutzen, werden sie nach und nach dazu übergehen, diese auch außerhalb geplanter Maßnahmen – wenn akute Herausforderungen zu bewältigen sind – zu nutzen. Arbeiten und Lernen wachsen damit zusammen. „Social Workplace Learning“ findet also laufend selbstorganisiert im Prozess der Arbeit und im Netz statt, wenn herausfordernde Problemstellungen zu bearbeiten sind. Wie kann die Werteentwicklung implementiert werden? Werte- und Kulturmanagement zielt auf die gesamte Organisation. Deshalb hat es sich bewährt, diesen Veränderungsprozess auf der Organisationsebene, gesteuert durch ein Werte- und Kompetenzmanagementteam, zu beginnen, um auf Basis der Erfassung der Ist- und der Wunschwerte für die Organisation Sollwerte als gemeinsamen Rahmen für die selbstorganisierte Werteentwicklung auf allen Ebenen zu schaffen. Darin können die einzelnen Teams ihre jeweiligen Ist- und Sollwerte ermitteln und in Abstimmung mit ihrer Führungskraft ihre Werteziele ableiten. Die einzelnen Mitarbeitenden erfassen ebenfalls ihre Istwerte und leiten daraus ihre individuellen Werteziele ab. Dies ermöglicht die selbstorganisierte Planung und Umsetzung gezielter Werteentwicklungsmaßnahmen. Die Personalentwicklung kann Werte und Kulturen nicht verordnen. Sie kann aber viel für die selbstorganisierte Werte- und Kulturentwicklung tun, sie ermöglichen, fördern, antreiben und verstetigen. John Erpenbeck, Werner Sauter Quellen. Eine ausführliche Darstellung der Geschichte der Werteforschung findet sich in „Wertungen, Werte – Das Buch der Grundlagen für Bildung und Organisationsentwicklung“ (2018, Springer) von John Erpenbeck unter Mitarbeit von Werner Sauter. Die im Artikel erwähnte Selbstorganisationstheorie von Herrmann Haken ist nachzulesen im Aufsatz „Synergetik und Sozialwissenschaften“ (1996), in: Ethik und Sozialwissenschaften Streitforum für Erwägungskultur 7(4). Ausführlich ist das Konzept des Wertetrainings von den Autoren dargestellt in ihrem aktuellen Buch „Wertetraining. Praxis, Coaching, Übung und Bildung für die gezielte Werteentwicklung“ (2022, Schäffer-Poeschel). Ergänzend dazu ist der Titel „Future Learning und New Work. Das Praxisbuch für gezieltes Werte- und Kompetenzmanagement“ 2021 im Haufe Verlag erschienen. Literaturtipps
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