Wirtschaft und Weiterbildung 6/2022

titelthema 20 wirtschaft + weiterbildung 06_2022 Der IT-Fachkräftemarkt ist leergefegt – das ist schon lange bekannt. Gleichzeitig benötigen die Unternehmen noch dringender Programmierer und Programmiererinnen. Schließlich sorgt die Digitalisierung für eine Transformation der Produkte und Dienstleistungen, der Arbeitswelt an sich und der Geschäftsmodelle. Einige Weiterbildungsanbieter setzen daher auf Kurzzeitprogramme, die Quereinsteigenden die Grundlagen der Programmierung vermitteln sollen. Nach ein paar Monaten Vollzeittraining sollen Kodierprofis für die Unternehmen ausgebildet sein. Vermittelt wird also IT-Wissen und Programmierfähigkeiten – erstmal ausreichend für den Arbeitsmarkt. Doch Soft Skills, die zum Beispiel die künftig stark gefragte Lernfähigkeit, die Teamfähigkeit und die Anpassungsfähigkeit umfassen, bleiben dabei unberücksichtigt. Einen neuen Weg, um die begehrten Programmierer und Progammiererinnen auszubilden, geht die „Schule 42“. Wer sie durchläuft, geht nicht als Klischeenerd auf den Arbeitsmarkt, sondern ist ein hoch motivierter Programmierprofi, der oder die weiß, wie er oder sie im Team ans Ziel kommt. Das pädagogische Konzept wird als Revolution im Bildungsmarkt gefeiert. Es motiviert die Schüler und Schülerinnen, begeistert Lernexperten und Lernexpertinnen und bekommt viel Unterstützung von der Unternehmen. Die ersten Schritte zur 42 Ihren Ursprung hat die Schule 42 in Frankreich. Die erste „Ecole 42“ entstand 2013 in Paris, gegründet vom französischen Unternehmer Xavier Niel und Partnern. Inzwischen gibt es Standorte auf der ganzen Welt. In Deutschland haben 2021 mit 42 Wolfsburg und 42 Heilbronn die ersten Schulen geöffnet, mit der 42 Berlin startet in diesem Jahr ein weiterer Standort den Betrieb. Die Schulen verstehen sich als Schwesternschulen und stehen in engem Austausch. Insgesamt gibt es Campuszentren in 25 Ländern, mit mehr als 15.000 Studierenden. Für die 42 braucht es keinen Schulabschluss. Daher sind die Studierendenkohorten bunt gemischt. Manche haben schon eine Karriere hinter sich, manche arbeiten schon länger im IT-Bereich, manche sind völlig neu und bringen keine Vorkenntnisse im Programmieren mit. Einzige Voraussetzung: das Mindestalter von 18 Jahren. Das Altersspektrum ist breiter als an klassischen Universitäten, nämlich zwischen 18 und 58. Wer sich für die 42 interessiert, muss sich auf der Webseite registrieren. Im Anschluss durchlaufen die Bewerbenden zwei Onlinespiele. Das eine Spiel testet die Merkfähigkeit. Die Bewerbenden treffen auf ein Rasterquadrat, das aktiviert und deaktiviert wird. Ihre Aufgabe ist es, das mit steigender Schwierigkeit zu reproduzieren. Das andere Spiel zielt auf das logische Programmierdenken, indem sich die Teilnehmenden mittels einer Kombination grafischer Befehle, die eine Funktion ergeben, den Weg vom Start zum Ziel bahnen müssen. Bis zum Mindestlevel müssen die Bewerbenden gelangen, daraufhin können sie sich zu einer Introduction-Runde anmelden, um Fragen zu stellen und den Staff kennenzulernen. Auswahlstation „Piscine“ – Bootcamp für Codingfans Und dann folgt sie, die letzte Auswahlstation, die fast legendäre „Piscine“ – französisch für Schwimmbad. „Die Idee ist, dass jede*r das Schwimmen lernt, indem er/sie sofort ins kalte Wasser geworfen wird“, heißt es auf der Homepage der 42 Heilbronn. Die Bewerbenden sollen eintauchen in die Programmierwelt. Mit Entspannung hat das aber nichts zu tun. Die Piscine vor Ort besteht aus einem vollen Programm, sieben Tage die Woche, das es vier Wochen lang zu bestehen gilt. Das ist anstrengend. Pro Studierendenkohorte finden zwei bis drei Piscines à 150 Bewerbenden, also mit bis zu 450 Bewerbenden, statt. Manche brechen im Laufe der Piscine ab, aus der Summe derer, die durchkommen, werden 150 ausgewählt. Die Piscine hat zwei Ziele: Das eine ist Networking, die Teilnehmenden sollen sich kennenlernen. Zum anderen geht es um Inhaltliches: Die Bewerbenden erhalten Einführungssessions, lernen die Tools und die Lernplattform, das sogenannte „Intra“, kennen und arbeiten dort an Projekten. Für jedes der Projekte gibt es ein Briefing im PDF-Format. Es geht darum, einfache Kommandozeilen in der Programmiersprache C zu erlernen – zum Beispiel printf –, nicht darum, ein lauffähiges Programm zu entwickeln. Die Teilnehmenden sollen sich also zu Beginn die Programmierlogik erschließen. Jeden Freitag wird in Examina getestet, wie viel die Bewerbenden schon gelernt haben. Sie müssen ohne Hilfsmittel Programmierzeilen entwickeln. Die Bewertung erfolgt automatisiert, beim kleinsten Fehler schon wird der Code nicht validiert. Am Wochenende müssen sie gemeinsam Gruppenprojekte, sogenannte „Rushes“, bewältigen. „Natürlich gibt es Leute, die Programmiererfahrung mitbringen, die haben in den ersten Tagen einen Vorteil. Das egaR 04. Gamification – das gesamte Lernprogramm ist als Spiel angelegt. 05. Teamfähigkeit – nur kodieren reicht nicht, auch Soft Skills sind entscheidend. 06. Das schwarze Loch – wer das nächste Level nicht rechtzeitig erreicht, muss aufhören.

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