Wirtschaft und Weiterbildung 1/2021

grundls grundgesetz Boris Grundl 56 wirtschaft + weiterbildung 01_2021 Disziplin wird gern als Allheilmittel gepriesen. Mit Disziplin geht alles. Und ohne eben nichts. Interes- sant, wie die Komplexität mentaler Haltungen zu einer scheinbar einfachen Lösung kommt. Lassen Sie uns das Thema „Disziplin“ doch genauer unter die Lupe nehmen. Disziplin ist die Kraft des Dranbleibens. Des „zu Ende Bringens“. Festbeißen und durchziehen. Wie ein Terrier. Für viele scheint das eine lohnenswerte Energie zu sein. Wir bewundern Menschen, die mit Disziplin und Fleiß ihre Ziele erreichen. Viele emp- finden beim „Durchziehen“ aber auch eine gewisse Schwere. Es fühlt sich engstirnig und verbohrt an. Für mich ist Disziplin folgender mentaler Zustand: Ich muss es tun, will es aber eigentlich nicht. Ich habe mir etwas vorgenommen, von dem ich denke, dass ich es tun sollte. Im Grunde fehlt mir aber die innere Überzeugung. Ich kämpfe gegen Wider- stände. Zum Konzept der Disziplin passt der innere Schwei- nehund. Er soll unser Scheitern sympathischer machen. Damit wir mehr Verständnis für unsere Misserfolge bekommen. Doch dieses mentale Programm führt uns eher Niederlagen als Siege ins Bewusstsein. Disziplin ist ein mentaler Muskel. Wenn ich Dinge tue, die ich eigentlich nicht will, braucht es mentale Anstrengung. Und diese ist sowohl trainier- als auch erschöpfbar. Disziplin hilft somit temporär, ist jedoch kein starker täglicher Zustand. Menschen brauchen sie nur so lange, bis Überzeugung da ist. Wer überzeugt ist, muss nichts mehr beweisen, sondern kann sich hingeben. Alles fließen lassen. Dann bringe ich Dinge nicht zu Ende, sondern fange immer wieder neu an – jeden Tag, jede Woche, jedes Jahr, ja sogar jeden Moment. Ich beginne so lange neu, bis ich das erreiche, was ich mir vorgenommen habe. Dieses Mindset ist eine ganz andere Qualität im Denken. Es ist die Seite der Konsequenz. Konsequent sein heißt also, so lange Fehlschläge in Kauf zu nehmen, bis das Vorhaben gelingt. Scheitern hat somit eine ganz andere Bedeutung. Es ist Teil des Erfolgs. Eine Normalität, die keine schlechten Gefühle und Ängste auslöst. Dieser stän- dige Anfängergeist gibt wesentlich mehr Energie als Disziplin. Wer konsequent neu beginnt, kann jederzeit zupacken und los- lassen. Konsequenz heißt „Ich will“, Disziplin „Ich sollte wollen.“ Diese beiden Denkmodelle gehen sehr tief. Sie sind fest in unsere DNA einprogrammiert. Doch vielleicht ist genau jetzt die Zeit für einen Wandel. Wie wäre es, 2021 zum Jahr der Konsequenz auszurufen? Vielleicht überlegen Sie sich, was sie dieses Jahr erreichen wollen. Und zwar so genau wie möglich. Reflektieren Sie dabei nicht, was Sie sich vorneh- men, sondern woran Sie am Ende des Jahres erken- nen, dass 2021 für Sie besonders war. Holen Sie sich dieses innere Bild so präzise wie möglich vor ihr geistiges Auge. Laden Sie das Szenario jeden Tag neu auf. Mit vielen, schönen Emotionen. Ganz entspannt. Ohne Angst. Voller Zuversicht. So als wäre jeder Tag Silvester. Gehen Sie jeden Tag auf dieses Bild zu. Zupacken und loslassen. Anfangen und aufhören. Verlieren und gewinnen. Scheitern Sie konsequent, bis Ihr Bild real wird. In Form von klaren, messbaren Ergebnissen. Ich bin mir absolut sicher, Sie wissen jetzt, um was es 2021 geht. Denn auch im neuen Jahr schlägt Konsequenz die Disziplin um Längen. Wetten? Paragraf 91 Werde zum konse- quenten Anfänger! Boris Grundl ist Managementtrainer und Inhaber des Grundl Leadership Instituts, das Unternehmen befähigt, ihrer Führungsverantwortung gerecht zu werden. Er gilt bei Managern und Medien als „der Menschenentwickler“ (Süddeutsche Zeitung). Sein jüngstes Buch heißt „Verstehen heißt nicht einverstanden sein“ (Econ Verlag, Oktober 2017). Boris Grundl zeigt, wie wir uns von oberflächlichem Schwarz-Weiß-Denken verabschieden. Wie wir lernen, klug hinzuhören, differenzierter zu bewerten, die Perspektiven zu wechseln und unsere Sicht zu erweitern. www.borisgrundl.de Wer überzeugt ist, braucht keine Disziplin mehr. „ „