Wirtschaft und Weiterbildung 1/2021

54 wirtschaft + weiterbildung 01_2021 hot from outside Als vor langer Zeit Ceylon (heute: Sri Lanka) noch Serendib hieß, lebte dort ein König, der seine drei Söhne auf eine lange Wanderung durch sein Reich schickte. Der Nachwuchs sollte Lebenserfahrung sammeln. Die drei Prinzen beobachteten zufällig, wie jemand ein Problem löste, und im nächsten Moment hatten sie eine Idee, wie sie diese Pro­ blemlösungsstrategie auch in einem ganz anderen Zusammenhang nutzen könnten. Wenn heute jemand zufällig etwas Innovatives entdeckt, was er nicht aktiv gesucht hat, dann nennt man diesen Glücksfall „Serendipity“. Wir kennen alle die Geschichte eines Hobbychor­ leiters, der sich darüber ärgerte, dass die Lese­ zeichen ständig aus seinem Notenbuch heraus­ fielen. Dieser Mann erinnerte sich an einen Arbeitskollegen, der gescheitert war, als er für den gemeinsamen Arbeitgeber einen Klebstoff ent­ wickeln sollte. Der Klebstoff war zu schwach, um irgendeinen Nutzen zu haben, aber der Chorleiter hatte die Idee, die Lesezeichen mit dem Ausschuss zu bestreichen, weil die behandelt Lesezeichen auf glattem Papier doch irgendwie haften blie­ ben und noch dazu wieder leicht entfernt werden konnten. Die Erfindung der „Post-its“ ging so in die Geschichtsbücher ein. Bekannte Beispiele für Serendipität sind außerdem die Entdeckung der Röntgenstrahlung und des Penicillins oder der kos­ mischen Hintergrundstrahlung. Andere Beispiele sind der Klettverschluss oder das Linoleum. Christian Busch ist Wissenschaftler an der New York University und an der London School of Eco­ nomics und gibt dort Kurse zu Themen wie „Inno­ vation“ und „Kreativität“. Für ihn ist „Serendipity“ kein Glücksfall, auf den man geduldig warten muss, sondern Serendipity ist quasi ein Schwein, das man mästen kann. Der Zufall begünstigt nur einen vorbe­ reiteten Geist, könnte man auch sagen. Der Autor verwendet so gut wie alle seiner fast 400 Buchseiten dazu, nachvollziehbar und sehr fundiert darzulegen, wie man seine Wahrnehmung auf einen Geistesblitz à la Serendipity vorbereitet. Jedes Buchkapitel bietet am Ende eine Liste von Ratschlägen und kleinen Experimenten, wie man es wahrscheinlicher machen kann, von einem Serendi­ pity-Gedanken im richtigen Moment „getroffen“ zu werden. Trainer könnten aus den Informationen, die dieses Buch bietet, locker das Konzept für ein dreitägiges Seminar (Titel: „Serendipity Workout“) ableiten. Wer von einer überraschenden Entde­ ckung heimgesucht werden will, muss gut beobachten können und in der Lage sein, das Beobachtete kritisch auf der Basis von Fachwissen zu würdigen. Außerdem darf auch die Fähigkeit zum Assoziieren nicht unterentwickelt sein. Man muss Verbindungen sehen können, wo andere nur Löcher sehen. Sehr hilfreich ist es auch, Tagebuch zu füh­ ren und sich mit schlauen Leuten seines Fachs zu vernetzen und mit ihnen regelmäßig darüber zu fachsimpeln, was das „Unerwartete“ sein könnte. Ratgeber Cultivating Serendipity Dr. Christian Busch: „The Serendipity Mindset – The Art and Science of Creating Good Luck“, Penguin Books, New York 2020, 376 Seiten, 17,70 Euro Gudrun Porath Man muss Verbindungen sehen, wo andere nur Löcher sehen. „ „ Die freie Journalistin Gudrun Porath hat sich auf die zentralen Themen der Personalentwicklung und der Organisationsentwicklung spezialisiert. Sie ist E-Learning- Kolumnistin für www.haufe.de/personal un d Mitglied des Programmbeirats „Corporate Digital Learning Experience“ der Messe „Zukunft Personal Europe“ in Köln. Außerdem schreibt sie regelmäßig für das „Personalmagazin“ und „Wirtschaft + Weiterbildung“.

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