Wirtschaft und Weiterbildung 1/2021

wirtschaft + weiterbildung 01_2021 49 und Elektrizitätsnetze gesteuert würden. Heute werden rund zwei Drittel unseres Energiebedarfs für den Transport genutzt. 2023 werde das E-Auto von den Kosten her wettbewerbsfähig sein. 2025 werde es sogar billiger sein. „Das sind Analysen der Industrie“, so Rifkin. „2028 wird der Wendepunkt sein, wo wir das Ende des Zeitalters der fossilen Energien und den Zusammenbruch der Ölbranche sehen.“ Eine smarte digitale Infrastruktur ver- binde in Zukunft die Menschen weltweit in Echtzeit. Sie habe daher das Potenzial, den Handel zu demokratisieren. Weil die Technologie so billig sei, könne jeder von überall mit anderen Regionen der Welt in- teragieren. Und das alles werde jetzt durch Corona noch beschleunigt. Corona sei nicht die erste und nicht die letzte Pandemie. Dafür gebe es Gründe. „Einer davon ist die Zer- störung der Natur. Vor einem Jahrhundert waren noch 87 Prozent der Welt echte un- berührte Natur, heute sind es nur noch 22 Prozent.“ Die Tiere rückten daher gezwungenermaßen immer enger an un- sere bewohnten Gebiete heran und Viren sprängen über auf den Menschen. Künftig werde es immer wieder Zeiten geben, wo uns ein Virus zwinge, im Haus zu blei- ben und digital zu arbeiten. Dann gebe es eine Impfung und man könne wieder nor- mal leben, bis das nächste Virus komme. Die Digitalisierung ermögliche uns diesen Wechsel zwischen virtuellem und physi- schem Leben. „Bildung, Bildung, Bildung!“ „Die Mission jetzt ist Bildung, Bildung und Bildung“, fordert Rifkin. „Wir müs- sen die Pädagogik ändern und die junge Generation für neue Beschäftigungsmög- lichkeiten vorbereiten.“ Die wichtigste Lektion sei es jedoch zu erkennen und zu akzeptieren, dass keiner von uns au- tonom sei. Der Klimawandel und die Pandemie zeigten uns, dass alles, was wir als einzelner Mensch täten, einen Effekt auf jedes andere Lebewesen und unser Ökosystem habe. Dabei sei er „vorsichtig hoffnungsvoll, aber nicht naiv“, weil in den letzten Jahren Millionen junger Men- schen für einen Klimawandel gestreikt hätten. Beeindruckend an dieser Bewe- gung sei, dass eine ganze Generation zu- sammenkomme. Die Technologie sei da, der Markt bereit für eine klimaneutrale Wirtschaft. Jetzt bräuchten wir noch den politischen Wil- len in jeder Region, uns selbst zu organi- sieren und die entsprechende Infrastruk- tur bereitzustellen, unser Schulsystem zu transformieren und die junge Generation auf die erforderlichen neuen Fähigkei- ten vorzubereiten. Dabei würden zwar viele unserer Jobs, auch die von hoch- qualifizierten Wissensarbeitern, künftig von Robotern mit künstlicher Intelligenz übernommen werden, aber die resiliente Wirtschaft biete auch viele neue Mög- lichkeiten. „Roboter und künstliche In- telligenz können keine Fenster isolieren, Windräder aufstellen oder Unterseekabel verlegen“, sagt Rifkin. Dafür brauche es qualifizierte Arbeiter. Die wichtigsten Jobs entstünden jedoch in der Planung. Es werde Millionen an- spruchsvolle Jobs im öffentlichen Ge- sundheitswesen, in der Katastrophenhilfe und im Management von Migrantenströ- men geben, auf die wir noch nicht vor- bereitet seien. Dabei sei es auch wichtig, zu verstehen, dass wir Menschen das so- zialste Lebewesen der Welt und unsere Gehirne auf soziale Bindungen ausgelegt seien. „Wir sind ein empathisches Lebe- wesen“, so Rifkin. Das sehe man gerade bei Klimakatastrophen und der Pande- mie. Die Menschen hielten zusammen, sie würden einander großzügig helfen. Kein Zentralismus mehr Und natürlich sei jede Krise auch eine Chance. Seit 15 Jahren unterrichte er an der Wharton School in einem fünf­ wöchigen Kurs Vorstände aus Wirt- schaftsunternehmen. Am Abend des ersten Tages gebe er ihnen die Aufgabe, über die größte Krise nachzudenken, die ihr Unternehmen in der Zukunft treffen könnte. Am nächsten Morgen kämen sie dann oftmals nervös zurück. Am nächs- ten Abend sollen sie dann über die Chan- cen nachdenken, die diese größte Krise für ihr Unternehmen bringen könnte. Das setze völlig neue Ideen frei. „Wir haben derzeit die größte Krise der Menschheit und auch die größte Chance“, behauptete Rifkin. Wir bräuch- ten aber neue Formen der „Führung“. „Jeder Einzelne muss die Verantwortung für seine Region erkennen und entspre- chend mit anderen zusammen agieren“, so der Zukunftsforscher. „Es gibt keine zentralisierte Lösung für die Welt.“ Bärbel Schwertfeger Jeremy Rifkin. Der amerikanische Wirtschaftsprofessor (Wharton School der Universität von Pennsylvania) gilt als Visionär einer Wasserstoffwirtschaft. Foto: ERIC PIERMONT / Kontributor / gettyimages.de

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