Wirtschaft und Weiterbildung 1/2021

wirtschaft + weiterbildung 01_2021 35 zwar Hinweise auf Probleme, die im Veränderungsprozess auftreten (könn- ten), jedoch ohne konkrete Lösungs- vorschläge zu unterbreiten. Beim Auswerten der Befragung zeigte sich: Es hängt weitgehend vom Inhalt ab, ob sich Führungskräfte durch das Voice unterstützt fühlen. Äußern Teammitglie- der Ideen, Meinungen und Vorschläge, wie Veränderungen (noch) besser um- gesetzt werden können, verknüpft mit konkreten Umsetzungsvorschlägen (lö- sungsorientiertes Voice), nehmen Füh- rungskräfte dies als Unterstützung wahr. Sie lassen sich zudem durch die vom Team oder im Team geäußerten Ideen in- spirieren und zeigen selbst ein stärkeres Engagement für die Umsetzung der Ver- änderungen. Vorsorgliche Kritik ohne Lösungsideen ist sinnlos Anders verhält es sich, wenn Teammit- glieder auf Probleme hinweisen, die bei der Umsetzung von Veränderungen auf- treten könnten, ohne konkrete Lösungs- vorschläge zu artikulieren (vorbeugendes Voice). Dies empfanden die befragten Führungskräfte nicht als Unterstützung. Auch weitere Forschungserkenntnisse aus dem Bereich Voice legen vielmehr die Vermutung nahe, dass Führungskräfte ein solches Voice eher als ein weiteres Pro- blem wahrnehmen, das nun auf ihren Schultern lastet. Es besteht die Gefahr, dass sie • den Hinweis als persönliche Kritik er- fahren und unwirsch reagieren, • den Mitarbeiter als „Nörgler“ oder „Blockierer“ einstufen • den Einwand oder Hinweis schlicht missachten. Dies ist gefährlich, denn der Hinweis auf solche Probleme, die sich bei der Umset- zung zeigen (könnten), ist oft durchaus sachlich begründet, und die Mitarbeiter verfolgen durch ihr Äußern das Ziel, die Umsetzung der Veränderungen zu verbes- sern. Deshalb kann ein Missachten dieses Voice zu einem späteren Zeitpunkt nega- tive Auswirkungen auf den Erfolg haben. Nicht selten haben Hinweise auf (po- tenzielle) Probleme sogar eine höhere Erfolgsrelevanz als Ideen und Verbesse- rungsvorschläge, da sie oft zeitkritischer sind. Trotzdem stoßen sie bei den Füh- rungskräften eher auf eine negative Re- sonanz. Sammeln Mitarbeiter diese Erfahrung, besteht die Gefahr, dass sie künftig ihre Bedenken nicht mehr artikulieren. Hie­ raus erwächst schnell ein Milieu, in dem niemand seine Bedenken mehr offen äußert, obwohl das Gros der Mitarbei- ter bereits insgeheim denkt: Dieser Weg führt nicht zum Ziel. Deshalb erfolgt auch keine Kurskorrektur. Doch letztendlich ist niemand überrascht, wenn es schließlich zum Beispiel offiziell heißt: Das Projekt ist gescheitert. Eine solche Entwicklung ist weder im In- teresse der Führungskraft, noch des ge- samten Unternehmens. Deshalb sollte ein zentrales Ziel bei Changevorhaben sein, in dem betroffenen Bereich eine belast- bare Kommunikationskultur einzuüben und zu festigen, • in der die Mitarbeiter ihre Bedenken und Anregungen frei äußern, • Innovationsbereitschaft und Kreativität gefördert, • organisationales Lernen stimuliert • und so letztlich auch die Leistung des gesamten Teams erhöht wird. Das ist bei organisationalen Verände- rungsprozessen besonders wichtig, weil bei ihnen Planungs- und Umsetzungs- fehler schnell fatale Folgen haben. Also sollte das Wissen des Teams aktiv genutzt werden, um Ineffizienzen und Fehler früh zu erkennen und, sofern nötig, Kurskor- rekturen vorzunehmen. Von zentraler Bedeutung ist dabei das vorbeugende veränderungsbezogene Voice, bei dem Mitarbeiter den Führungs- kräften Hinweise auf Probleme geben, die im Veränderungsprozess auftreten (könn- ten). Bei ihm sollten Führungskräfte nicht – zum Beispiel weil sie gestresst sind – in ein Reiz-Reaktions-Muster verfallen, bei dem sie Äußerungen ihrer Mitarbeiter automatisch negativ bewerten oder blo- ckieren. Sie sollten vielmehr lernen zu reflektieren, welche Haltung dem Voice zugrunde liegt: Sind die Probleme, auf die die Person hinweist, mehr oder min- der plausibel begründet und das Resultat eines Mitdenkens, also ein Ausdruck von Engagement, dann sollte die Führungs- kraft das Voice grundsätzlich wertschät- zend anerkennen, selbst wenn der Mit- arbeiter keinen Lösungsweg aufzeigt und die Führungskraft sogar dessen Einschät- zung nicht teilt. Situationsabhängig sollte die Führungs- kraft das vertiefende Gespräch mit dem Mitarbeiter suchen, das Problem zu einem Agendapunkt im nächsten Team- Meeting machen oder andere Wege des Umgangs und der Problemlösung finden und dem Mitarbeiter so direkt oder in- direkt das Feedback geben: Deine Rück- meldung, dein Input ist wichtig. Dies ist entscheidend dafür, dass der Mitarbeiter einen Anreiz sieht, auch künftig sein Voice zu artikulieren und sich weiter an der Umsetzung der Veränderungen zu be- teiligen. Chefs sollten differenziert reagieren Ein produktiver Umgang mit dem Voice der Mitarbeiter, erfordert auch Rückgrat seitens der Führungskraft – nicht nur, weil sie sich kontroversen Auseinander- setzungen mit ihren Mitarbeitern stellen muss. Das Lösen der aufgezeigten Pro- bleme erfordert vielmehr oft auch, Ent- scheidungen zu überdenken, bei denen die Entscheidungsbefugnis auf höheren Führungsebenen liegt. Das heißt, die Füh- rungskraft muss die angesprochenen The- men ihrerseits mit ihrer Führungskraft besprechen und sich dabei dem Risiko aussetzen, dass diese hierauf reserviert oder gar negativ reagiert. Insofern hängt die Antwort auf die Frage, ob in einem Bereich mit dem Voice der Mitarbeiter an- gemessen umgegangen wird, auch davon ab, ob im Gesamtunternehmen eine gute Führungskultur besteht, die eine wert- schätzende und offene Kommunikation fördert oder erschwert. Stefanie Faupel „Führungskräfte sollten viel öfter das vertiefende Gespräch mit ihren Mitarbeitern suchen.“ Stefanie Faupel

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