Wirtschaft und Weiterbildung 1/2021
personal- und organisationsentwicklung 30 wirtschaft + weiterbildung 01_2021 In der zweiten Hälfte der 2010er-Jahre entstand in der Szene der professionellen Personal- und Organisationsentwickler ein Mainstream, der bestimmte Auffas- sungen fast dogmatisch zum Must-have und konträre Ansichten zur Old School PE und OE sollten nicht zu hoch fliegen PE/HR-SZENE. Voller Übermut stieg Ikarus, eine Figur aus der griechischen Mythologie, in die Lüfte, das Wachs seiner Flügel schmolz und er fiel ins Meer. Auch in Deutschlands Unternehmen fliegen manche HR-Akteure „der Sonne entgegen“. Sie sollten sich über einen Absturz nicht wundern, warnt unser Autor jene OE- und PE-Verantwortlichen, die zu einer „einseitigen, moralisch überhöhten Mitarbeiterorientierung“ neigen. Foto: CHBD / gettyimages.de erklärte. Die sozialen Medien dienten dabei eher als Echokammer denn als Dis- kussionsforum. Im PE- und HR-Management sind sich seither viele einig, dass die Zukunft der Arbeit eine Melange aus schönen Zutaten ist: Agilität, New Work, Purpose, Unbos- sing und je nach Geschmack noch weitere Zugaben. Im Grunde verlangte es bereits die Französische Revolution von 1789: Liberté, Égalité, Fraternité. Alles zielt in eine Richtung und die wird mit dem Wort „People“ am besten zusammengefasst. Aus humanistischen Erwägungen und wegen absehbarer demografischer Eng- pässe können Organisationen und ihre Topmanager gar nicht mehr anders, als die Mitarbeiter zum Kristallisationspunkt von Entscheidungen zu machen. Selbst wenn es graduelle Abstriche bei diesem zugegeben überspitzt formulierten Welt- bild gibt (etwa in Krisensituationen), ist die Einseitigkeit und damit das Ausblen- den weiterer Wirklichkeiten eine kaum zu übersehende Entwicklung in vielen Personalbereichen. Es gibt zwei Verstärker: Zum einen die Anmaßung moralischer Überlegenheit gegenüber anderen, vermeintlich minder- wertigen Positionen – mal unterschwel- lig, mal ausdrücklich. Und zum Zweiten lassen sich stets Studien finden, die zwar kaum jemand durchliest (dann wür- den viele akademische Wenn und Aber auffallen), die aber als unumstößlicher akademischer Beweis dienen, quasi als unumstößlicher „proof of concept“. Der doppelte Einwand, dass es in einer diver- sen Welt auch andere Werte und Interes- sen gibt und dass Wissenschaft ein nie endender Suchprozess ist, wird beiseite gewischt. Es gibt derzeit eine Mehrheit der Personaler, die diese People-Story als Erfolg versprechend empfinden, und sich rasch einig sind: Anders geht es nicht mehr! Es geht nur noch so.
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