Wirtschaft und Weiterbildung 1/2021

oft auch einer Verzerrung“, argumentiert der Coursera-Chef. Wer einen traditio- nellen Studiengang besuche, bekomme seinen akademischen Titel nur, wenn er das Studium auch erfolgreich beendet. Der Abschluss sei daher entscheidend. Doch der Abschluss sein nicht immer relevant. Es gebe Weiterbildungen und viele Wissensbereiche, die einfach aus zwingenden Gründen keinen Abschluss benötigten, so Maggioncalda. Wenn Nutzer einen kostenlosen Kurs belegten, beendeten ihn ungefähr zehn Prozent. Wenn sie für den Kurs zahlen müssten, seien es schon rund 50 Prozent. Wer auf Wunsch seines Arbeitgebers einen Kurs belege, beende ihn zu 60 Pro- zent. Und wenn der Kurs auch noch in die Personalentwicklung einbezogen sei, seien es sogar 90 Prozent. Das sei ziem- lich genau die Quote bei akademischen Online-Abschlüssen. „Es hängt davon ab, warum man lernt und wie der Abschluss in Sachen Karriere weiterhilft“, meint der Coursera-CEO. Aber viele fangen unver- bindlich an: „Mehr als 60 Prozent derje- nigen, die einen Online-Degree erwerben, starteten mit einem kostenlosen Kurs.“ „Try before you buy“ Bei Coursera gelte eben das alte Marke- tingprinzip „Try before you buy“. Damit könne der Nutzer erst einmal in Ruhe te- sten, wie ihm der Kurs oder der Professor gefällt. Daher werde für Coursera auch die „Aufstockbarkeit“ (Stackability) der Angebote immer wichtiger. Vor diesem Hintergrund werden längere Programme in kleinere Module zerlegt, die man sich selbst zusammensetzen kann. Das funk- tioniert inzwischen auch über Colleges und Universitäten hinweg. Fast 400 Hoch- schulen nützen die Onlinekurse anderer Hochschulen für ihren eigenen Lehrplan. Rund 75 Prozent dieser Hochschulen, speziell in Indien und Lateinamerika, bieten dabei ihren Studenten auch Cre- dits für Coursera-Kurse an. So kann zum Beispiel ein Student in Indien einen Kurs am MIT belegen, der ihm dann auf sein Studium in Indien angerechnet wird. Dabei entscheidet laut Coursera stets die Hochschule, was zu ihrem Angebot und Anspruch passt. Eine weitere Entwicklung verfolgt derzeit die University of Michigan, die bereits mehrere „aufstockbare“ Hochschulab- schlüsse bei Coursera anbietet. „Jetzt fan- gen sie an, auch zwischen den Studien- gängen zu mischen“, freut sich Maggion- calda. „Dann kann man Kurse aus dem Master of Public Health mit Kursen aus dem Master of Data Science kombinie- ren, um so etwas wie eine interdiszipli- näre Aufstockbarkeit zu bekommen.“ Die Möglichkeit, einzelne Kurse als Basis für längere Programme nützen zu können, sei daher nicht nur eine Marketingstra- tegie, um neue Teilnehmer anzulocken, sondern auch eine für Praktiker gute Lernstrategie. Coursera for Business! Coursera ist sich sicher: „Jede Hoch- schule braucht die Kompetenz, Online­ kurse anbieten zu können, seien es ei- gene oder fremde.“ Es sei aber keine Schande, sich als Universität helfen zu lassen. Vielmehr sollten die Bildungsan- bieter mit Coursera kooperieren und ihre Energie besser dafür einsetzen, einzigar- tige Inhalte zu produzieren. Unis müssten sich darauf fokussieren, was sie gut kön- nen und die Lücken gezielt mit Partneran- geboten schließen. „Onlinelernen wird auch nach der Pan- demie bleiben“, prophezeit CEO Jeff Maggioncalda. „Wir bieten eine Online- bildungsplattform, die den Universitäten und Bildungsanbietern hilft, bei der digi- talen Transformation erfolgreich zu sein.“ Das beste Argument für Coursera ist laut Maggioncalda deshalb: Mit einer funkti- onierenden Onlineplattform nutzen die Universitäten insbesondere jenen Berufs- tätigen, die es sich jetzt und in Zukunft einfach nicht leisten können, ihren Job für eine (noch so notwendig) Weiterbil- dung aufzugeben. Bärbel Schwertfeger

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