Wirtschaft und Weiterbildung 1/2021

aktuell 12 wirtschaft + weiterbildung 01_2021 Nicht wenige Berater, Trainer, Speaker und Coachs bezeichnen und vermarkten sich selbst als „Quer- denker“. Damit machen sie sich neuerdings für mögliche Kunden ausgesprochen suspekt – spätestens seit die sogenannte Querdenker-Bewegung aus Stuttgart regelmäßig zu sogenannten „Anti-Corona- Demos“ aufruft. Ich gestehe, ich war noch nie ein Freund der selbsternannten „Querdenker“ unter den Beratern, Trainern, Coachs und Speakern, denn die meisten von ihnen, die ich bisher traf, waren eher „Phantasten“ und weder ausgesprochen gute Geradeaus- noch intelligente Querdenker. Aber sie waren felsenfest davon überzeugt, dass die zu Hause im stillen Kämmerchen entwickelten Gedanken revolutionär, bahnbrechend, atem­ beraubend und einzigartig seien. Faktisch waren sie jedoch meist eher Ausdruck einer narzisstischen Persönlichkeit oder zeugten von einer geringen Marktkenntnis. Zudem war das „Quer-gedachte“ in der Regel kaum „durch-dacht“ – also voller Ungereimtheiten und Widersprüche. Mein Rat war: Lieber „be-denken“ und „durch-denken“ als „quer- denken“. So weit meine ganz persönliche Geschichte, die erklären soll, warum sich bei mir stets die Nacken- haare kräuseln, wenn mich ein Berater anruft, der sich selbst als „Querdenker“ bezeichnet. Dann denke ich fast automatisch: Vorsicht, ein schwie- riger Kandidat! So weit so gut. Doch seit dem Ausbruch der Coronapandemie in Deutschland, seit die Querdenker-Bewegung immer wieder zu Demonstrationen aufruft, bei denen alle möglichen verwirrten Geister lautstark ihre Beden- ken gegen die Corona-Politik der Bundesregierung äußern, verstehe ich nicht mehr, wie sich Berater gleich welcher Couleur auf ihrer Webseite oder in ihren Social-Media-Accounts selbst noch als „Quer- denker“ bezeichnen können. Ebenso könnten sie dort schreiben: „Ich bin ein Spinner.“ Und allerspätestens seit der bayerische Minister- präsident Markus Söder angeregt hat, dass der Verfassungsschutz sich stärker mit der Querdenker- Bewegung befassen sollte, muss eine solche Selbstattribution von allen Berater- Webseiten verschwinden – außer deren Inhaber wollen ihr Geschäft endgültig ruinieren. Zumindest bei Unternehmen erzeugen sie mit dem Etikett „Querdenker“ nur unnötigen Erklärungsbedarf, der dann womöglich in der Aussage gipfelt: „Ich bin wirklich nicht gemein- gefährlich!“ Einigen der selbsternannten Querdenker, die ich kenne, dürfte es schwerfallen, das Selbstklebe- Etikett „Querdenker“ von ihren Webseiten zu entfer- nen, denn sie sind regelrecht in das Selbstbild „Ich bin ein Querdenker“ verliebt. Ihnen empfehle ich auf ihrer Webseite oder in ihrem Linkedin- oder Xing- Account, den Hinweis zu platzieren „Ich bin zwar ein Querdenker, doch ohne Aluhut.“ Gastkommentar Wer will denn jetzt noch Querdenker sein? Bernhard Kuntz Bernhard Kuntz ist der Gründer und Inhaber der Agentur „Die Profilberater GmbH“, Darmstadt, die Bildungs- und Beratungsanbieter beim (Online-)Marketing unter- stützt. Er ist Autor unter anderem der Bücher „Die Katze im Sack verkaufen“, „Fette Beute für Trainer und Berater“ und „Warum kennt den jeder?“. www.die-profilberater.de Lieber „be-denken“ und „durch-denken“ als „quer-denken“ „ „

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