Wirtschaft und Weiterbildung 2/2021
training und coaching 42 wirtschaft + weiterbildung 02_2021 vor sich auf den Tisch. Schwächt die Si- tuation das Vertrauen, zeigt der Spieler das mithilfe einer „Minus“-Karte und der entsprechenden Prozentzahl an. Auch „Null“-Prozent kann man wählen. Dann hat die geschilderte Situation keine Aus- wirkungen auf das Vertrauen des Spielers. Sobald sich alle entschieden haben, wer- den die Karten und damit die Bewertun- gen offengelegt und jeder beschreibt, wie er zu seiner Bewertung kam. In unserem Beispiel könnte ein Spieler der Beispielsituation eine „Null“ geben. Das heißt, das Ganze hat für ihn keine Auswirkung auf das Vertrauen in das Team und den Teamleiter. Er denkt sich: „Fehler passieren. Bestimmt hat der Teamleiter im Stress vergessen, den be- treffenden Kollegen einzuladen und wird es noch rechtzeitig nachholen.“ Ein an- derer könnte die Situation mit „minus 60 Prozent“ bewerten. Sein Gedanke könnte sein: „So fängt es an. Zufällig wird je- mand übergangen. Das ist bestimmt eine dieser Gemeinheiten, missliebige Perso- nen auszubooten. Ich muss aufpassen, ob ich nicht auch mal vergessen werde.“ Die einzelnen Teammitglieder lernen durch dieses Spiel, Situationen zu re- flektieren, sie nach ihren Maßstäben zu bewerten, den anderen Teammitgliedern zuzuhören und so ein Verständnis für deren Bedürfnisse zu entwickeln. Jede der vorgefertigten „Situationskarten“ be- schreibt eine Situation, die sich vertrau- ensstärkend oder vertrauensschwächend auf die Spieler auswirken könnte. Jede Situation adressiert einen unterschiedli- chen Vertrauensaspekt. Zum Beispiel gibt es noch folgende Situationen: • „Sie werden in das Aufgabengebiet Ihrer Kollegin eingearbeitet, weil diese einen Reha-Aufenthalt vor sich hat. Sie bekommen mit, wie Ihre Kollegin ge- genüber Ihrer Chefin äußert, Sie seien der Aufgabe nicht gewachsen.“ • Ihr Meetingraum wird technisch neu ausgestattet. Sie wissen nicht, wie Sie das neue Konferenztelefon bedienen sollen. Ihr Kollege erklärt es Ihnen.“ • Sie benötigen für die Teilnahme an einer Ausschreibung eine Kostenkal- kulation von Ihrem Kollegen. Die Frist läuft in zwei Stunden ab. Der Kollege meldet sich nicht.“ Die vorgegebenen „Situationen“ dienen lediglich dazu, den Einstieg in das Spiel zu erleichtern und die Spieldynamik zu erkennen. Ist diese den Mitspielern be- kannt, beschreiben alle eigene Situatio- nen aus ihrer Praxis und geben diese in die Spielrunde. Dann kann es durchaus „richtig“ tief in die Gefühle reingehen beim Vertrauensaufbau. So entsteht Dynamik Der zweite Bestandteil des Kartenspiels sind die „Handkarten“, die jeder Spieler auf der Hand hält. Mit diesen bewertet er die Auswirkung auf sein persönliches Vertrauensniveau, das die vorgestellte Situation hat. Haben sich die Spieler entschieden, legen sie ihre positive oder negative Prozentzahl vor sich verdeckt auf den Tisch. Auf ein Kommando wer- den die Karten gleichzeitig offengelegt. So bleibt bis zur Offenlegung jede Bewer- tung geheim und hat keinen Einfluss auf die anderen. Der Geheimnisfaktor ist bei Das Kartenspiel „Trustease“ verfolgt den Zweck, Teams dabei zu unterstützen, ei- nander (noch mehr) zu vertrauen. Wenn es nach Patrick Lencionis geht (Best- sellerautor von „Five Dysfunctions of a Team“), dann ist Vertrauen die Grundlage jeder Teamarbeit. Lencionis schreibt: „Er- forderlich ist, dass die Teammitglieder sich verletzlich einander zeigen, sich öff- nen und sagen, wer sie sind.“ Vertrauen entsteht also auch dadurch, dass jeder etwas von sich preisgibt – zum Beispiel wann er ernsthaft gekränkt und deshalb bereit wäre, sich aus einem Team zurück- zuziehen. Beispiele eröffnen Diskussion Da es den meisten Menschen schwerfällt, etwas Wesentliches von sich zu berich- ten, hilft das Trustease-Spiel den Spieler gezielt auf die Sprünge, sich über emotio- nale Situationen auszutauschen. Und das geht so: Drei bis sechs Spieler, die Mitglie- der eines Teams sind, sitzen zusammen an einem Tisch. Es wird eine „Situations- karte“ gezogen, auf der eine Begebenheit beschrieben wird, die fiktive Teammit- glieder erleben. Beispielsweise steht auf einer Karte: „Eine Teambesprechung wird kurzfristig anberaumt. Ein Teamkollege wird nicht darüber informiert.“ Jeder Mitspieler überlegt nun für sich, wie stark die geschilderte Situation sein Vertrauen in das Team stärkt oder schwächt. Stärkt die Situation das Ver- trauen um 20, 40, 60, 80 oder 100 Pro- zent, legt er zwei entsprechende Karten (nämlich zum Beispiel die Karte „plus“ und die Karte „60 Prozent“ verdeckt (!) Teamtraining: Vertrauen spielerisch entstehen lassen DVCT-AWARD. Die Kielerin Meike Christiansen wurde Ende vergangenen Jahres für ihr Konzept „Trustease“ mit dem Coaching & Training Award 2020 des Deutschen Verbands für Coaching und Training (DVCT) ausgezeichnet. Herzstück von „Trustease“ ist ein Kartenspiel, das die Vielfältigkeit von Menschen berücksichtigt und gleichzeitig durch seine Einfachheit im Einsatz überzeugt.
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