Wirtschaft und Weiterbildung 2/2021
R wirtschaft + weiterbildung 02_2021 39 41 Prozent der Unternehmen ab 100 Mit- arbeitenden in den USA wollen in 2021 ein neues Learning-Management-System (LMS) kaufen oder Geld in ein bestehen- des LMS investieren. Das hat der reprä- sentative „Training Industry Report“ der Fachzeitschrift „Training Magazine“ he- rausgefunden. Nicht nur die seit einem Jahr andauernde Coronapandemie hat dem digitalen Lernen einen Schub gege- ben. Neue LMS-Anbieter haben Innova- tionen entwickelt und drängen auf den Markt. Auch wer in Deutschland eine Lernplattform zur betrieblichen Weiter- bildung sucht, sieht sich einer großen technischen Vielfalt und immer attrakti- veren Features gegenüber. Die klassische Abgrenzung vom Learning-Management- System (LMS) zum Learning-Experience- System (LXP) verschwindet langsam aber sicher, da die Anbieter ihre Systeme stän- dig weiterentwickeln und Funktionen er- gänzen. Compliance als Treiber für LMS Wie alles begann: Getrieben von der Notwendigkeit, eine Vielzahl von Mit- arbeitenden zu schulen, um gesetzliche Vorschriften zu erfüllen, entstanden die klassischen Learning-Management-Sys- teme (LMS). Dabei ging es primär um das Lernen von vorgegebenen Inhalten, um die Verwaltung von E-Learning-Kursen, die Präsentation von Kurskatalogen, das Organisieren von Veranstaltungen und das Nachverfolgen der Lernaktivitäten der Nutzer. Ein LMS war dazu da, auto- matisch anzuzeigen, wer bis wann wel- che Unterweisung zu absolvieren hatte, den entsprechenden Lerninhalt auszu- liefern und im Anschluss ein Zertifikat auszustellen. Entsprechend breit vertre- ten waren LMS zunächst bei Kunden wie Versicherungen und Banken, die beson- ders hohen Compliance-Anforderungen unterlagen und entsprechend aufwändig und nachvollziehbar sehr viele Mitarbei- tende schulen mussten. Aber auch andere Branchen hatten einen hohen Bedarf an wiederkehrenden Pflichtthemen wie „Da- tenschutz“, „Informationssicherheit“, „Geldwäsche“, „AGG“, „Lebensmittel- hygiene“ oder der „Nutzung von Dienst- fahrzeugen“. Die Technologie der Lern- plattformen konzentrierte sich auf die Administration und wurde speziell auf das Kundenunternehmen angepasst. Das hatte zur Folge, dass die Benutzerfreund- lichkeit für die Lernenden und auch für die Personalentwicklung ins Hintertreffen geriet, je größer und umfangreicher die Systeme wurden. Der konsequente Weg vom LMS zum LXP Mit Aufkommen des Cloud Computing wurden auch die Learning-Management- Systeme in die Cloud verlagert. Das schuf einen Markt für „Learning-Experience- Plattformen“ (LXP). Diese Plattformen nahmen für sich in Anspruch, den Ler- nenden in den Mittelpunkt zu stellen, indem sie eine bessere Nutzbarkeit der Plattform und auch erweiterte Lernmög- lichkeiten versprachen. Nutzer sollten damit sowohl auf vorgegebene interne Lerninhalte zugreifen können als auch externe Lerninhalte der verschiedensten Formate integrieren – beispielsweise Pod casts oder Youtube-Videos oder selbst gestaltete Lerninhalte – und diese Lern- häppchen sogar mit den Kollegen teilen. Das autonome, selbstgesteuerte Lernen erfährt damit eine neue Qualität, denn die Nutzer entscheiden und kontrollieren ide- alerweise selbst, welche Inhalte sie sehen wollen. Nicht nur für die Nutzer bedeuten LXPs mehr Kontrolle. Da diese Plattformen in der Regel über die Schnittstelle „xAPI“ verfügen, kann das Lernverhalten wie auch die Auswahl an Lerninhalten nach- vollzogen und von einem Algorithmus für eine zusätzliche Empfehlung weiterer Lerninhalte genutzt werden. Neben dem Nutzerverhalten können auch Daten aus dem Nutzerprofil sowie Daten zur Job- rolle und zum Karriereweg in die Perso- nalisierung des Lernens einfließen. LXPs nehmen für sich mehr noch als LMS in Anspruch, die zentrale Quelle für Wissen und Lernen in einem Unternehmen zu sein. Der Anspruch gründet sich auch auf die Möglichkeiten zum Social Learning, denn diese Plattformen integrieren Tools zum kollaborativen Lernen und zumWis- sensaustausch. Neben den „reinen“ LMS- und LXP-Platt- formen gibt es zurzeit immer mehr An- bieter, die Unternehmen eine einzige Lö- sung für das gesamte Human Capital Ma- nagement versprechen. Lernplattformen, Talentmanagement und Personalverwal- tung von einem Anbieter zu beziehen, soll den Vorteil haben, nicht mit Integra- tionsproblemen konfrontiert zu werden. Allerdings sind Experten wie David Wil- son, Gründer und Chef des Marktanalys- ten Fosway Group, überzeugt, dass bei diesen Angeboten selten wirklich alle Einzelbestandteile gleichermaßen „gut“ sind. Wilson rät, genau abzuwägen, ob der Vorteil einer Gesamtlösung den mög- lichen Integrationsaufwand von Systemen verschiedener Anbieter überwiegt. Die Plattformökonomie des Lernens Die deutschen Anbieter von Lernplattfor- men, die aus dem klassischen LMS-Markt kommen, bauen mittlerweile LXP-Funkti- onen in ihre Plattformen ein und nutzen dazu Microservices oder APIs. Die LMS- Funktionalitäten wie „Delivery Service“ und „Eventmanagementsysteme“ wer- den zum Beispiel bei der Karlsruher Ti- me4You GmbH um Social Learning Tools gezielt ergänzt. Ein Chatbot hilft dem Nutzer weiter, wenn er Fragen hat. Die Saarbrücker IMC AG hat ein 180-Grad- Feedback in ihre Plattform integriert, um Kurse von den Teilnehmenden und deren Vorgesetzten schneller bewerten lassen zu können. Die Haufe Akademie in Freiburg bietet auch ein LMS an, das auf ein LXP als Ergänzung setzt. Bei Be- darf lassen sich beide Teile via Scorm- Konnektor verbinden. Mit dem „HLX“ genannten LXP sollen Inhalte nicht nur aggregiert, sondern auch das besondere Know-how von Mitarbeitenden sichtbar gemacht und verschiedene Communities in die Unternehmensplattform integriert werden. Als reinrassiger LXP-Anbieter versteht sich das Start-up „Masterplan“, das be- kräftigt, dass man alle Lernaktivitäten vom Lernenden her gedacht habe. Die Masterplan-Gründer kommen nicht aus der Welt des E-Learnings und entspre- chend spielen auch die Feinheiten der Mediendidaktik keine große Rolle. Alles dreht sich um die Erfolgsstrategien der Plattformökonomie, die jetzt auf das
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