Wirtschaft und Weiterbildung 2/2021
wirtschaft + weiterbildung 02_2021 35 einen Dispatcher und die Auftragsvergabe nach dem Pull-Prinzip durch die Commu- nity der Konfliktbearbeiter. Wöchentlich findet ein Meeting zum gemeinsamen Austausch statt: Woran arbeite ich? Wo brauche ich Unterstützung? Zu den nächsten Aufgaben gehören die Umsetzung der Gesamtbetriebsver- einbarung zum Betrieblichen Konflikt management mit dem Gesamtbetriebsrat sowie die Entwicklung eines Evaluations systems für interne Konfliktbearbeitung. Mediatives Konfliktmanage- ment Teil der Firmenkultur Seit August 2019 ist das Dialogging in mehr als 150 Konflikten tätig geworden. Pro Woche werden etwa sechs bis acht Anfragen gestellt – vieles ist Konfliktbera- tung. Seit der Pandemiesituation kommen auch psychosoziale Spannungen bei Ein- zelnen und Teams hinzu. Die aktuelle Hypothese lautet deshalb: In- zwischen wissen Mitarbeitende, an wen sie sich im Konfliktfall wenden können, und die große Anzahl von Konfliktbear- beitungen spricht für eine Kulturverän- derung. Die Systelaner trauen sich, Un- terstützung zu holen, und erkennen die Klärung der Konflikte als hilfreich für sich und das eigene Team an. Alle internen Konfliktbearbeiter – die Dialogger – führen zweimal jährlich so- genannte „Konfliktmuster-Workshops“ durch. Mit Hilfe eines Design-Thinking- Ansatzes werden die bearbeiteten Kon- flikte menschenzentriert aus der Bedürf- nisperspektive betrachtet: Welche Be- dürfnisse und Interessen wurden/werden nicht erfüllt? Die Ergebnisse werden mit der Geschäftsführung und den unterneh- mensinternen Teams für Organizational Design Research (menschenzentrierte Organisationsentwicklung beruhend auf einem mit der Stanford University entwi- ckelten feedbackbasierten iterativen Vor- gehen) und Corporate Culture geteilt. Ein erstes Resümee Es brauchte Zeit und auch die Erfahrung von schnell hoch eskalierten Konflikten, bis das Potenzial eines betrieblichen Konfliktmanagements breit anerkannt wurde. Konflikte in selbstorganisierten Teams können schneller eskalieren und haben oft eine höhere Konfliktdynamik, da sie weniger „gedeckelt“ werden kön- nen. Augenhöhe, „Abschaffung“ der klassischen Führungskraft, „altes“ und „neues“ System nebeneinander gehören zu den Alltagserfahrungen und führen zu hoher Verunsicherung auf allen Ebenen, vor allem der Führungsmannschaft. Die bisherige Art der Führung, die sich auf wenige Führungskräfte konzentriert und Konflikte im Eskalationsfall an die hö- here Hierarchieebene delegiert, löste sich auf. Konflikte wurden begünstigt: durch unklare Zuständigkeiten, durch Verlet- zung systemischer Ränge oder Erleben eines Machtvakuums sowie aufgrund hoher Geschwindigkeit und Komplexität der Veränderungen. Eine agile Transfor- mation ist nicht nur ein Kulturwandel- projekt, sondern auch eine angeordnete Persönlichkeitsentwicklung. Das führt zu inneren Konflikten. Interaktion vor Prozessen und Tools ist einer der Grund- werte agilen Arbeitens. Innovation be- nötigt Austausch und Reibung verschie- dener Meinungen. Nachhaltig tragfähige Entscheidungen entstehen durch Mei- nungsvielfalt und Diversität, das heißt, es braucht Zeit und Unterstützung durch die Entwicklung einer neuen Konfliktkultur. Eine Verankerung von mediativem Kon- fliktmanagement im Systemdesign der Organisation unterstützt nachhaltig die Partizipation der Mitarbeitenden in ihrer Arbeitsplatzgestaltung, ermöglicht frühzeitige Konfliktprävention und die Etablierung einer neuen Streitkultur im Miteinander, um Unternehmen innovati- onsfähig und flexibel zu halten, und er- möglicht das Lernen der Organisation aus strukturellen Konflikten. Elke Schwertfeger, Christian Bähner, Manuela Peter, Ulrike Blumenschein Ulrike Blumenschein begleitet seit mehr als 25 Jahren in v e r s c h i e d e n e n Rollen Menschen in Veränderungspro- zessen. Sie ist Wirtschaftsmediatorin mit Erfahrung in Konfliktmoderation, Mediation, Kulturwandel, Organisati- onsentwicklung, Teamentwicklung. DB Systel GmbH Jürgen-Ponto-Platz 1 60329 Frankfurt am Main ulrike.blumenschein@deu tsche- bahn.com AUTORIN Manuela Peter ist als Volljuris- tin im HR-Team Labour Law & Employment Con- ditions als Expertin für Arbeitsrecht tätig. Als Mediatorin und Konfliktbe- arbeiterin ist sie in der „Dialogging“- Community der DB Systel und im Mediatorenpool der Deutschen Bahn engagiert. DB Systel GmbH Jürgen-Ponto-Platz 1 60329 Frankfurt am Main manuela.m.peter@deutschebahn.com AUTORIN DB Systel. Der Sitz der DB-Tochter befindet sich neben dem Frankfurter Hauptbahnhof im „Silberturm“ der Deutschen Bahn. Foto: Deutsche Bahn AG
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==