Wirtschaft und Weiterbildung 2/2021
personal- und organisationsentwicklung 28 wirtschaft + weiterbildung 02_2021 Richtigkeit. Entsprechend hilflos sind sie, wenn ihre Mitarbeiter sie mit ihren „Wa- rum-Weshalb-Wieso“-Fragen bestürmen. Dann können sie oft nur antworten „Wir müssen zurzeit coronabedingt sparen“ oder „Wir müssen halt andere Prioritäten setzen“. „Sandwich-Manager“ stehen an der emotionalen Front Eine Antwort, mit der sich ihre Mitarbei- ter meist nicht zufriedengeben – speziell dann, wenn ihre Fragen mit existenziel- len Sorgen und Nöten verknüpft sind, wie zum Beispiel: • Wie lange muss ich eigentlich in dieser Krise noch kurzarbeiten und beziehe ich deshalb aufs Jahr gesehen ein ge- ringeres Gehalt? • Wird mittelfristig unser Bereich dicht- gemacht und muss ich dann unter Umständen auch mit einer Kündigung rechnen? • Wird mein mühsam erdachtes und ge- rade gestartetes Projekt auf Eis gelegt, von dem ich mir auch einen Karriere sprung versprach? Die „Sandwich-Manager“ müssen oft Zuversicht ausstrahlen („Es wird schon nicht so schlimm“) und von der Krise als Chance schwadronieren, obwohl sie sich selbst ähnliche Fragen stellen. Nicht we- nige fühlen sich dann als Heuchler oder gar als Verräter gegenüber ihren Mitarbei- tern, mit denen sie aufgrund der jahre- langen Zusammenarbeit auch emotional verbunden sind. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie ahnen, dass auf der Vor- stands- oder Geschäftsführerebene schon viel weitreichendere Kursänderungen dis- kutiert werden – zum Beispiel der in der Krise erforderliche Rückzug aus gewissen Geschäftsfeldern, die Schließung von Fi- lialen und Niederlassungen, die Fusion mit einem Mitbewerber oder ein massiver Personalabbau. Solche Themen werden in den Chef etagen vieler Unternehmen hinter ver- schlossenen Türen bereits diskutiert, weiß Professor Georg Kraus, der ge- schäftsführende Gesellschafter der Un- ternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal, der nahezu täglich Strategie- meetings auf der Vorstandsebene mode- riert. Denn selbstverständlich müssen die Top-Entscheider in den Unternehmen solche Szenarien durchspielen. Welche Konsequenzen hätte es für unser Unter- nehmen, … • wenn das Thema Corona -zum Bei- spiel, weil das Virus mutiert- uns noch jahrelang begleitet, • wenn sich im Gefolge der Coronapan- demie das Kaufverhalten unserer Kun- den radikal ändert, • wenn ein Mitbewerber aufgrund unse- res gesunkenen Börsenkurses und un- serer geringen Liquidität eine feindliche Übernahme probiert? Und selbstverständlich müssen sie auch prüfen, welche Handlungsoptionen man hätte, wenn das Szenario A, B oder C eintritt. „Das gehört schlicht zum Job der Unternehmensführer“, sagt Dr. Kraus la- konisch. Offen im Mitarbeiterkreis über ihre strategischen Überlegungen spre- chen, das können, ja dürfen die Top-Ma- nager aber nicht – insbesondere, wenn ihr Unternehmen börsennotiert ist. Denn „Bei uns geht es seit Monaten wie in einem Bienenschwarm zu. Das Ganze ist eigentlich nur noch ein Sauhaufen“, bricht es aus dem Abteilungsleiter hervor, der in einem weltweit agierenden Kon- zern arbeitet. Dann plötzlich ergießt sich ein scheinbar endloser Wortschwall über seinen Gesprächspartner: Der Abteilungs- leiter ist abgrundtief enttäuscht von der oberen Führung in seinem Unternehmen. Er fühlt sich seit Monaten nicht nur ex trem gefordert, sondern oft auch überfor- dert – vor allem, weil er selbst nicht weiß, wie es mit dem Konzern weitergehen soll. Und der Abteilungsleiter ist emotional ausgesprochen stark verletzt, weil er sich von seinen unmittelbaren Vorgesetzten auf unschöne Art und Weise im Stich ge- lassen fühlt. Ähnliche Erfahrungen sam- melt man zurzeit häufig, wenn man mit sogenannten „Sandwich-Managern“ in den Unternehmen spricht. Es bedarf oft nur eines geringen Anstoßes und schon bricht sich der über Monate angestaute Frust gegenüber einem mitfühlenden Zu- hörer ungefiltert Bahn. Seine Wurzeln hat dieser Frust laut Aus- sagen des Managementberaters Joachim Simon aus Braunschweig meist primär in der „Sandwichposition“, in der sich besagte Führungskräfte befinden. Sie müssen auf der operativen oder mittle- ren Ebene alle Beschlüsse der Unterneh- mensleitung und ihrer unmittelbaren Vorgesetzten nicht nur an ihre Mitarbeiter weitergeben, sondern auch verteidigen. Das gebietet ihnen ihre Loyalitätspflicht. Zugleich wissen sie aber oft selbst nicht, warum diese getroffen wurden – und sie zweifeln nicht selten selbst an deren Mittelmanager in der Krise nicht allein lassen FÜHRUNG. Je länger die Coronakrise andauert, umso mehr bröckelt die Identifikation der Mitarbeiter mit ihrem Arbeitgeber. Der Grund liegt oft darin, dass die mittleren Führungskräfte zu wenig mit ihren Angestellten kommunizieren. Die „Sandwich-Manager“ sind schlicht überfordert, fasst der Autor dieses Fachartikels die Beobachtungen namhafter Berater zusammen.
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==