Wirtschaft und Weiterbildung 2/2021

wirtschaft + weiterbildung 02_2021 21 Stoss. Ein weiteres Modul beschäftigt sich mit der Schaffung eines Wir-Gefühls im Team. Dafür habe man die vorhandene Forschung gesichtet und ein eigenes Tool entwickelt, mit dem sich der Teamspirit messen lässt, sagt Stoss. Auch beim Advanced Management Pro- gram (AMP) spielt Psychologie eine we- sentliche Rolle. „Ohne Psychologie geht nichts, vor allem bei den obersten Füh- rungskräften“, erklärt Professor Thomas A. Gutzwiller, akademischer Direktor der Henri B. Meier Unternehmerschule an der Universität St. Gallen. Beim AMP machten psychologische Inhalte daher mehr als 50 Prozent aus. „Ein Topma- nager muss nicht nur das beste System haben, sondern er muss auch der Beste für das System sein“, so Gutzwiller, der als Unternehmer selbst eine große Trans- formationsberatung geleitet hat. Das Cur- riculum besteht aus sieben Modulen mit insgesamt 29 Tagen und erstreckt sich über drei Jahre. Dazu gehören je zwei Module zur Persönlichkeitskompetenz und Unternehmensentwicklungskompe- tenz sowie drei Intensiv-Workshops „Sich selbst führen“, „Selbstkompetenz und Unternehmenskultur“ sowie „Existenti- elles Leadership“. Die Kurse können auch einzeln gebucht werden. Die jeweils 30 Teilnehmer haben zehn oder mehr als zehn Jahre Führungserfahrung und sind zwischen 45 bis 50 Jahre alt. Theoretische Konzepte werden empirisch überprüft „Führungskräfte brauchen eine Kenntnis davon, wie Menschen funktionieren“, betont Gutzwiller. Doch viele hielten Psychologie für so was wie Magie und Voodoo. Wichtig sei daher die richtige Herangehensweise. Psychologie baue ge- nauso wie die Betriebswirtschaft Begriffs- systeme auf, hinter denen theoretische Konzepte stünden, die empirisch über- prüft würden. In dem Programm vermittle man zu- nächst kognitiv Konzepte wie zum Bei- spiel die transformationale Führung. Nach einem kognitiven Input beginne man mit niederschwelligen Übungen. So sollen die Teilnehmer zum Beispiel in Zweiergruppen ein prägendes Ereignis in ihrem Lebenslauf schildern. Es folgen weitere Übungen zur persönlichen Ent- wicklung und ein Gruppencoaching. „Topführungskräfte müssen nachhaltig leistungsfähig sein“, betont Gutzwiller. Er erkennt vier Bereiche der persönlichen Entwicklung: physisch (zum Beispiel Schlaf oder den Umgang mit Suchtmit- teln), relational (zum Beispiel Vernetzung mit anderen und die emotionale Aufla- dung durch andere), mental (Konzentra- tion und Abschalten können) und spiritu- ell (Wofür bin ich hier?). Führungskräfte müssten sich in all diesen vier Dimensi- onen kontinuierlich weiterentwickeln. „Ein guter Judokämpfer kann auch nicht einfach aufhören zu trainieren, wenn er fit bleiben will“, so der Professor. „Wir erklären den Teilnehmern, dass sie jeden Tag die Möglichkeit haben, in ihren In- teraktionen zu üben.“ Auch wenn das natürlich nicht jeder hundertprozentig umsetze, sei das Feedback sensationell. Derzeit läuft das Programm wegen der Coronakrise digital, auch wenn das nicht optimal sei. „Gerade Topmanager wollen gern eine Woche raus und neue Men- schen und Sichtweisen kennenlernen“, weiß Gutzwiller. An der WHU – Otto Beisheim School of Management, wo es bisher nur ein reines Leadership-Programm gab, nahm man die Coronapandemie als Anlass für das neue Online-Programm „Leading beyond the crisis“, das erstmals im November an- geboten wurde. Der Kurs mit kurzen syn- chronen Online-Sitzungen zog sich über drei Wochen und soll künftig auf fünf Wochen gestreckt werden. Inhaltlich geht es vor allem um zwei Bereiche: Zunächst erhalten die Teilnehmer die Gelegenheit, mit Begleitung eines Executive Coaches ihre individuellen Herausforderungen als Führungskraft in einer kleinen virtu- ellen Gruppe zu besprechen. In intensiver interaktiver Arbeit entwickeln sie dabei Strategien zum Umgang mit den beson- deren Herausforderungen in der aktuellen Krisensituation. Ergänzend dazu findet eine inspirie- rende Session zum Thema „Führung in der Krise“ statt. Grundlage dafür bildet ein Stück von William Shakespeare. Im zweiten Teil gibt es verschiedene Kurz- workshops mit renommierten Führungs- experten aus Wissenschaft und Praxis, die einen Einblick in ihre persönlichen Kenntnisse und Erfahrungen bieten. Der Kurs richtet sich an Manager mit mindes­ tens zehn Jahren Führungserfahrung. Coaching gleich ganz praktisch einüben „Die Resonanz war sehr gut“, freut sich Rebecca Winkelmann, Geschäftsführerin der WHU Executive Education. Als neues Programm für erfahrene Führungskräfte ist ein Präsenzkurs „The Essence of Coa- ching for Senior Leaders“ geplant. Dort sollen die Teilnehmer lernen, wie sie Coa- ching „authentisch zu ihrem Führungs- stil“ hinzufügen können. „Sie sollen Grundtechniken des Coachings für ihren Führungsalltag lernen und diese während des Kurses auch gleich bei einem Coach anwenden.“ Geplant sind drei Präsenz- module mit zweieinhalb bis drei Tagen. Dass sich deutsche Business Schools in ihren Kursen bisher kaum mit psycholo- gischen Themen beschäftigen, sieht die WHU-Managerin nicht. Psychologische Komponenten gebe es schon immer. Dazu gehöre auch die Beschäftigung mit der eigenen Person. Winkelmann: „Das war schon vor der Coronakrise wichtig, jetzt kommen eben noch ein paar weitere Aspekte und Herausforderungen dazu.“ Bärbel Schwertfeger Buchtipp. Amy C. Edmondson: „Die angstfreie Organisation: Wie Sie psychologische Sicherheit am Arbeitsplatz für mehr Entwicklung, Lernen und Innovation schaffen“, Verlag Vahlen, München 2020, 196 Seiten, 34,90 Euro. Das Buch beschreibt den Zusam- menhang zwischen psycholo- gischer Sicherheit und hoher Leis­ tung. Es ist ein praktischer Leitfa- den, um Leistung und Innovationen zum Gedeihen zu bringen, weil sich die Menschen sicher, aufgehoben und geschätzt fühlen. Unsicherheit besser ertragen

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