Wirtschaft und Weiterbildung 2/2021
titelthema 20 wirtschaft + weiterbildung 02_2021 Korotov. „Wir vermitteln unseren Teilneh- mern Forschungsergebnisse aus verschie- denen Bereichen der Psychologie wie der Kognitions- oder Sozialpsychologie und diskutieren, was das für sie als Führungs- kraft bedeutet.“ Da gehe es dann um Fra- gen wie: Warum folgen Menschen einem Leader? Warum brauchen sie Sicherheit? Und warum wollen sie verstehen, was passiert. Welche Rolle spielt das Bedürf- nis, einer Gruppe anzugehören? Die Coronapandemie hat manche The- men stärker in den Vordergrund gebracht. Es geht laut Korotov um Fragen wie: „Wie kann ich damit umgehen, wenn ich mei- nen Mitarbeitern als Führungskraft keine Sicherheit mehr geben kann?“, „Wie in- tegriere ich ein neues Mitglied ins Füh- rungsteam, wenn ein persönliches Tref- fen nicht möglich ist?“, „Wie reagiere ich, wenn jemand beim virtuellen Meeting seine Kamera nicht anschalten möchte?“ oder „Wie wirkt sich das Homeoffice auf die Mitarbeiter aus?“. Viele Mitarbei- ter erfüllten ihren Job zwar super, aber wenn sie kein Feedback bekämen, fingen sie an zu grübeln“, erklärt der ESMT- Professor. Sie dächten dann: „Mache ich meinen Job gut? Stehe ich schon auf der Abschussliste?“ Führungskräfte müssten daher mehr Feedback geben. „Das ist alles keine Raketenwissenschaft, son- dern eine grundlegende psychologische Erkenntnis“, so der Berliner Verhaltens- experte. Thema sind auch die persönlichen Prä- ferenzen und das Verständnis für die ei- gene Persönlichkeit. Dabei nutze man das wissenschaftlich fundierte Persönlich- keitsmodell der „Big Five“. Damit sind die fünf wesentlichen Persönlichkeitsmerk- male gemeint. Die Teilnehmer erfahren dann zum Beispiel, was passiert, wenn eine Führungskraft mit einem hohen Wert beim Faktor „Offenheit“, die sich schnell an neue Situationen anpassen kann, auf einen Mitarbeiter trifft, bei dem dieser Faktor nur gering ausgeprägt ist. Sie ler- nen, dass dieser Mitarbeiter einfach mehr Zeit braucht, um mit einer neuen Situa- tion klar zu kommen. Ausgangspunkt sind die Erfahrungen der Manager „In Deutschland haben wir das Konzept des Professionalismus, bei dem man auf seinen bereits vorhandenen Fähigkeiten aufbaut“, erklärt Korotov. „Beim Thema Psychologie sind die Manager jedoch wie- der Lehrling.“ Das sei ein Widerspruch, der manchmal Ablehnung auslöse. Daher starte der ESMT-Kursleiter immer mit der Erfahrung der Teilnehmer. Ihnen fehle zwar oft das psychologische Wissen, aber dafür hätten sie viel praktische Er- fahrung. Im nächsten Schritt vermittle man die psychologischen Theorien und das entsprechende Vokabular. „Wenn die Teilnehmer dann bestätigt bekommen, dass ihr Verhalten richtig ist, gewinnen sie wieder Sicherheit“, so der Professor. Ein Tag des viertägigen Programms ist dem Gruppencoaching und der Reflexion des Gelernten gewidmet. „Die Teilnehmer erarbeiten für sich, welche Verhaltens- weisen und welches Vorgehen sie eher stoppen oder ausbauen sollten“, erklärt Korotov. Eine wesentliche Rolle in dem Kurs spiele der Erfahrungsaustausch untereinander. Daher lege er auch großen Wert auf eine möglichst heterogene Teilnehmergruppe, bei der der 50-jährige Investmentbanker zum Beispiel auf den 30-jährigen Star- tup-Unternehmer treffe. Bisher fand das Programm zweimal im Jahr mit jeweils maximal 25 Teilnehmern statt. Im Jahr 2020 wurde es wegen Corona nur einmal im November mit zwölf Teilnehmern auf dem Campus durchgeführt. Komplett on- line möchte Professor Korotov den Kurs nicht anbieten. Natürlich könne man viele Inhalte auch online vermitteln, aber da fehle eben doch der persönliche Aus- tausch in den Pausen oder beim Abend- essen. Auch der Part mit einem Improvi- sationskünstler, der die Kursteilnehmer genau beobachte und sie dann auf der Bühne spiegele, falle leider weg. Von Anfang an als Online-Kurs angelegt ist dagegen das erstmals im Februar an- gebotene Programm „Leading High Per- formance Teams in the Digital Age“ an der Executive School der Universität St. Gallen. Angeboten wird der Kurs vom «Competence Center for Top Teams“ am Research Institute for International Ma- nagement. Man forsche schon seit vie- len Jahren zum Thema Team und habe – angelehnt an das St. Galler Manage- ment Modell – das St. Galler Top Team Modell entwickelt, erklärt Stephanie Stoss, neben den Professoren Winfried Ruigrok und Tomas Casas eine der drei Direktoren des Competence Center. Nach dem ersten Lockdown habe man eine Umfrage bei 340 Teams gemacht, wie sie in der virtuellen Welt zurechtkämen und welche Probleme es beim Umstieg gebe. Daraus sei das Programm entstanden. Es besteht aus sechs Modulen mit jeweils einer virtuellen Live-Session und einer Transfer-Session pro Woche. Jedes Modul hat einen Wissensteil und einen Teil zur Umsetzung, bei dem die Teilnehmer auch die entsprechenden Tools genau kennen- lernen. Dabei spielt die Psychologie eine wesent- liche Rolle. So geht es in dem Modul „Psy- chology of Teams & Deep Level Diversity“ darum, die psychologische Zusammen- setzung von Teams besser zu verstehen. Deep Level Diversity umfasse die Unter- schiede, die – wie Geschlecht oder Alter – nicht so einfach erfassbar seien wie etwa Persönlichkeit, Werte oder Glau- benssätze, erklärt Direktorin Stoss, die zu dem Thema promoviert hat und forscht. Wenn zum Beispiel alle Teammitglieder Alphatiere seien, die eine hohe Motiva- tion zur Zielerreichung hätten, gebe es auch automatisch ein hohes Konflikt- potential. Wichtig sei es zusätzlich, den Unterschied zwischen eher sach- oder menschenorientierten Teammitgliedern zu kennen. Während erstere sich auf die Aufgabe konzentrierten, wollten letztere erst einmal gemeinsam mit dem Team brainstormen. Treffen beide aufeinander, kann es bei den eher sozial und emotio nal Orientierten schnell zu Frustration kommen. „Denen fehlt dann die Wert- schätzung und der gute Teamspirit“, so R „ Manager sollten lernen, wie sie Coaching authentisch zu ihrem Führungsstil hinzufügen können.“ Rebecca Winkelmann
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