Wirtschaft und Weiterbildung 2/2021
wirtschaft + weiterbildung 02_2021 15 Bergmann. „Die meisten denken gar nicht mehr nach, was sie wollen und machen nur noch das, was man eben so macht.“ Bergmann suchte händeringend einen Weg, der das bisherige Modell der Erwerbsarbeit hinter sich lässt. Arbeit sollte erfinderisch, nachdenklich sein Kernstück der „Neuen Arbeit“ könnte laut Bergmann die Pro- duktion in kleinen Werkstätten sein, wo man allein oder zu- sammen mit anderen Menschen intelligentere, schlichtere und billigere Produkte baut. Bergmann plädiert für eine nachhaltige Wirtschaft mit der Abkehr vom Konsumwahn und mit regio- nalen Versorgungsgemeinschaften. „Arbeiten wird sehr wichtig in der Zukunft sein“, glaubt Bergmann. „Aber nicht die Arbeit, an die wir gewöhnt sind, sondern eine sehr andere Art zu ar- beiten, in der das Erfinderische, das Nachdenkliche und das Erdenken von etwas Neuem eine größere Rolle spielt.“ Als in der Stadt Flint im Bundesstaat Michigan in den 1980er Jahren die großen Fabriken von General Motors geschlossen wurden und die Arbeitslosigkeit anstieg, gründete er dort 1984 das erste „Zentrum für Neue Arbeit“. Für die Arbeiter war es völlig ungewohnt, plötzlich darüber nachzudenken, was sie aus eigenem Antrieb machen wollten. Aber es gab trotz allem auch Erfolgsgeschichten, wie die von einem Fließbandarbei- ter, der eine Yogaschule eröffnete. Später entstanden welt- weit einige Zentren der „Neuen Arbeit“ - zum Beispiel auch in deutschsprachigen Ländern. Zu einer Bewegung ist seine „Neue Arbeit“ jedoch nicht geworden. Dafür hat der Begriff „New Work“ jetzt in Deutschland Karriere gemacht. Als sich die Mutterfirma „Xing SE“ des beruflichen Netzwerks „Xing“ im Jahr 2019 in „New Work SE“ umbenannte, schrien Berg- manns Anhänger laut auf. „New Work steht in einem inten- siven Spannungsfeld zwischen seinen sozialrevolutionären, kapitalismuskritischen Wurzeln und der Hybris von Beratern, die auf alles New Work kleistern, was nicht bei Drei auf den Bäumen ist“, kritisierte der Psychologe Markus Väth, der sich als Co-Founder des Think-Tanks „Humanfy“ intensiv mit Berg- manns Konzept auseinandergesetzt hatte. Bergmann selbst könne wegen seines Alters nicht mehr in den Streit der Begriff- lichkeiten eingreifen, so Väth. Der kantige Philosoph kritisierte seine Jünger Ihm blieben nur noch einige wenige Live-Auftritte wie bei der „Xing New Work Experience 2017“ in Berlin, wo der kantige Philosoph die versammelte New-Work-Prominenz charmant, aber deutlich wegen der Verunstaltung seines Konzepts kri- tisierte. Und auch in dem Videointerview vom August 2020 verweigerte er charmant, aber hartnäckig die „erwünschten“ Antworten, die einen Bezug von seinen Ideen zu einem kom- merziellen Business-Netzwerk hätten herstellen können. Bärbel Schwertfeger Titelheld. Im September 2018 gab Bergmann unserer Schwes terzeitschrift „Personalmaga zin“ ein ausführliches Interview zum Thema „New Work“.
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