Wirtschaft und Weiterbildung 2/2021
menschen 14 wirtschaft + weiterbildung 02_2021 JUBILÄUM. Der amerikanische Philosophieprofessor Frithjof Bergmann gilt als Urheber des Begriffs „New Work“, der heute zwar in aller Munde ist, dessen kapitalismuskritische Wurzeln aber nur die Wenigsten kennen. Bergmann suchte sein Leben lang nach einer alternativen Wirtschaftsform jenseits von Kapitalismus und Kommunismus. „Mit der Pandemie ist das Verlangen nach etwas Neuem, Ur- sprünglichem und noch nicht Bekanntem, etwas, das weder Kapitalismus noch Sozialismus ist, größer geworden“, erklärte Frithjof Bergmann im August 2020 in einem Videointerview. Vielleicht werde sich sein Konzept von der „New Work“ jetzt durchsetzen, meinte er. „Ich glaube in sehr praktischer Weise, dass jetzt eine neue Zeit angebrochen ist“. Das Interview führte er mit zwei Managern der Plattform „Xing“. Er habe nie erwartet, dass seine Arbeit überhaupt so viel Aufmerksamkeit bekomme. Zwar habe er an sehr renom- mierten Unis unterrichtet, aber dort habe man ihm immer wie- der nahegelegt, er solle aufhören, über „unvernünftige Dinge“ zu schreiben und sich lieber mit Hegel und Nietzsche beschäf- tigen. Harte Kinderarbeit prägte Bergmann Das Konzept der „Neuen Arbeit“ liegt wohl auch in seinem eigenen Lebensweg begründet. Und der ist alles andere als gradlinig. Geboren wird er im Jahr 1930 in Sachsen. Weil seine Mutter Jüdin ist, übersiedelt die Familie 1935 nach Hallstatt im Salzkammergut, wo sein Vater als evangelischer Pfarrer tätig wird. Die Mutter versteckt sich erfolgreich vor den Nazis. Frith- jof ist das dritte von fünf Kindern und muss schon als Zehn- jähriger auf den Bauernhöfen der Umgebung hart arbeiten. Nach dem Krieg im Jahr 1949 nimmt der 18-jährige Gymnasi- „New-Work“-Erfinder feierte seinen 90. Geburtstag ast Bergmann an einem Aufsatzwettbewerb teil und gewinnt als Hauptpreis ein einjähriges Universitätsstipendium in den USA. Danach schlägt er sich als Tellerwäscher, Preisboxer und Hafenarbeiter durch und lebt fast zwei Jahre als Selbstversor- ger auf dem Land. Später schreibt er Theaterstücke, bekommt ein weiteres Stipen- dium für ein Literaturstudium und verfasst seine Abschluss- arbeit über Hegel. Nach seiner Promotion in Philosophie an der Universität Princeton unterrichtet er an mehreren renom- mierten Universitäten und übernimmt Ende der 50er-Jahre den Lehrstuhl für Philosophie an der University of Michigan in Ann Arbor. „Wir leiden an einer Armut an Begierde“ Immer wieder beschäftigt er sich mit dem Thema Arbeit. Er erkennt für sich, dass weder der Kommunismus noch der Kapi- talismus der richtige Weg sei und entwickelt das Gesellschafts- konzept der „Neuen Arbeit“. Bergmann hält Lohnarbeit für krank und propagiert, dass die Menschen einer Tätigkeit nachgehen sollten, die sie „wirk- lich, wirklich“ wollten. Denn die „schlimmste Krankheit“ sei es, dass so viele Menschen ihre Begabungen nicht ausleben könnten. Leider wüssten die meisten Menschen nicht, was sie „wirklich, wirklich“ wollen sollten. „Wir leiden unter dem, was Hegel als die Armut der Begierde bezeichnet hat“, erklärt Friedhjof Bergmann. Am 24. Dezember 2020 beging der Philosoph seinen 90. Geburtstag. Viele seiner Anhänger gratulierten über die Wiener Website „New Work – New Culture“ (NWNC). Ab dem Jahr 1958 lehrte Bergmann an der University of Michigan in Ann Arbor Phi losophie. 1999 wurde er emeritiert. Foto: Pressebox
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