Wirtschaft und Weiterbildung 4/2021

training und coaching 50 wirtschaft + weiterbildung 04_2021 Unternehmen bietet seinen Mitarbeitern die ideale Plattform, um technische Inno- vationen zu entwickeln, dann zieht diese Tatsache allein gewiss Ingenieure mit einem Karma-Glauben an. Anders sieht dies bei potenziellen Mitarbeitern aus, die das Thema Gerechtigkeit beseelt. Sie interessiert eher: Was produzieren Sie? Rüstungsgüter oder Medizintechnik? Und wie sieht die Ökobilanz aus? How – Wie arbeite ich? Das „How“ beschreibt die Art und Weise, also die Strategie und Taktik mit der Men- schen und Unternehmen ihre Ziele er- reichen möchten: community-orientiert, menschenzentriert, strukturgetrieben oder wissensbasiert: Community-orientiert: Nicht wenige Or- ganisationen sind vor allem deshalb so erfolgreich, weil es ihnen gelingt, ein Netzwerk von Förderern und Unterstüt- zern aufzubauen. So wie zum Beispiel die Alumni-Netzwerke vieler privater Hochschulen oder die Fan-Gemeinde von Apple. Auch viele Start-ups haben eine Community, die an sie und ihre Vision glaubt und sie deshalb auch über Plattfor- men wie Kickstarter und Startnext finan- ziell unterstützt. Menschenzentriert: Andere Organisa- tionen erreichen ihre Ziele aufgrund ihrer starken Menschenzentrierung. Sie glauben zum Beispiel, dass eine Unter- nehmenskultur, die den Mensch „Mitar- beiter“ in den Mittelpunkt stellt, zu den besten Ergebnissen führt; oder dass Un- ternehmen, die den Kunden als Mensch konsequent in den Fokus ihres Bestrebens stellen, nachhaltig Erfolg haben. Strukturgetrieben: Strukturgetriebene Unternehmen glauben an den Markter- folg durch standardisierte Abläufe und Prozesse, Vorgaben und Regelungen. Sie legen zum Beispiel auf das Erfüllen ge- wisser Normen und Qualitätsstandards sowie das Erlangen bestimmter Zertifi- kate einen hohen Wert. Wissensbasiert: Organisationen, die über Wissen am Markt erfolgreich sein wollen, sammeln und analysieren Daten und in- vestieren viel Zeit und Geld in die For- schung & Entwicklung sowie in die Wei- tergabe von Wissen. Jeder dieser Wege spricht unterschiedli- che Menschen an und kann zum Erfolg führen. Daraus resultiert die Frage: Für welches „How“ steht Ihre Organisation primär? Welchen Menschen bietet sie eine Andockstelle, um hieraus ihren per- sönlichen Sinn abzuleiten? Diese Frage zu beantworten, ist wichtig, denn: Je stärker sich Ihre Mitarbeiter außer mit dem „Für wen“ und dem „Warum“ Ihrer Organisa- tion auch mit deren „Wie“ identifizieren, umso selbstverantwortlicher agieren sie und umso bereitwilliger übernehmen sie eigeninitiativ Verantwortung. Sinnerleben in der Praxis In ihrem Privatleben sehen die meisten Menschen ganz selbstverständlich abhän- gig von ihren individuellen Werten einen Purpose oder Sinn – zum Beispiel: Ich möchte • meiner Familie ein behagliches Heim schaffen, • meinen Kindern eine gute Ausbildung ermöglichen und • ein glückliches und erfülltes Leben füh- ren. Damit korrespondieren ihre Lebensziele: das Haus renovieren, damit …, ausrei- chend Geld verdienen, um …, genügend Freizeit haben, um … Meist handelt es sich bei den privaten Zielen um etwas, das sich die Menschen bildhaft vorstellen können, etwas sehr Konkretes. Im Job fehlt ihnen oft eine solche Ausrichtung – auch aufgrund der arbeitsteiligen Prozesse. Im Job fühlen sie sich nicht selten als ein unbedeutendes Rädchen in einem unüberschaubaren gro- ßen Ganzen, das tut, was es tun muss. Einen Sinnzusammenhang sehen sie hierin oft nur mittelbar – zum Beispiel: Ich muss mich und meine Familie ernäh- ren. Das ist an sich nicht negativ, weil dieses Motiv letztlich auch die Fragen „Who“ und „Why“ beantwortet, wenn auch aus Unternehmenssicht eher auf eine ex- als intrinsische Art und Weise. Dessen un- geachtet sind solche Personen oft extrem wertvolle Mitarbeiter, insbesondere wenn es um das Erledigen der operativen All- tagsarbeit geht. Sie bilden sozusagen das Rückgrat vieler Unternehmen. Wenn es jedoch um das Besetzen von Schlüsselpositionen geht, sollten Unter- nehmen auch auf eine purpose-bezogene Passung der Kandidaten achten, denn diese Personen treiben ihre Organisation letztlich voran. So fällt es zum Beispiel Menschen, die beim „Warum“ primär der Faktor Gerechtigkeit interessiert, vermut- lich in einer Non-Profit-Organisation eher leicht, einen Sinn für sich zu kreieren, als im Investmentbanking-Bereich für Super- reiche einer Privatbank. Und eher wenig Engagement und Kreativität werden sie darin zeigen, neue, lukrative Steuerspar- modelle für deren „Top-Kunden“ zu ent- wickeln. Deshalb sollten Unternehmen klar kommunizieren, wofür sie stehen – nicht nur im Bereich Marktbearbeitung, sondern auch Führung. Je klarer diese Kommunikation ist, umso besser kön- nen potenzielle Mitarbeiter antizipieren, welche Möglichkeiten ihnen eine Orga- nisation bietet, für sie persönlich einen Sinn in ihrer künftigen Arbeit zu finden und eine hohe Selbstverantwortung und Eigeninitiative zu zeigen. Umso weniger Zeit und Energie müssen aber auch ihre künftigen Führungskräfte im Arbeitsalltag investieren, um ihren Mitarbeitern den großen Sinnzusammenhang aufzuzei- gen, weil diese von sich aus überzeugt sind „Hier bin ich am richtigen Ort“ und entsprechend stark intrinsisch motiviert sind. Joachim Simon R Joachim Simon ist Führungskräf- tet rainer und Bus ines scoach. Im September 2020 erschien sein Buch „Selbstver- antwortung im Unternehmen: Was Sie als Führungskraft dafür tun können“. Mit dem von ihm konzipierten Online- Programm „Egoleading“ können Füh- rungskräfte die Skills trainieren, die sie im digitalen Zeitalter zum Führen von Menschen brauchen. Joachim Simon Kattowitzer Str. 16 38126 Braunschweig Tel. +49531 35624-86 www.joachimsimon.info AUTOR

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