Wirtschaft und Weiterbildung 4/2021
wirtschaft + weiterbildung 04_2021 47 der Kinder unterrichtet, und die verhal- ten sich ihm gegenüber sehr ehrfürchtig. Später werden sie dann rausgeschickt in die Welt, um sich dort erfolgreich zu be- haupten. Im Moment ist die Yoga-Szene aber eher in einer Phase, in der die gan- zen Gurus verschwinden. Manche Yogis verbreiten regelrechte Heilversprechen. Angeblich verschwin- den viele Krankheiten von selbst ... Broome: Das ist komplett unseriös. Das muss man aber aus der indischen Kul- tur heraus verstehen. Ganz vieles, was da geschrieben wird, hat einfach eine sehr blumige Sprache und wird in Bil- der verpackt, die letztlich eine riesen- große Übertreibung sind. Dann werden bestimmte Übungen als Allheilmittel für alles gesehen. Für mich funktioniert Yoga überhaupt nicht so. Mit Yoga kann ich die Selbstheilungskräfte meines Körpers in einen Zustand bringen, in dem er sich selbst etwas mehr heilen kann, als das bei einem Menschen der Fall ist, der sich nicht bewegt und nicht bewusst atmet. Aber ich kann mit Yoga nicht gezielt eine Krankheit so bekämpfen wie mit einem guten Medikament. Im Gegenteil. Das kann fatale Folgen haben. Freunde von mir sind an Krebs gestorben, weil sie sich einer schulmedizinischen Behandlung entzogen haben. In Ihrem Buch schreiben Sie: „Wichtiger als die Verbindung zu etwas Größerem ist die Verbindung zu dir selbst ...“ Broome: Das ist natürlich ein bisschen provokativ, weil es im Yoga auch oft letzt- lich um die Auflösung in der allumfassen- den Liebe und Ähnliches geht. Als Psy- chologe weiß ich einfach, dass die meis- ten Menschen erst einmal eine Ich-Stärke entwickeln müssen, bevor sie anfangen können, ihr Ego wieder abzugeben. Sie sollten daher erst einmal bei sich selbst beginnen. Ich mag auch nicht den Yoga zur Weltverbesserung. Yoga heißt, du kümmerst dich um dich, und von da aus entwickeln sich viele Dinge von alleine. Wir müssen uns nicht alle zum Gutmen- schen transformieren. Im Yoga heißt es häufig auch, man müsse alles Negative vermeiden oder sogar ausblenden ... Broome: Das ist spiritueller Quatsch. Ich habe damals in New York bei dem bekannten Psychotherapeuten, dem Er- finder der Rational-Emotiven-Therapie, Albert Ellis, gelernt. Er hat immer gesagt, das ganze „positive Denken“ sei so, als wenn man Sahne über einen Haufen Scheiße schmierte. Sie stinkt trotzdem noch. Man muss erst mal sauber machen. Das ist etwas, was in der Yoga-Welt lei- der oft vergessen wird. Jeder Mensch hat auch dunkle Seiten, die er sich anschauen muss, und er muss lernen, damit zu leben. Gerade bei vielen der sogenannten Gurus sind doch unter dem Deckmantel von Spiritualität ganz furchtbare Dinge geschehen, weil sie ihre dunklen Seiten nicht reflektiert, sondern einfach ausge- lebt haben. Aber leider gibt es im Yoga dieses Denken, seine Augen komplett vor allem Leid dieser Welt zu verschließen. Yoga ist auch mit einem gesunden Lebensstil verbunden. Was hilft es mir, wenn ich Ihre Übungen mache, aber mittags meinen Schweinebraten esse und Bier trinke? Broome: Wenn ich anfange, mich mehr um meinen Körper zu kümmern, spüre ich auch stärker, was passiert, wenn ich den Schweinebraten esse. Ich bin voll, kann mich kaum mehr bewegen. Ich werde müde. Meine Verdauung muss viel stärker arbeiten. Dann fange ich irgend- wann an zu hinterfragen, ob der kurze Moment des Genusses eines Schweine- bratens das wirklich wert ist. Und oft- mals entwickelt es sich dann von ganz allein, dass ich weniger Fleisch esse oder weniger Alkohol trinke – nicht aus einem moralischen Konzept heraus oder weil mir das mein Yoga-Lehrer sagt, sondern weil ich spüre, was mir nicht guttut. Das bezieht sich auch auf den Umgang mit den Menschen, die ich nah an mich he ranlasse. Ich fange einfach an, achtsamer mit mir umzugehen. Interview: Bärbel Schwertfeger
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