Wirtschaft und Weiterbildung 4/2021
training und coaching 46 wirtschaft + weiterbildung 04_2021 haben, in die Hilflosigkeit zu gehen und alle Verantwortung abzulegen und ein- fach zu leiden, oder ob wir gelernt haben, auch bei Misserfolg und negativen Er- fahrungen dranzubleiben und weiterzu- kämpfen. Resiliente Menschen sind Steh- aufmännchen. Ich glaube, mit Yoga kann man beide Typen stärken. Aber natürlich ist es für den, der die Erfahrung der Hilfs- losigkeit gemacht hat, schwieriger. Da braucht es Unterstützung psychologisch- beratender Art. Sie haben im November selbst Corona gehabt und waren auch im Krankenhaus. Wie hat Yoga Ihnen dabei geholfen? Broome: Ich hatte eine starke Lungenent- zündung und typische Coronasymptome wie Desorientiertheit und Paranoia. Es hat mir geholfen, mich durch langes und ruhiges Atmen zu beruhigen und in der Zeit, als der Sauerstoffgehalt in meinem Blut kritisch war, darauf zu vertrauen, dass ich nach ein paar Tagen wieder okay sein würde, und ich habe meine Ängste in den Griff bekommen. Sie sind promovierter Psychologe. Wie hängt Yoga mit Psychologie zusammen? Broome: In Indien gibt es den Ayurveda für den Körper und den Yoga für den Geist und damit sind wir bei der Psycho- logie. Yoga bedeutet, über den Körper an unseren Gefühlen und unserem Denken zu arbeiten. Und Psychologie ist die Wis- senschaft vom Erleben und Verhalten. Für mich ist Yoga daher angewandte Psy- chologie, mit der wir den stressgeplagten Menschen unterstützen können, wieder zu sich zu kommen. Sie haben als Yoga-Lehrer auch mit zahlreichen Promis gearbeitet und die deutsche Fußballnationalmannschaft trainiert. Wie kam es dazu? Broome: Da bin ich durch Zufall rein- gerutscht. Ich war um die Jahrtausend- wende in den USA und habe dort Yoga gelernt. Damals wurde dort ein anderer Yoga unterrichtet als in Deutschland, viel dynamischer, sportlicher und athletischer. Etliche Prominente haben das dort ken- nengelernt und wollten es gern auch in Deutschland weitermachen. So wurde ich damals weiterempfohlen. Und wie kamen Sie zur Fußballnational- mannschaft? Broome: Oliver Bierhoff hatte nach seiner aktiven Laufbahn ein Jahr in Los Angeles gelebt und dort Yoga kennengelernt. Als er nach Deutschland zurückkam, wollte er eben diesen Yoga weitermachen. So habe ich ihn kennengelernt. Als er dann mit Jürgen Klinsmann entscheiden konnte, was mit der Nationalmannschaft passiert, hat er es durchgesetzt, dass wir es 2005 einmal mit einer Yoga-Stunde probieren. Die meisten Spieler fanden es gut. Das lief dann ein paar Jahre auf einer freiwilligen Basis. Und wenn neue Spieler dazukamen, war es für die schon selbst- verständlich. Inzwischen gibt es in fast allen Vereinen Yoga-Angebote und die haben alle ihre eigenen Yoga-Lehrer. Haben Sie auch mit Managern gearbeitet? Broome: Hin und wieder wollen Firmen zusätzlich zu ihrer Führungskräfteent- wicklung noch eine Yoga-Klasse. Vor ein paar Jahren, als das Thema Achtsamkeit gerade angesagt war, war ich bei vielen großen deutschen Firmen und habe zum Beispiel bei ihren Jahrestagungen einen kurzen Vortrag zu Achtsamkeit gehalten. Inzwischen ist es wieder weniger gewor- den. Aber es gibt einige Unternehmen, mit denen ich schon lange zusammenar- beite und die auch jetzt virtuell in ihre Tagungen eine Pause von einer halben Stunde einbauen, in der ich mit den Teil- nehmern ein paar einfache Bewegungen mache. Das kommt immer sehr gut an. Schon nach ein paar simplen Atemübun- gen sind die oft wie verwandelt und spü- ren sich zum ersten Mal wieder. Die Yoga-Szene gilt als recht anfällig für Gurus. Woher kommt das? Broome: Da wurde im Westen oft völlig unreflektiert das traditionelle Guru-Sys- tem aus Indien übernommen. Dort ist der Lehrer ein Guru, meist ein älterer Mann, R Hintergrund. Mit seinem neuen Buch möchte Patrick Broome zeigen, dass Yoga etwas für jeden ist. Schon 15 Minuten am Tag sollen genügen, um bewusster und acht- samer zu werden. Vorgestellt werden kurze, aber hochwirksame Yoga- Sequenzen für Anfänger, Yoga-Erfahrene und Fortgeschrit- tene. Die einzelnen Übungseinheiten (Meditation, Atem- übungen, Yoga-Übungen und Entspannung) stammen aus verschiedenen Yoga-Schulen und können individuell kombi- niert werden. Jede Übungseinheit wird mit einfachen Erklä- rungen und mit Fotos und Zeichnungen dargestellt. Patrick Broome ist promovierter Psychologe und Yogaleh- rer und gehört zu den Pionieren des modernen Yoga in Deutschland. Der 52-Jährige unterrichtet seit über 20 Jahren Yoga, bildet internati- onal Yoga-Lehrer aus und leitet mehrere Yoga-Schulen in München. Seit Mai 2005 ist er Yoga-Lehrer der deutschen Fußball- Nationalmannschaft. Yoga – auch für Fußballer Buchtipp. Patrick Broome: „Yoga für dich: So einfach ist es, täglich Yoga zu üben“, Verlag Knaur Balance, München 2020, 176 Seiten, 20,00 Euro
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