Wirtschaft und Weiterbildung 4/2021

training und coaching 44 wirtschaft + weiterbildung 04_2021 Aber wie unterscheidet sich die Kniebeuge, die auch als Übung in Ihrem Buch vorkommt, von einer Kniebeuge bei einer Gymnastikstunde? Broome: Dass wir bei der Gymnastik meist den Atem außer Acht lassen und uns einfach bewegen, das ist der Unter- schied. Entscheidend ist, dass beim Yoga die Bewegung dafür da ist, um tiefer und bewusster zu atmen, und dass der Atem nicht dafür da ist, dass wir uns bewegen, wie wir das beim Sport machen. Das trai- niert unser Herz, bringt den Kreislauf in Schwung und das ist gut für unsere kör- perliche Gesundheit. Das ist alles wun- derbar. Aber das ist nicht das vorrangige Ziel im Yoga. Hier geht es um die psychi- sche Gesundheit, einen klaren Verstand und eine stabile Emotionalität, damit wir nicht so herumgeworfen werden von dem, was uns im Leben passiert. Klingt gut. Und das erreiche ich mit 15 Minuten Yoga täglich? Broome: Ich erreiche mehr, wenn ich das täglich 15 Minuten übe, als wenn ich ein- mal in der Woche für eineinhalb Stunden eine Yoga-Klasse besuche. Dann liege ich zwar erschöpft auf meiner Matte und habe viel körperlichen Stress abgelassen, aber wenn ich wirklich an meinen Denk- gewohnheiten, meinen Ängsten und mei- nen Schwierigkeiten arbeiten will, sind wenige täglich Übungen besser. Wichtig ist es, die Hemmschwelle abzubauen und eine Viertelstunde zur Selbstpflege fest in den Tagesablauf einzuplanen. Das kann wirklich jeder und ich beobachte, dass sich viele dann sogar automatisch mehr Zeit nehmen, weil sie merken, dass es ihnen guttut. Aber wenn ich langsam ein- und ausatme, setze ich mich doch nicht mit meinen Ängsten und Denkgewohnheiten auseinander ... Broome: Doch, weil wir den Körper durch eine bestimmte Art zu atmen, in einen Zustand der Resonanz zurückbringen. Das ist ein relativ neues Konzept aus der Medizin und Hirnforschung. Wenn wir anfangen, ruhig zu atmen, also etwa fünf Sekunden ein- und fünf Sekunden aus- atmen, was deutlich tiefer ist als es die meisten tun, dann kommt die Atemfre- quenz mit der Herzfrequenz, der Hirnfre- quenz und der Verdauungsfrequenz wie- der in Resonanz. Das heißt, es schwingt sich alles wieder ein und der Organismus wird enorm entlastet. Er läuft wieder ruhig und kann sich um all die Probleme und emotionalen Belastungen kümmern. Von Yoga-Lehrern hört man häufig, dass es vor allem wichtig ist, die Asanas möglichst präzise auszuführen. Wer allein nach Ihrem Buch übt, wird nicht korrigiert. Kann ich mir damit nicht auch schaden? Broome: Bis auf die Übungen für Fort- geschrittene, von denen ich Anfängern auch explizit abrate, kann man nicht so viel falsch machen. Wenn es Probleme gibt, liegt das oft an den Übenden selbst, In Ihrem Buch beschreiben Sie zumindest am Anfang ganz einfache Übungen. Da sitzt man auf dem Stuhl und atmet ein und aus. Was soll das bringen? Simplifizieren Sie Yoga damit nicht etwas zu sehr? Patrick Broome: Nein, überhaupt nicht. Der Yoga entfaltet seine Wirkung nicht in körperlichen Verrenkungen, sondern darin, dass ich mich auf den Atem kon- zentriere und der Atem sich mit dem Kör- per verbindet. Da kann es reichen, auf dem Stuhl zu sitzen, die Arme zu heben und bewusst einzuatmen und dann die Arme zu senken und bewusst auszuat- men. Für manche hat das einen beruhi- genderen Effekt – als wenn sie eineinhalb Stunden in einer Yoga-Klasse schwitzen. Für viele ist Yoga etwas, das Anstrengung erfordert und verbunden ist mit dem Ziel, sich bei den Übungen – den sogenannten Asanas – kontinuierlich zu verbessern ... Broome: Das ist nicht Yoga. Yoga gibt es in tausend Facetten und das ist alles in Ordnung. Aber eigentlich ist Yoga eine ganz simple Zelebrierung der Lebenskraft in uns und ein Weg, durch ein bewusste- res Atmen unseren Kopf mal wieder zur Ruhe zu bringen. Da braucht es weder viele Hilfsmittel noch schicke Yoga-Stu- dios und man muss beim Yoga auch nicht schwitzen. Das ist keine Fitness-Übung, sondern eine geistige Übung. Yoga bringt Energie – auch ins Homeoffice ACHTSAMKEIT/GESUNDHEIT. Yoga verhilft zu mehr Achtsamkeit und emotionaler Stabilität. Dafür reichen 15 Minuten einfache Übungen am Tag, behauptet Patrick Broome in seinem neuen Buch „Yoga für Dich“. Im Interview erklärt der bekannte Yoga-Lehrer, was Yoga mit psychischer Gesundheit zu tun hat und warum Yoga auch hilft, besser mit der Coronapandemie und der Arbeit im Homeoffice klarzukommen. „ Der Körper ist gar nicht so wichtig, der Atem muss im Vordergrund stehen.“

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