Wirtschaft und Weiterbildung 4/2021
training und coaching 42 wirtschaft + weiterbildung 04_2021 Und das hilft? Schwarz: Auf jeden Fall. Wer sich fachlich oder sprachlich weiterbildet, ist beschäf- tigt und hat nicht so viel Zeit zu grübeln. Außerdem fördert es die Motivation und Selbstsicherheit. Wenn ich mich immer weiterqualifiziere, bin ich besser gerüstet für die Zukunft. Im Idealfall im jetzigen Unternehmen. Oder wenn ich da keinen Platz mehr haben sollte, hilft mir meine verbesserte Qualifikation dabei, mich auf dem Arbeitsmarkt besser zu verkaufen. Diese Mechanismen sind den Beschäftig- ten durchaus bewusst. Viele Unternehmen stehen aber mit dem Rücken zur Wand ... Schwarz: Da kommen wir zu dem histo- risch perfekten Zeitpunkt. Die Konstella- tion ist doch in vielen Firmen quer durch alle Branchen folgende: Viele Beschäftigte sind zwangsweise in Kurzarbeit und im Unternehmen selbst gibt es kaum liquide Mittel. Doch es gibt Fördertöpfe genau für diese Situation. Für viele der bundesweit rund 33 Millionen sozialversicherungs- pflichtig Beschäftigten bedeutet dies, dass sie sich während der Kurzarbeit ohne fi- nanzielle Nachteile weiterbilden können. Dafür gibt es seit Jahresbeginn einfachere Regeln, was ich sehr begrüße. Sie gelten jetzt auch unabhängig von Betriebsgröße, Qualifikation und Alter der Beschäftigten. Wie und was wird von der Bundesagentur für Arbeit gefördert? Schwarz: Unter die neue Regelung fallen alle Kurse, die während der Kurzarbeit be- gonnen werden, mindestens 120 Stunden dauern und wo der Lehrgang sowie der Träger der Weiterbildungsmaßnahme von der Agentur für Arbeit zertifiziert ist und die Weiterbildung das Fachwissen des Be- schäftigten sinnvoll ergänzt. Ich empfehle den Beschäftigten viel Eigeninitiative zu zeigen, weil die Geschäftsführung und Personaler in den meisten Unternehmen ja mit tausend weiteren Aufgaben in Be- schlag genommen werden. Aufgrund der Kontaktbeschränkungen finden Weiterbildungen seit mehr als einem Jahr meist nur virtuell statt. Wie holprig verlief bei Berlitz die Transformation? Schwarz: Glücklicherweise waren wir bereits vor Corona digital gut aufgestellt. Als Pionier des digitalen Lernens haben wir bereits 2001 das erste virtuelle Klas- senzimmer für Sprachkurse angeboten. Seitdem haben wir unser digitales Weiter- bildungsangebot ständig erweitert – auch weil die Resonanz unserer Firmenkunden gut war und sie immer offener für diese neuen Trainingsformen wurden. Außer- dem kam uns zugute, dass wir im Hin- blick auf unsere eigene Arbeitsorganisa- tion auf den Lockdown vorbereitet waren. Da wir Niederlassungen in Asien betrei- ben, wussten wir durch unsere dortigen Kollegen, was auf uns zukommen würde, da die Länder dort früher in den Lock- down gezwungen wurden. Wir konnten Unternehmen klagen über Umsatzausfall und fehlende Zukunftsperspektiven. Da ist die berufliche Weiterbildung in den Augen vieler Chefs doch gerade ein Luxusproblem … Mattias Schwarz: Ganz im Gegenteil. Aus mehreren Gründen ist dies ein historisch gesehen perfekter Zeitpunkt für Fortbil- dung. Dass die Beschäftigten seit mehr als einem Jahr besorgt und verunsichert sind, ist völlig verständlich und absolut nachvollziehbar. Das bekomme ich in den Gesprächen mit Geschäftsführern und Personalverantwortlichen mit, die um Umsatz, Absatzmärkte, Liquidität und Loyalität der Beschäftigten kämpfen. Und hautnah erlebe ich das natürlich auch als Verantwortlicher von den 2.000 Ber- litz Mitarbeitenden an den bundesweit 54 Standorten selbst tagtäglich. Doch die Frage, die sich alle Personalverantwortli- chen stellen müssen, ist folgende: Wie ge- lingt es mir in dieser wahrlich vertrackten Situation, den Beschäftigten die Unsicher- heit und die Angst zu nehmen? Wie lautet denn Ihre Antwort auf diese Frage? Schwarz: Ganz einfach: Wer seinen Be- schäftigten signalisiert, dass das Unter- nehmen auf sie baut und an eine Zukunft glaubt, nutzt die Zeit der Kurzarbeit jetzt gezielt für die Fortbildung. „ Krise ist der perfekte Zeitpunkt für Fortbildung“ INTERVIEW. „Viel spricht dafür, gerade jetzt in Sachen Fortbildung richtig Vollgas zu geben“, rät Berlitz Geschäftsführer Mattias Schwarz mit Nachdruck Deutschlands Personalern. Der global tätige Weiterbildungsdienstleister ist für 28 der 30 DAX-Konzerne, 36 der 60 MDAX-Unternehmen sowie tausende mittelständische Firmen im Bereich sprachlicher und fachlicher Fortbildung tätig. „ Die Erfahrungen der vergangenen Monate haben bleibende Veränderungen bewirkt.“
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