Wirtschaft und Weiterbildung 4/2021

personal- und organisationsentwicklung 32 wirtschaft + weiterbildung 04_2021 von organisationalen Netzwerken, die in engem Austausch mit ihrer Umwelt ste- hen. Herkunft und Bedeutung des Ökosystemansatzes James Moore führte zur Beschreibung dieser Netzwerke bereits in den 1990er Jahren den Begriff „Business Ecosystem“ ein und übertrug dadurch Konzepte der Biologie und der Systemtheorie Gregory Batesons auf den Wirtschaftskontext. In der Biologie bezeichnet „Ökosystem“ ein ganzheitliches System von organischen und anorganischen Elementen: eine Le- bensgemeinschaft von Organismen un- terschiedlicher Arten, die im Austausch mit ihrer belebten und unbelebten Um- welt stehen und sich einen gemeinsamen Lebensraum teilen. Die Elemente be- einflussen sich gegenseitig. Sie kollabo- rieren, aber stehen auch in Wettbewerb miteinander. Sie teilen sich Ressourcen, entwickeln sich gemeinsam, formieren sich ständig neu, reagieren auf Störungen und passen sich dadurch kontinuierlich an ihre Umwelt an. Diese Merkmale treffen auch auf Busi- ness-Ökosysteme zu. Ein Geschäftsöko- system ist eine ökonomische Gemein- schaft von vielfältigen Akteuren (Organi- sationen, Menschen, Maschinen, digitale Systeme), die miteinander interagieren, Daten austauschen und sich durch ihre Aktivitäten gegenseitig beeinflussen. Sie verfolgen das gemeinsame Ziel ein in- tegriertes Angebot zu schaffen, das ein höheres Leistungs- und Wertversprechen realisiert als die Produkte oder Dienstleis- tungen der einzelnen Akteure. Es entsteht somit eine sowohl vertikal als auch hori- zontal über die verschiedenen Unterneh- men hinweg integrierte Wertschöpfungs- kette, die es ermöglicht, ganzheitliche Lösungen für die Bedürfnisse der Kunden zu entwickeln. Die Vielfalt der Akteure erzielt darüber hinaus eine höhere Inno- vationsrate und Resilienz gegenüber Stö- rungen. In den vergangenen Jahren hat sich das Ökosystemkonzept stark verbreitet und die darin enthaltenen Prinzipien wurden auf die Beschreibung unterschiedlicher inter- und intraorganisationaler Systeme angewendet. Im Zuge der Digitalisierung haben vor allem Plattform-Ökosysteme (zum Beispiel Amazon) an Bedeutung gewonnen, in denen unterschiedliche Akteure (Anbieter, Kunden) mittels einer digitalen Plattform vernetzt sind und da- durch organisationsübergreifend nahtlose und hoch anpassungsfähige Prozesse und Lösungen ermöglichen. Blickt man auf die aktuell vorhandenen Studien und Prognosen, dann zeichnet sich ab, dass sich die Wertschöpfung immer stärker weg von der Einzelorganisation hin zu (digitalen) Business-Ökosystemen verla- Die Begriffe „Learning Ecosystems“ oder Lernökosysteme tauchen in letzter Zeit vermehrt in Diskussionen um aktuelle und zukünftige Entwicklungen im Be- reich „Learning & Development“ (L&D) auf. Die jüngsten Erfahrungen in der Co- ronakrise und der damit einhergehende Digitalisierungsschub haben dies noch einmal verstärkt. Siemens, Audi und IBM nutzen den Ansatz bereits aktiv. Vor die- sem Hintergrund wollen wir einen Blick darauf werfen, woher dieser Ansatz kommt, wodurch er sich auszeichnet und welche Dimensionen bei der Gestaltung von Lernökosystemen wichtig sind. Die Gestaltung von Organisationen als klar abgeschlossene und zentral gesteu- erte Einheiten, die in funktionalen Silos strukturiert sind und sich durch eine aus- differenzierte hierarchische Aufbauorga- nisation auszeichnen, kann den Umwelt- anforderungen (digitale Transformation, zunehmende Veränderungsdynamik, stei- gende Komplexität) nicht mehr gerecht werden. Zielführender ist die Gestaltung Lernökosysteme gestalten WISSENSCHAFT. Der Begriff „Learning Ecosystems“ taucht in jüngster Zeit immer häufiger in Diskussionen um die Zukunft des Lernens auf. Was verbirgt sich dahinter und wie lässt sich der Ansatz zur Gestaltung von Technologie und Organisation in der Personalentwicklung nutzen? Prof. Dr. Anja P. Schmitz lehrt Personalma- nagement an der Hochschule Pforz- heim und forscht unter anderem zu New Work und der Zukunft des Lernens in Organisationen. Davor war sie als Unter- nehmensberaterin sowie in verschiede- nen Positionen im Bereich HR Learning and Organizational Development tätig. Hochschule Pforzheim www.hs-pforzheim.de anja.schmitz@hs-pforzheim.de AUTOREN Jan Foelsing ist New Work- und Learning-Designer. Er hat acht Jahre an der Hochschule Pforzheim gearbeitet und 2019 zusam- men mit Professorin Anja Schmitz das Projekt „Learning Development Institute“ gegründet. Zudem ist er als freier Berater und Speaker sowie im Start-up-Bereich aktiv. Er beschreibt sich selbst als Inno- vations-Junkie und Tool-Nerd. www.janfoelsing.de jan@janfoelsing.de

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