Wirtschaft und Weiterbildung 4/2021

personal- und organisationsentwicklung 28 wirtschaft + weiterbildung 04_2021 einem höheren manuellen Aufwand zu betreiben sind, werden abgebaut oder man lagert sie mit ganzen Prozessschrit- ten aus. Diese Maßnahmen haben aber eine Kehrseite. Die höhere Produktions- effizienz muss dann auf die Zuverlässig- keit und Ausfallssicherheit (zum Beispiel durch Redundanzen) der automatisier- ten Prozesse vertrauen. Auf Grund der komplexen IT- und Softwareinfrastruktur haben die Unternehmen oft nicht mehr das Wissen, um bei Störungen alleine für eine Diagnose des Fehlers, dessen Repa- ratur und einen schnellen Wiederanlauf der Produktion zu sorgen. Ein Rückgriff auf ältere, robustere Maschinen und da- rauf geschultes Personal ist kaum mehr möglich. Auch Probleme in den stark gekoppelten, volldigitalisierten und vernetzten Pro- zessabläufen können sich auf unvorher- gesehene Weise auswirken. So kann zum Beispiel durch einen Software-Defekt oder einen Hackerangriff eine Maschine ausfallen oder vermehrt Ausschuss pro- duzieren. Durch die starke Vernetzung, die komplexen Algorithmen und das unzureichende Wissen kann ein solcher Fehler sehr schwer entdeckt und meist nur aufwändig zu beheben sein oder sogar länger unentdeckt bleiben. Zur Vermeidung derartiger Risiken schließt man vertragliche Vereinbarun- gen ab. Man sichert sich exklusive Zu- griffsrechte auf kompetentes Personal. Es werden zeitliche Garantien für die Behe- bung von Fehlern definiert und Pönalen bei Mangelleistung vereinbart. Wer dabei Einkaufsmacht hat, wird sich darüber hi- naus auch leichter tun, noch „Einkaufs- vorteile“ durchzusetzen. Second sourcing soll den Ausfall eines wichtigen Zuliefe- rers kompensieren. Effizienzsteigerungen aus Blick des Umlaufvermögens Läger, Bestände an (Roh-)Material, unfer- tige und fertige Produkte binden oft viel Liquidität. Die Bilanzsumme mancher Unternehmen wird durch solchen Pos- ten stark dominiert. Größere Liquidität durch den Abbau solcher Puffer wird von Analysten, der „Börse“ und Shareholdern positiv bewertet. Ein höherer Free Cash Flow erlaubt es, Entscheidungen darüber zu treffen, wie man das Geld einsetzt: an die Shareholder auszahlen, Innovationen finanzieren, Expansionen anstreben, in neue Märkte eintreten, Wettbewerber auf- kaufen. Je enger die Liquidität ist, desto enger ist der Spielraum für solche Überle- gungen und Entscheidungen. Um zusätz- liche Liquidität zu bekommen, könnte man Eigenmittel oder Darlehen oder Lie- ferantenkredite nutzen – eine „Finanzie- rung über die Passivseite der Bilanz“. Dies hat aber Konsequenzen und birgt Risiken. Man könnte sich Liquidität von den Ei- gentümern besorgen. Nur erwarten die Anteilseigner für ihr zusätzliches Finan- zengagement auch einen zusätzlichen „Ertrag“ oder eine Risikoprämie. Zusätz- lich werden sie genau hinschauen, was der Grund für den Finanzbedarf ist. Holt man sich Liquidität als Fremdkapital zum Beispiel von Banken werden diese insbesondere bei erkennbar drohenden Liquiditätsengpässen höhere Zinsen for- dern und sogar stärkeren Einfluss auf die Unternehmensführung über eine Stimme in Entscheidungsgremien einfordern. Bleiben noch verzögerte Zahlungen an Lieferanten. Sie werden je nach Macht- stellung früher oder später diese zinslose Finanzierung nicht mehr akzeptieren. Weniger machtvolle Lieferanten werden über Kosteneinsparung versuchen ihre eigene Liquidität abzusichern. Das kann gewollt oder ungewollt zu Qualitätseinbu- ßen bei den gelieferten Vorprodukten füh- ren. Egal wie, eine solche Finanzierung ist immer mit einem Rechtfertigungs- druck und steigenden Risiken verbunden. Um diese Rechtfertigungen und die Risi- ken zu umgehen, fokussiert man auf das „Aufräumen“ im Unternehmen – also der Steigerung der Effizienz. Man wird sich darauf konzentrieren interne Maßnah- men zu ergreifen. Man muss zeigen, wie man aus eigener Kraft Liquidität „heben“ kann. Unter positiv klingenden internen Programmnamen werden Inventory, Asset oder Cash (Flow) Management Initiativen gestartet (oft vom CFO getrie- ben), um die Kapitalbindung zu reduzie- ren und die finanzielle Beweglichkeit aus eigenem Zutun zu steigern. Im Zuge dessen kommen viele Ansätze zum Tragen, mit denen eine „bessere“ (effizientere) Nutzung von Ressourcen bei gleichzeitiger Verbesserung des Cash Flows und Sicherung der Qualität erreicht werden soll: • Identifizieren von Verschwendung („Waste“) • Hinterfragen von Supportfunktionen (Qualitätssicherung) R Lesetipps. Der Soziologieprofessor Stefan Kühl warnt schon seit Langem davor, dass viele moderne Manage- mentprinzipien nicht das erreichen, was sie versprechen. Das entsprechende Buch, das zum Thema „Puffer“ passt, trägt den Titel „Das Regenmacher-Phänomen: Widersprü- che im Konzept der lernenden Organisation“, Campus Verlag, Frankfurt am Main 2015, 226 Seiten, 24,90 Euro. Außerdem gibt es noch zwei hintergründige Artikel zum Thema „Fettpolster“, die Kühl Anfang des Jahres 2020 auf dem Internetportal „Sozialtheoristen“ veröffentlicht hat: 1. Stefan Kühl: „Krisen – Der Umgang von Organisationen mit Kriegen, Hungersnöten und Pandemien“ (https:// sozialtheoristen.de/?s=Der+Umgang+von+Organisatio nen+mit+Kriegen). 2. Stefan Kühl: „Slack – Vom Nutzen und Schaden von Fett- polstern“ (https://sozialtheoristen.de/?s=Slack+vom+N utzen+und+Schaden+von+fettpolstern). Über das Wesen von Puffern ...

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