Wirtschaft und Weiterbildung 4/2021

personal- und organisationsentwicklung 26 wirtschaft + weiterbildung 04_2021 R der erreichten Effizienzsteigerung. Sie fokussieren und verengen die Handlungs- spielräume in Unternehmen auf das Ziel, die „Fettpolster“ zu reduzieren. Auch wenn solche Fettpolster immer wie- der unter dem Gedanken der Effizienz, der Vermeidung von Verschwendung, der Steigerung von Geschäftswerten, der besseren Liquidität und ähnlichem in der Kritik stehen, erfüllen sie sinnvolle, nicht immer offensichtliche oder mess- bare Funktionen in einem Unternehmen. Puffer … … helfen, Konflikte zu reduzieren. Man hat durch einen Puffer genügend Res- sourcen, um unterschiedliche Ziele zu verfolgen, zeitgleich auftretende Er- wartungen verschiedener Akteure zu bedienen, konträre oder kurzfristige Anforderungen eines Bereichs zu er- füllen. … dienen als Vorsorge für Überlastsituati- onen, wenn plötzlich zu viele Ressour- cen in einem Bereich benötigt werden. … verhindern, dass sich kleine Störungen zum Beispiel im Produktionsprozess, gleich auf die ganze Produktion aus- wirken, weil zum Beispiel noch eine alte Maschine reaktiviert werden kann. … ermöglichen es Unternehmen, auch bei gravierenden Veränderungen in ihrer Umwelt, noch handlungsfähig zu bleiben, weil man die Spielräume dazu nützen kann, schon vorhandene Prototypen oder neue Ideen zu einer gewissen Marktreife zu bringen. Ein zu enger Fokus auf Effizienz kann die Elastizität eines Unternehmens deutlich einschränken, sodass es sich auf plötzlich auftretende und die Umwelt stark verän- dernde Disruptionen nicht mehr schnell anpassen kann. Ausreichende Ressourcen existieren nicht (mehr), die dies leisten könnten. Die erforderlichen Anpassungen und dazu nötigen Anstrengungen sind zu groß, um (schnell) Abläufe zu verlernen und andere neu zu lernen oder in andere Richtungen zu denken, Strukturen zu verändern, Kompetenzen anzupassen. Das kann in letzter Konsequenz bis zur endgültigen Auslöschung durch eine In- solvenz oder durch Übernahme durch ein anderes Unternehmen reichen. In diesem Artikel fragen wir uns: Wie wirken nun Effizienzstrategien auf das Anlagevermögen, das Umlaufvermögen, das immaterielle Kapital, auf Methoden, Prozesse und Kompetenzen? Welche Vor- gehensweisen werden zur Reduktion von Puffern (Slack) eingesetzt? Welche Vor- sorgemaßnahmen zur Risikoabsicherung bei Veränderungen können getroffen wer- den und zu welchen Dilemmata führen diese Vorsorgemaßnahmen dennoch? Effizienzsteigerungen aus Blick des Anlagevermögens Automatisierte und vernetzte Maschinen ermöglichen eine hochstandardisierte und kosteneffiziente Produktion. Ein automatisierter Materialnachschub ver- meidet unnötige Stopps. Predictive Main- tenance ermöglicht es, Maschinen und Anlagen mit weniger Aufwand zu warten und die Wartungsintervalle zu strecken. Der Produktivbetrieb steigt und die War- tungskosten werden reduziert. Weniger für die Automatisierung geeignete und fehleranfällige Maschinen, die nur mit Viele Unternehmen haben in der Vergan- genheit unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten zu sehr auf flache Struk- turen und schlanke Prozesse gesetzt und dabei vergessen, wie nützlich alle Arten von „Puffer“ und „Leerlauf“ sein kön- nen. Betriebswirtschaftliche Initiativen, die unter den Begriffen wie Lean Produc- tion, Inventory Management, Business Process Reengineering, Digitalisierung und Automatisierung daherkommen, zie- len darauf ab, Organisationen schneller und reibungsloser sowie deren Prozesse robuster zu gestalten und das mit mög- lichst geringem Kapitaleinsatz. Effizienz heißt, mit möglichst wenig Mitteleinsatz ein Maximum an werthaltigem Output zu erzeugen. Verschwendung zu bekämp- fen, ist weiterhin sinnvoll Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Die Vermeidung von Verschwen- dung ist sinnvoll! Nur, wo beginnt die Übertreibung, ab der jede weitere „Ver- schlankung“ und Effizienzsteigerung die Bewältigung von unvorhergesehenen Kri- sen unmöglich macht. Wo beginnt man an den Reserven eines funktionierenden Unternehmens Raubbau zu betreiben. Reserven an Material und Personal helfen einem, schwierige Situationen zu über- stehen. Egal, ob Verlagerung der Produk- tion von Zwischenprodukten auf einige wenige Billigfabrikanten oder die enge Kopplung von Lieferketten - immer spielt dabei der Effizienz- und Schlankheitsge- danke eine treibende Rolle. Betriebswirt- schaftliche Kennzahlen messen das Maß Unternehmen brauchen mehr Läger, Puffer und „Fettpolster“ ORGANISATIONSBERATUNG. Die aktuelle Krise wirft auch ein Schlaglicht auf das Thema der „Fettpolster“ und „Puffer“. Viele Organisationen fragen sich: Sollen wir weiter auf eine Just-in-time-Belieferung vertrauen oder wäre es nicht längst an der Zeit, sich Zwischenläger und zuverlässige Personalreserven anzulegen, damit die Produktion auch dann weitergehen kann, wenn Lieferketten krisenbedingt unterbrochen werden.

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