Wirtschaft und Weiterbildung 11-12/2021
54 wirtschaft + weiterbildung 11/12_2021 hot from outside Stellen Sie sich vor, ein Mann kauft sich ein neues Smartphone und achtet beim Kauf auch darauf, dass man mit dem Gerät schöne Fotos machen kann. Kurz darauf liest er in einer Fotofachzeit- schrift, dass die neusten Labortests gezeigt hätten, dass man mit seinem neuen Handy nur mittelmä- ßige Fotos hinbekommt. Die Hautfarbe der foto- grafierten Menschen sei nicht natürlich und in den Ecken seien die Aufnahmen unscharf. Unser Mann wird die Zeitschrift sofort in den Papiermüll werfen und den Journalisten des Testberichts als praxisfer- nen Erbsenzähler beschimpfen, der obendrein von der Konkurrenz bestochen sein könnte. Die Autoren des Buchs beschreiben ausführlich, wie schwer es Menschen fällt, einen Fehler (wie hier eine unzureichende Recherche) zuzugeben. Das Motto laute: Fehler werden gemacht, aber doch nicht von mir. Es wird von jedem viel Zeit auf- gewandt, um Fehler zu kaschieren. Dabei wäre es doch befreiend, aufrichtig zu sagen: Ich habe einen Fehler gemacht und übernehme die Verantwortung. Das Problem der meisten Menschen besteht darin, so die Autoren, dass jemand, der einen Fehler macht, wohl auch gleich glaubt, er selbst sei ein Fehler. Ein Großteil des Buchs dreht sich darum, die Leser davon abzuhalten, das Fehlermachen als unverzeihliches persönliches Versagen und als eine Zerstörung der Selbstachtung zu erleben. Die Lösung sollte darin bestehen, dass man sich klarmacht, dass Fehler kein Unglück, sondern unvermeidlich sind und zu einer wichtigen Lern- chance führen. Stattdessen erschafft der Durch- schnittsmensch unbewusst Fiktionen, die ihn von der Verantwortung entbinden und seinen Glauben wiederherstellen, dass er durchgängig klug, mora- lisch gut und „richtig“ sei. Gestützt auf jahrelange Forschung, bietet das Buch Erklärungen für jede Art von schädlicher Selbstrecht- fertigung - wie sie funktioniert, welchen Schaden sie anrichten kann und wie man sie überwinden kann. Die Gewohnheit der Selbstrechtfertigung lässt sich aushebeln, wenn man sich Mühe gibt, seine Beweggründe zu hinterfragen. Dazu braucht man aber Zeit, den Willen zur Selbstreflexion und viel- leicht auch einen guten Coach, der sich mit blinden Flecken auskennt, die uns unsere eigenen Fehler verschleiern, und der weiß, warum uns unser Gedächtnis nicht das erzählt, was passiert ist, son- dern das, was wir glauben wollen, das passiert ist. Es führt leider kein Weg an der Erkenntnis vorbei: Unser Gehirn ist mit blinden Flecken ausgestattet und einer seiner klügsten Tricks besteht darin, uns die Täuschung zu vermitteln, dass ausgerechnet wir keine blinden Flecken haben. Carol Tavris ist Sozialpsychologin, Vortragsrednerin und Autorin der in den USA sehr populären Sach- bücher „Anger“ und „The Mismeasure of Women“. Elliot Aronson ist ein führender Sozialpsychologe. Zu seinen bekanntesten Büchern gehören „The Social Animal“ und „Nobody left to Hate“. Blinde Flecken Andere könnten recht haben ... Carol Tavris, Elliot Aronson: Mistakes were made (but not by me). Why we justify foolish beliefs, bad decisions, and hurtful acts, Mariner Books, Boston/New York 2020, 416 Seiten, 15,50 Euro Gudrun Porath Die freie Journalistin Gudrun Porath hat sich auf die zentralen Themen der Personalentwicklung und der Organisationsentwicklung spezialisiert. Sie ist E-Learning- Kolumnistin für www.haufe.de/personal un d Mitglied des Programmbeirats „Corporate Digital Learning Experience“ der Messe „Zukunft Personal Europe“ in Köln. Außerdem schreibt sie regelmäßig für das „Personalmagazin“ und „Wirtschaft + Weiterbildung“. Wir betreiben Selbstrechtfertigung und verhindern so das Lernen. „ „
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