Wirtschaft und Weiterbildung 11-12/2021

training und coaching 40 wirtschaft + weiterbildung 11/12_2021 ner redet über seine Probleme und teilt seine Erkenntnisse mit. Alles bleibt beim Status Quo. Was da in den Unternehmen oftmals abläuft, ist das, was Alex Oster- walder als Innovationstheater bezeichnet. Wir gründen ein schönes Lab, stellen ein Team zusammen, aber es kommt nichts raus. Das ist dann eben nur ein Show- room. Wenn man echten Impact haben will, müssen die Teammitglieder zuver- sichtlich sein und jeder im Unternehmen muss sie unterstützen, auch wenn sie scheitern. Wenn das der Fall ist, passieren oftmals magische Dinge. Das klingt jetzt etwas zu magisch. Mastrogiacomo: Das ist keine Theorie. Google hat bereits vor vielen Jahren eine große Studie gemacht und dabei hunderte von Projekten analysiert, um herauszu- finden, was die Teams mit der besten Per- formance anders machen. Die New York Times hat das Projekt Aristoteles 2016 in ihrem Artikel: „What Google Learned From Its Quest to Build the Perfect Team“ beschrieben. Als größter Erfolgsfaktor stellte sich dabei die psychologische Sicherheit heraus, also ein Arbeitsklima im Team, das geprägt ist von gegenseitigem Vertrauen und Res- pekt, bei dem jeder sicher sein kann, dass er von den anderen nicht vorgeführt, zu- rückgewiesen oder bestraft wird, wenn er seine Meinung sagt. Google hat damals entschieden, das zur Nummer 1 der HR- Prinzipien für die ganze Firma zu ma- chen. Und wie schafft man als Team psychologische Sicherheit? Mastrogiacomo: Die einfachste Antwort, die wir gefunden haben, ist der Teamver- trag, also eine Arbeitsvereinbarung, die man abschließt, bevor man anfängt mitei- nander zu arbeiten. Das Tool ist sehr sim- pel. Es ist einfach ein Kreis. Im Inneren stehen die Regeln und Verhaltensweisen, an die sich das Team halten will. Außen sind die Verhaltensweisen, die im Team nicht akzeptiert werden und daher ver- mieden werden sollen. Jedes Team ent- scheidet, welche Regeln es gibt, um ein gutes Teammitglied zu sein. Also zum Beispiel, nicht zu spät zu kommen oder politische Spiele zu betreiben. Wenn man das regelt, bevor man mit einem Projekt startet, verändert das alles kolossal. Wenn man es nicht macht, fällt man schnell wieder zurück zum Anfangs- problem. Jeder denkt, dass der andere derselben Meinung ist, was aber nicht stimmt, Konflikte schafft und zu einem Mangel an psychologischer Sicherheit führt. Ich starte heute kein neues Projekt mehr, bevor ich nicht zusammen mit dem Team die Team Alignment Map und den Teamvertrag gemacht habe. Das erhöht einfach Fähigkeit, innovativ zu sein. Aber oftmals beginnen Projekte bereits mit einem enormen Zeitdruck. Da heißt es dann schnell, für solches Psycho-Blabla haben wir keine Zeit. Mastrogiacomo: Okay, dann nehmen sie sich halt nicht die Zeit und ärgern sich später über die Resultate. Ich war Pro- fessor für Projektmanagement. Wenn man nur die existierenden Tools von Pro- jektmanagement nützt, die oft aus dem Militär und aus dem Ingenieurbereich kommen und die keine psychologischen Aspekte berücksichtigen, dann braucht man sich über die jährlichen Reports nicht wundern. Seit 1994 untersucht der „Chaos Report“ der amerikanischen Stan- dish Group jedes Jahr den Verlauf von Tausenden von IT-Projekten. Dabei gibt es eine Konstante: rund 70 Prozent schei- tern. Also würde ich dem Manager, der keine Zeit hat, daher Folgendes sagen: Erstens sind die Tools superschnell. Wir sprechen hier über zwei Sitzungen mit jeweils 30 Minuten. Und wenn man sie nutzt, steigert das die Chance, zu den 30 Prozent zu gehören, die nicht scheitern. Und wenn man etwas darüber nach- denkt, macht es auch Sinn. Menschen, die einander verstehen und sich ver- trauen, bringen auch bessere Leistungen. Aber besteht da nicht auch eine Gefahr, dass ein Team bei der Erstellung der Team Alignment Map und des Team- vertrags in Diskussionen gerät und es Machtspiele gibt, die viel Zeit kosten? Mastrogiacomo: Ja, kann sein, wenn es verschiedene Meinungen im Team gibt. Aber was würden Sie bevorzugen: Ein Projekt zu starten, bei dem jeder glaubt, die anderen sind seiner Meinung, obwohl es nicht der Fall ist und dann scheitern? Oder das vorher klären? Gerade IT-Experten sind nicht oder nur sehr wenig vertraut mit psychologischen Konzepten. Sind die damit nicht über- fordert, wenn sie sich nun plötzlich um Dinge wie psychologische Sicherheit kümmern sollen? Mastrogiacomo: Kann ich eine Analogie nehmen? Ich fahre ein Auto, aber ich habe keine Ahnung, wie der Motor funk- tioniert. Ich habe hunderte von Teams gesehen, die einen Teamvertrag gemacht haben. Die müssen nicht die dahinter liegenden Konzepte, wie zum Beispiel psychologische Sicherheit, verstehen. Sie diskutieren die Spielregeln im Team. Was dabei auf der Hinterbühne passiert, muss man nicht wissen. Es ist einfach wissen- schaftlich belegt, dass die Vereinbarung von Regeln einen Einfluss auf die psycho- logische Sicherheit hat. Und in dem Buch wird es zusätzlich für diejenigen erklärt, die es wirklich wissen wollen. Aber das ist nicht notwendig, um erfolgreich mit den Tools zu arbeiten. Dasselbe gilt für die Team Alignment Map. Sie müssen nicht verstehen, was Psycholinguistik ist. Wenn Sie die vier Säulen bearbeiten, schaffen Sie geteiltes Wissen. Auch das passiert automatisch im Hintergrund. Die psychologischen Prozesse werden dabei unbewusst aktiviert. Interview: Bärbel Schwertfeger R Alexander Osterwalder. Der Co-Autor von Mastrogiacomo ist Innovationsberater und Bestsellerautor. Er entwickelte mit dem „Business Model Canvas“ eine inzwischen sehr populäre visuelle Methode zur Ent- wicklung neuer Geschäftsmodelle. Foto: Campus Verlag

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