Wirtschaft und Weiterbildung 11-12/2021
training und coaching 38 wirtschaft + weiterbildung 11/12_2021 Reise. Ich habe lange Zeit digitale Pro- jekte in Finanzinstituten geleitet. Nach 15 Jahren Praxis bin ich zurück an die Universität, um wieder zu forschen. Be- gonnen habe mit der Analyse, warum so viele Projekte scheitern. Dabei stellt man immer die Warum-Fragen: Warum hatten wir nicht genug Ressourcen oder zu wenig Unterstützung vom Topma- nagement? Warum war der Sponsor nicht an Bord? Und als wir dann wie ein Kind immer weiter Warum-Fragen gestellt haben, kamen wir letzten Endes auf zwei wichtige Faktoren: das gegenseitige Ver- ständnis – also das Alignment im Team – und das Klima, in dem das Team arbeitet. Für mich war das total überraschend. Ich habe einen Wirtschaftsabschluss und bin Softwareingenieur, aber letztlich geht es um die Psychologie im Team. Projekte scheitern wirklich oft an psychologischen Faktoren? Mastrogiacomo: Ja, die Schlüsselfaktoren für Erfolg oder Misserfolg sind psycholo- gischer Natur. Die wesentlichen Elemente sind einmal Kommunikation und Sprache sowie Vertrauen und psychologische Si- cherheit. Das sind die beiden wichtigsten Säulen. Also haben wir uns die näher an- geschaut. Dabei war es nicht unser Job, neue Konzepte zu erfinden, sondern wir haben sie uns nur ausgeliehen von der Psycholinguistik, Anthropologie oder Sozialpsychologie. Unsere Kompetenz liegt darin, einfache Werkzeuge zu ent- wickeln, mit denen die Menschen arbei- ten können, um innovativer zu werden. Daher haben wir Konzepte aus anderen Disziplinen in die Praxis des Teamma- nagements übertragen, sie neu designt und getestet. Der gesamte Prozess hat letztlich zehn Jahre gedauert. Aber viele Teams scheitern doch nicht an psychologischen Aspekten, sondern daran, dass sie eben nicht genug Ressourcen haben oder die Unterstützung von oben fehlt. Mastrogiacomo: Beim Scheitern von Projekten wird oftmals die Ursache mit der Wirkung verwechselt. Wenn nicht genug Ressourcen vorhanden waren, ist das nicht die Ursache, sondern das Sym- ptom eines fehlenden Team Alignments. Als Team muss ich mir vorher klar darü- ber sein, welche Ressourcen ich brauche. Und wenn ich die nicht habe, sollte ich mit dem Projekt überhaupt nicht anfan- gen. Ein Team braucht daher erst einmal ein gemeinsames Verständnis. Was bedeutet das konkret? Mastrogiacomo: Wir nehmen immer an, dass andere uns verstehen, aber das ist nur unser Wunschdenken. Wir glauben, dass die anderen erraten, was wir sagen und denken. Aber das stimmt nicht und so entstehen viele Koordinierungspro- bleme. Also haben wir überlegt, was wir tun können, um mehr gegenseitiges Ver- ständnis zu erreichen und was die Kern- elemente dafür sind. So ist dann die Team Alignement Map entstanden. Sie besteht In Ihrem Buch „High-Impact Tools für Teams“ finden sich erstaunlich viele Hin- weise auf die Themen Kommunikation und Sprache. Wie kam es dazu? Stefano Mastrogiacomo: Das Buch ist das Ergebnis von mehr als 20 Jahren Arbeit in Projekten, vor allem im Bereich Innova- tion. Mein Co-Autor Alex Osterwalder ist der Erfinder von Business Model Canvas, einer Methode zur Entwicklung innova- tiver und komplexer Geschäftsmodelle, und er hat in seinem Beratungsunterneh- men Strategyzer viele Tools entwickelt, um neue Firmen zu designen und inno- vative Produkte und Dienstleistungen zu kreieren. Bei unseren Diskussionen haben wir dann realisiert, dass da noch etwas Wichtiges fehlt, nämlich wie ein Team selbst mit diesen Tools besser arbei- ten kann, in einem besseren Klima und mit besseren Konditionen. Das Ziel des Buchs ist es daher, den Fokus stärker auf die menschliche Seite zu setzen. Innova- tionen entstehen durch Menschen. Des- halb haben wir ein neues Set von Tools entwickelt, um diese Facette des Innovati- onsprozesses zu verbessern. In dem Buch geht es zum Beispiel um Psycholinguistik, gewaltfreie Kommuni- kation oder psychologische Sicherheit. Wie kamen Sie auf diese Konzepte? Mastrogiacomo: Ehrlich gesagt ist das auch ein Stück meiner persönlichen „ Die wahren Erfolgsfaktoren sind psychologischer Natur“ INTERVIEW. Um erfolgreich zu sein, müssen Teams vor allem psychologische Aspekte berücksichtigen. Der Experte für Projektmanagement, Stefano Mastrogiacomo, hat dazu verblüffend einfache Werkzeuge entwickelt. Ziel ist es offenbar, den Fokus beim Thema „Team“ stärker auf die menschliche Seite zu setzen, um letztlich Innovationsprozesse zu verbessern. „ Es gilt aber auch: Wenn ich die Ressourcen nicht habe, dann brauche ich gar nicht erst anfangen.“
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