Wirtschaft und Weiterbildung 11-12/2021

personal- und organisationsentwicklung 28 wirtschaft + weiterbildung 11/12_2021 terlernen, damit das Unternehmen dem Marktanspruch gerecht werden kann. Neue Lernstrategie mit vier Handlungsfeldern Diesen Herausforderungen kann Evonik nur mit neuem Lernen wirksam begeg- nen. Deshalb hat sich die Abteilung „Lea- dership & People Development“, die für Führungskräfte, Talent- und Mitarbeiter- entwicklung im Konzern verantwortlich ist, in drei Teams für verschiedene Fokus- themen aufgeteilt: für die Leadership & People Development Academy, für Digital Learning sowie für Learning Governance und Analytics. Anfang 2020 wurde eine neue globale Learning Strategie entwi- ckelt – und zwar mit zwei Zielrichtungen: die Performance der Mitarbeitenden im Arbeitsalltag zu steigern („Learning for Performance“) und ihre Beschäftigungs- fähigkeit in Zukunft zu sichern („Lear- ning for Growth“). Die neue Lernstrategie erstreckt sich über die folgenden vier Handlungsfelder: 1 Global Learning and Development Products Seminare oder Kurse für Standardthemen wie zum Beispiel Kommunikation, Rhe- torik oder MS Office – all das bietet die Personalentwicklung nicht mehr selbst an. Hierfür können Beschäftigte über eine externe Seminarbuchungsplattform das passende Seminar aus dem offenen Wei- terbildungsmarkt aussuchen und buchen. Die Hauptprodukte der „Leadership & People Development Academy“, die die Personalentwicklung aktuell gestaltet, sind sogenannte mehrmonatige Entwick- lungsreisen. Da es hier um unterneh- mensspezifische und strategische Lernin- halte geht, die am Markt in dieser Form nicht erhältlich sind, spricht die Personal- entwicklung intern auch von der „Secret Sauce“ (der geheimen Soße). Jede der international angelegten „Development Journeys“ ist auf eine der folgenden Ziel- gruppen zugeschnitten: neue Mitarbei- tende, schon länger im Unternehmen Be- schäftigte, Talente, neue Führungskräfte, erfahrene Führungskräfte sowie Senior Manager. Entwicklungsreisen statt Präsenzprogramme Die Entwicklungsreisen bestehen aus einem Mix: aus digitalen Selbstlerninhal- ten, kurzen Seminarmodulen, Onlinetrai- ning und „Peer Learning“. Angelegt sind sie auf einen Zeitraum von drei und sechs Monaten. Das Besondere: die Kollegin- nen und Kollegen aus der Personalent- wicklung sind im Hintergrund vor allem während der Selbstlernphasen mit dabei und beobachten, wie der Lernfortschritt voranschreitet. Bei Bedarf können sie als Lernbegleiter unterstützend zur Seite ste- hen oder einen neuen Lernimpuls geben, wenn sie den Eindruck haben, dass Be- schäftigte in ihrem Selbstlernprozess feststecken. Dafür haben die Lernbeglei- ter Zugriff auf das Backend des Lernpro- zesses im „Learning Experience System“. Dort ist der jeweilige Fortschritt bei der Bearbeitung dieser Selbstlerneinheiten zu sehen. Daraus lässt sich ableiten, ob ein Lernender mehr Content, Wiederholun- gen oder mehr Austausch mit Peers oder Lehrenden benötigt. Durch diese Lernbe- gleitung lernen auch die Personalentwick- ler, wie sie die Entwicklungsreisen didak- tisch verbessern können. Dies ist keine Rousseau hat schon 1762 in seinem Werk „Émile oder Über die Erziehung“ erklärt, wie Selbstlernen funktioniert: Die Lehren- den sollten seiner Ansicht nach Lernende vor allem zum Ausprobieren nach dem Prinzip „Trial and Error“ ermuntern und dabei begleitend zur Seite stehen. Was er „negative Erziehung“ nannte, kam in der Reformpädagogik immer wieder zum Tragen. Der Ansatz mit der Formel 70-20-10 hat derartiges Selbstlernen integriert und als Idee in der Personalentwicklung populär gemacht. Allein: Kaum ein Unternehmen setzt die Theorie in der Praxis um. Ausgangslage: formale Bildung dominiert Auch bei Evonik herrschte bis vor drei Jahren das übliche Bild vor: Die über- wiegend formalen, klassenraumbasier- ten Personalentwicklungsprogramme des Konzerns dominierten das Gesche- hen und die Themenpalette änderte sich kaum. Die Personalentwicklung verwen- dete einen Großteil ihrer Arbeitszeit da- rauf, die Lerninhalte zu verwalten. Doch der Lernbedarf stieg und steigt auch wei- terhin an. Auf dem internationalen Markt kann kaum ein Unternehmen mithalten, das sich nicht immer wieder neu erfindet oder optimiert. Evonik ist mit seinen Produkten der Spe- zialchemie Zulieferer für verschiedenste Industrien. Flüssigkautschuke für Reifen, Wirkstoffe für die Tierernährung, Tenside für Shampoos und Duschgels oder nicht zuletzt Systeme zur kontrollierten Wirk- stofffreisetzung wie etwa die Lipide, die Pfizer und Biontec aktuell in ihre Impf- stoffe einbauen – die rund 32.000 Mitar- beitenden weltweit müssen ständig wei- Die Lern-Enabler bei Evonik PRAXISBEISPIEL. Das Geschäft des Spezialchemieunternehmens Evonik wandelt sich rasant. Um Produkte laufend zu verbessern und die Möglichkeiten der Digitalisierung aus- zuschöpfen, müssen Mitarbeitende lebenslang lernen. Eine neue HR-Strategie setzt des- halb auf Selbstlernen und einen konsequenten Umbau der Personalentwicklung.

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==