Wirtschaft und Weiterbildung 11-12/2021
titelthema 18 wirtschaft + weiterbildung 11/12_2021 thode Objectives and Key Results (OKRs) aus, bei der Beschäftigte sich anhand von Unternehmenszielen selbst ambitionierte Ziele setzen. Die Maßnahmenpalette führen laut der Erhebung Arbeitsortsouveränität, die Bereitstellung mobiler Technologien und Arbeitszeitautonomie an. Das passt zum Verständnis, das die Befragten von New Work haben. Vier Definitionen standen zur Wahl. Auf Platz eins rückte zwar die Definition im Sinne von psychologischem Empowerment vor, wie es Carsten Schermuly als „Schüler“ von Gretchen Spreitzer vertritt: Ziel ist es dabei, dass Beschäftigte das Erleben von Sinnhaf- tigkeit, Selbstbestimmung, Einfluss und Kompetenz am Arbeitsplatz steigern kön- nen. Und auch die Vorjahres-Nummer-1, die Definition der New-Work-Charta, fiel nur leicht auf Platz zwei zurück. Dahinter steckt die Vorstellung, dass sich jenseits isolierter Maßnahmen die Essenz von New Work in den fünf Prinzipien Freiheit, Selbstverantwortung, Sinn, Entwicklung und soziale Verantwortung herauskristal- lisiert. Doch erstmals hatten die Initia- toren Arbeitszeit- und Arbeitsortflexibili- tät als ein mögliches Verständnis aufge- nommen, das prompt auf Platz 3 landete – und damit deutlich verbreiteter ist als die ursprüngliche Vorstellung des kürz- lich verstorbenen Philosophen Frithjof Bergmann. Für ihn war NewWork Arbeit, die man wirklich wirklich tun möchte. Dies beinhaltet für ihn auch, das gegen- wärtige Lohnsystem zurückzudrängen und mit technologischer Unterstützung selbst Produkte herzustellen. Der Begrün- der von New Work bildete mit seiner De- finition das Schlusslicht in der Studie. Schermuly interpretierte die Ergebnisse zwar neutral – es sei zu früh, einen Rück- zug von New Work herbeizubeschwören, denn zum Befragungszeitraum im Früh- jahr 2021 befanden sich die befragten Betriebe noch im pandemiebedingten Ausnahmezustand. Doch neben der deut- lichen Trivialisierung des Begriffs hielten die Befragten New Work für deutlich we- niger bedeutsam als im Vorjahr. Zwar ist ein Vergleich mit 2020 mit Vorsicht zu ge- nießen, denn es handelte sich um eine of- fene Onlinebefragung und damit eine an- dere Stichprobe. Doch die Analyse deckt sich mit dem, was man in der Praxis be- obachten kann: In der Krise haben viele Unternehmen ihre New-Work-Projekte eingestampft – weil sie mit anderen Din- gen beschäftigt waren oder ihnen die Be- weise für deren Wertbeitrag fehlten. New Work ist seit der Coronapandemie trotz aller Euphorie über die Möglichkeiten von Homeoffice in einer Krise. New Work – alles nur Bullshit? Öl auf die Mühlen dieser Entwicklung gießt nun Carlos Frischmuth mit seinem neuen Buch „New Work Bullshit“. Der Managing Director von Hays bedient sich im gesamten Spektrum der „modernen Arbeitswelt“ und identifiziert dabei acht Annahmen, die ihm in der Praxis beson- ders fehlgeleitet erscheinen. 1. „Klassische Lohn- und Erwerbsarbeit ist nicht sinnstiftend, macht Menschen unglücklich und hat daher keine Zukunft.“ Purpose und Sinnstiftung gehören laut Frischmuth zur neuen Begriffswelt von Unternehmen. Das Problem dabei: Häu- fig seien sie einfach übergestülpt. Statt notwendige Rahmen- und Arbeitsbedin- gungen zu schaffen, verkünde man einen Sinn, den Menschen in ihrem Arbeitsall- tag nicht erleben. Harte Faktoren wie schlechte Bezahlung könne man damit nicht glattbügeln und Sinnstiftung lasse sich nicht künstlich erzeugen. „Die Pur- pose-Kampagnen vieler Konzerne wirken oft eher wie großangelegte Markenpro- gramme“, schreibt der Autor. Ohne nach- haltige und verzahnte Maßnahmenpro- gramme bleibe das nur oberflächliches „Green- oder White-Washing“. 2. „Nie dagewesene Disruption verän- dert die Wirtschafts- und Arbeitswelt – New Work ist eine Antwort darauf.“ Disruption oder drastische Verände- rungen sind für Carlos Frischmuth seit jeher Kennzeichen der Arbeitswelt. Tech- nologien, Werkzeuge, Methoden oder Arbeitsweisen unterlägen einer ständigen Erneuerung. Hysterische Angstmacherei sei deshalb nicht angebracht. Bisher gebe es keine Belege, dass Disruption – ob in Form neuer Technologien wie Elektro- mobilität, digitaler Dienste oder durch massive Regulierungseingriffe wie bei der Energiewende – zu Arbeitsplatzabbau führten. Deshalb könne New Work auch keine Lösung sein, für ein Problem, das es nach Ansicht des Hays-Managers gar nicht gibt. 3. „Das Büro ist entweder bunte Ar- beitsspielwiese mit Fun-Faktor, oder wir bleiben gleich im Homeoffice.“ Mit schönen Büroräumen investieren Un- ternehmen Carlos Frischmuth zufolge in die „Unternehmensfassade“ – getrieben von dem Glauben, damit lasse sich feh- lende oder gestörte Identifikation mit dem Arbeitgeber reparieren. „So gut und effizi- ent einige Büro- und Arbeitskonzepte auf dem Reißbrett aussehen, als so schlecht R 04. unternehmensübergreifende Entwicklungsnetzwerke vorantreibt. 05. Coaching und Lernreflexionen zu Performance-Manage- ment-Instrumenten erklärt. 06. den Fokus auf persönliche Exzellenz legt.
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