Wirtschaft und Weiterbildung 11-12/2021

aktuell 12 wirtschaft + weiterbildung 11/12_2021 Ganze sechs Stunden dauerte am 4. Oktober 2021 der weltweite Ausfall der Messengerdienste von Facebook, WhatsApp und Instagram. Was für ein Glücksfall in Sachen selbstbestimmter Zeitführung! Als Coach bin ich mit den Tücken der Ablenkung bestens vertraut: immer online bedeutet, immer abgelenkt. Und das hat verheerende Folgen. Wenn wir permanent Nachrichten verschicken, Fotos und Filme anschauen oder Statusmeldungen kommentieren, fehlt uns diese Zeit zwangsläufig für Wesentliches. Bereits mehr als die Hälfte der Men- schen kommuniziert öfter online miteinander als im wirklichen Leben. Mit jeder Stunde Social Media verpassen wir 60 Minuten, um zu leben. Höchste Zeit, einmal seine Netzgewohnheiten zu hinterfra- gen. BINGGG … Entschuldigung, ich muss kurz unterbre- chen, da kommt gerade eine Whatsapp-Nachricht rein … Da bin ich wieder. Es war Sascha, ein Mitglied aus meiner Fußballgruppe, der geschrieben hat, dass er heute Abend doch zum Fußball kommt ... Wo war ich? Genau. Unsere Lebensqualität wird weder durch die Anzahl unserer Facebook-Freunde noch Instagram-Follower oder Whatsapp-Nachrich- ten bestimmt. Im Gegenteil: Social-Media-Junkies verlieren im Lauf der Zeit die Fähigkeit, sich auf das Wesentliche zu fokussieren. Man kämpft mit einer modernen Form von ADS (Aufmerksamkeits- defizitsyndrom). Und bezahlen dafür mit sinkender Konzentrationsfähigkeit. Ein konzentrierter Flow- Zustand konkurriert mit gedankenverlorenem Scrollen durch irrelevante Statusmeldungen. Beides geht nicht. Psychologen bezeichnen den durch permanente Aktivitäten in sozialen Netzwerken ausgelösten körperlichen, seelischen und geistigen Erschöpfungszustand als „Social-Media-Burn-out“. Wir schaffen es nicht mehr, gleichzeitig unseren vir- tuellen Profilen und den Anforderungen des realen Lebens gerecht zu werden. DINGGG … Augenblick, auf meinem Facebook- Account tut sich was. Bin gleich wieder da … Sorry, aber Valerie, ein Mitglied meiner Persönlichkeits- entwicklungsgruppe hat ein Foto ihres veganen Bows hochgeladen. Es fällt erheblich leichter, den Milliardenschaden des sechsstündigen Ausfalls für den Facebook-Kon- zern zu beziffern, als den, der uns durch mangelnde Produktivität entsteht. An einem durchschnittlichen Büroarbeitsplatz dauert es genau 11 Minuten, bevor wir abgelenkt werden. Um den gleichen Grad der Konzentration wiederzuerlangen, benötigt es dann ganze 25 Minuten. Das bedeutet, zwei Drittel unserer Arbeitszeit sind damit verschwendet, dass wir versuchen, einen fokussierten Zustand wieder- zuerlangen, der ohne die Ablenkung gar nicht verlo- ren worden wäre. DONGGG … Sorry, auf Whatsapp geht gerade der Punk ab. Mittlerweile sind 47 neue Nachrichten reingekommen. In zwei Stunden! Was haben wir eigent- lich in den 2000ern mit der ganzen Zeit gemacht? Aus den vielen kleinen Ablen- kungen werden im Lauf der Woche schnell mehrere Stunden. Im Lauf unseres Lebens kosten uns Social Media, Whatsapp und Smartphone mittlerweile 8,5 Jahre. Zeit, in der wir weder unseren Zielen noch unseren Mitmenschen wirklich nähergekommen sind. Persönliche Produktivität kommt erst dann richtig zur Geltung, wenn wir offline sind. Niemand wird sich am Ende seines Lebens wünschen: „Hätte ich nur mehr Zeit auf Facebook verbracht!“ Beschließen Sie zu leben, bis Sie sterben. Gastkommentar Warum der Mega-Blackout ein Segen war Martin Geiger Martin Geiger, Achern, ist Produktivitätsexperte und hilft unternehmerisch denkenden Menschen, anders zu arbeiten und mehr zu leben. Er ist Autor der Bücher „Zeit. Macht. Geld. Die Geheimnisse produktiver Unternehmer“, „Schneller als die Konkurrenz – Wettbewerbsvorteil Geschwindigkeit“ und „33 unfehlbare Wege sein Leben zu verplempern“. E-Mail: info@martingeiger.com Kein Sterbender sagt: Hätte ich nur mehr Zeit auf Facebook verbracht. „ „

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