Wirtschaft und Weiterbildung 9/2021
grundls grundgesetz Boris Grundl 64 wirtschaft + weiterbildung 09_2021 Meine These: Sie erkennen erfolgreiche Menschen daran, mit welcher Konsequenz sie Entscheidungen suchen, treffen und danach handeln. Eins ist klar: Wenn Menschen mit hohem Tempo Entscheidungen suchen und treffen, sind Fehler vor- programmiert. Natürlich reden wir von „leistbaren“ Missgriffen. Diese erscheinen als Lernturbos sogar erwünscht. Darin unterscheiden sich Fehlerlernkul- tur und Fehlervermeidkultur. Was machen die Men- schen in Lernkulturen anders? Wer eine Lernkultur lebt, verringert das Anspruchs- niveau, immer die beste Wahl treffen zu müssen. Diese Personen verzichten auf lähmenden Perfek- tionismus und übermäßiges Absichern. Sie sind einverstanden, mit den Konsequenzen ihrer Ent- scheidungen zu leben. Angesichts der vielfältigen Wahlmöglichkeiten, die uns umgeben, empfinden sie es als falsch, immer das Richtige tun zu wollen. Fehlerfreundlichkeit ist eine Kompetenz, die für ein geglücktes Leben genauso wichtig ist wie die Kom- petenz, gute Entscheidungen zu fällen. Wer aus Fehlern lernen will, unterscheidet zwischen drei Arten: Entscheidungen ohne Konsequenzen, mit überschaubaren oder mit weitreichenden Kon- sequenzen. Die Klarheit über die Folgen lässt keine unnötige mentale Energie verpulvern. Je umfäng- licher die Auswirkungen, umso präziser werden die Worst-Case-Szenarien durchgespielt. Diese Men- schen empfinden es als Gnade, wählen zu dürfen. Und nicht als Qual, wählen zu müssen. Sie sind dankbar, wenn mehrere gleich starke Argumente zur Verfügung stehen. Sobald sie sich für eine Richtung aussprechen, passiert etwas Besonderes. Plötzlich lösen sich die Alternativen gedanklich in Luft auf. Als hätte sie es nie gegeben. Die Konzentration rich- tet sich nur noch auf die getroffene Wahl und deren Umsetzung. Die Frage „Was wäre gewesen …?“ wird nicht zugelassen. Sehr interessant! Ein kluger Entscheidungsprozess verbindet Kopf und Bauch. Weder geht es um rein vernünftige, logische Optionen, noch darum, allein seinem Gefühl zu folgen. Die Logik des Kopfes ist ein Schwert, das ständig zu schärfen ist. Und die Intu- ition des Bauchs führt das Schwert. Erst in der Verbindung kommen die besten Lösungen heraus. Verstandesmäßige Denkprozesse sind wie Compu- ter mit wenig Arbeitsspeicher – langsam, doch sehr präzise. Der „Bauch“, von Maja Storch treffender als „emotionales Erfahrungsgedächtnis“ bezeichnet, ist hingegen wie ein PC mit großem Arbeitsspeicher. Hohe Datenmengen werden in kurzer Zeit verarbei- tet. In der Verbindung dieser beiden Ressourcen liegt das Geheimnis für bessere Entscheidungen. Die für mich treffendste Unterscheidung hat Julius Kuhl herausgearbeitet. Er differenziert zwi- schen Selbstregulationsmodus (Weg zum wahren Selbst) und Selbstkontrollmodus (Weg zur sozialen Erwünschtheit). Bei Ersterem orientie- ren wir uns an unseren eigenen Werten und persönlichen Lebenserfahrung. Im Selbstkontrollmodus nehmen wir unsere Körpersignale wenig oder gar nicht wahr. Wir treffen unsere Wahl anders, als unser Bauch es vorschlägt. Wir handeln gegen unseren innersten Kern. Wir orientieren uns an Normen und Werte, die von außen kommen. Wer immer bessere Entscheidungen treffen will, sollte somit ausdauernd und geduldig seine Eigen- wahrnehmung üben. Und fangen Sie am besten gleich jetzt damit an. Paragraf 98 Suche und treffe Entscheidungen! Boris Grundl ist Managementtrainer und Inhaber des Grundl Leadership Instituts, das Unternehmen befähigt, ihrer Führungsverantwortung gerecht zu werden. Er gilt bei Managern und Medien als „der Menschenentwickler“ (Süddeutsche Zeitung). Sein jüngstes Buch heißt „Verstehen heißt nicht einverstanden sein“ (Econ Verlag, Oktober 2017). Boris Grundl zeigt, wie wir uns von oberflächlichem Schwarz-Weiß-Denken verabschieden. Wie wir lernen, klug hinzuhören, differenzierter zu bewerten, die Perspektiven zu wechseln und unsere Sicht zu erweitern. www.borisgrundl.de Die Logik des Kopfes ist das Schwert und die Intuition des Bauchs führt das Schwert. „ „
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