Wirtschaft und Weiterbildung 9/2021

training und coaching 46 wirtschaft + weiterbildung 09_2021 noch den Abschluss einer führenden Business School. Auch an der ESMT ist die Co-Kreation seit langem ein zentraler Punkt. „Wenn wir ein Angebot abgeben, nennen wir das Co-Creation-Konzept“, erklärt Professor Hungenberg. „Das ist das, was die Unternehmen erwarten.“ Dabei differenzierten sich die Angebote immer mehr in Richtung Individuali- sierung. Wenn die Führungskräfte un- terschiedliche Voraussetzungen haben, müsse man die zunächst erfassen und ihren unterschiedlichen Lernbedarf be- stimmen. Co-Kreation ist gefragt „Das ist immer ein gemeinsamer und iterativer Prozess bis das finale Konzept steht“, erklärt auch die Programmdirekto- rin Widmer an der Universität St. Gallen. Früher habe man häufiger ein Programm um einen Superprofessor herum gebaut, heute schaue man genau, wer zu wel- chem Programm passt. „Wir sehen oft, dass wir an der Schnittstelle von Bildung und Beratung stehen“, beobachtet sie. Da lernen die Teilnehmenden zum Beispiel, um was es bei People Analytics, Artificial Intelligence oder Diversity und Inklusion geht und dann komme die Frage, wie sie das umsetzen können. Es geht dabei auch um den Aufbau von spezifischen Fähig- keiten, auch auf der Verhaltensebene. Hier biete man Einzelcoaching an und wenn es mehr in Richtung Beratung geht, beziehe man andere Institute der Univer- sität ein, die auch Beratung anbieten. Eng mit der Co-Creation zusammen hängt auch der Impact, den sich die Un- ternehmen von einem Angebot erwarten. Dabei stellt sich allerdings die Frage, was man überhaupt darunter versteht. Ob das Gelernte auch angewendet wird und zu positiven Auswirkungen führt, könne man erst nach einiger Zeit feststellen, er- klärt ESMT-Professor Hungenberg. Das müsse man den Unternehmen bereits im Vorfeld klarmachen. So biete die ESMT zum Beispiel ein Programm mit der Or- ganisation „Enterprise Ireland“ an, um irische Unternehmen zu unterstützen, deren Exportmarkt Großbritannien durch den Brexit weggebrochen ist und die nun einen Markteintrittsplan für Euroland brauchen. Dabei gehe es darum, ein Kun- denprofil und eine Value Proposition zu erstellen und eine Einstiegsstrategie zu er- arbeiten. „Wenn das Programm den Un- ternehmen den Markteintritt ermöglicht, ist das ein messbarer Impact“, so Profes- sor Hungenberg. Ein anderes Beispiel sei ein Kurs für HR-Professionals, der sie be- fähigen soll, das Geschäft besser zu ver- stehen und der Geschäftsführung mehr Hilfestellung bieten zu können. Hier wur- den die Geschäftsverantwortlichen nach einem Jahr gefragt, ob sie Auswirkungen des Programms sehen. Programmdirektorin Widmer sieht dabei auch den sozialen Impact auf die Ge- sellschaft bei firmeninternen Program- men. So würden Themen wie mentale Gesundheit, psychologische Sicherheit, Deep Level Diversity (Werthaltungen und Einstellungen) und Unconcious Bias (unbewusste Voreingenommenheit) wichtiger und müssten in die Leadership- Programme integriert und reflektiert wer- den. „Es geht nicht mehr nur um Verkauf, Finanzen und Strategie“, so Widmer. Zudem biete man in St. Gallen auch neue Reskilling-Programme wie ein Programm für Piloten an, um die Teilnehmenden bei einer Neupositionierung zu unterstützen. WU-Dekanin Stöttinger sieht „NewWork“ als wichtiges und aktuelles Thema. „Bis- her haben wir einen Notstand verwaltet, aber wie geht es weiter?“, fragt die Pro- fessorin: Wie organisiere ich ein Unter- nehmen, in dem bisher alles zu 100 Pro- zent Präsenz war? Wie handele ich als Führungskraft Spielregeln aus, wenn ein Teil der Mitarbeitenden im Büro und ein Teil im Homeoffice ist? „Es geht vom ir- gendwie Möglichmachen zum perfekten Setup“, so die Professorin. Ein Hot Topic sei auch Nachhaltigkeit. Dazu gebe es an der WU Executive einen neuen Online- Master „Sustainability, Entrepreneurship & Technology“ in Zusammenarbeit mit dem Start-up Tomorrow’s Education. Trotz großer Chancen, künftig in der Wei- terbildung eine größere Rolle zu spielen, lauert offenbar noch eine andere Gefahr für die Business Schools. So veröffent- lichte die „Financial Times“ im Juni 2021 eine Umfrage bei 363 Chief Learning Of- ficers (CLO) zu ihren Plänen in der Ma- nagementweiterbildung. Bei der Frage nach den wichtigsten Qualitäten von Trainingsorganisationen, bewerteten die CLOs forschungsbasiertes und empiri- sches Wissen - also eine Stärke der Busi- ness Schools – als am wenigsten wichtig. „Business Schools müssen mehr tun als nur ihre Inhalte zu transportieren“, sagt ESMT-Manager Hungenberg. „Sie müssen die Inhalte erlebbar machen.“ Empirisches Wissen wichtig So gibt es an der ESMT zum Beispiel ein Escape Game, bei der die Teilnehmenden gemeinsam ein Problem lösen und dabei virtuell zusammenarbeiten müssen. Früher saßen sie dazu in verschiedenen Räumen, heute geht es online. Das Spiel dauert rund eine Stunde und danach wird reflektiert. „Das ist Erfahrungslernen“, betont Hungenberg. „Es geht nicht nur darum, Inhalte zu vermitteln, sondern sich intensiv damit auseinanderzuset- zen.“ „Wenn empirisch fundiertes Wis- sen schlecht sein soll, was soll dann gut sein?“, fragt Professorin Stöttinger. „Das kann ich nicht ernst nehmen.“ Das sei wohl einfach ein Missverständnis. Ge- meint sei damit vermutlich, dass nicht nur Theorie vermittelt werden sollte. „Man muss die Inhalte auch didaktisch so rüberbringen, dass es in der Praxis schnell anschlussfähig ist“, so die Pro- fessorin. Hier bräuchten die Universitä- ten auch mehr Selbstbewusstsein und müssten sich deutlicher von den Beratern abgrenzen, die sofort auf jeden Trend aufspringen. „Die leben oft von der ge- schickten Verpackung, und das machen sie gut“, sagt Stöttinger, auch wenn sich ihre Weisheiten nicht immer durch Tief- gang und Substanz auszeichnen. „Wir schauen uns erst einmal genauer an, wie fundiert etwas ist“. Auch Widmer sieht das differenziert. „Die Teilnehmenden wollen schon qualitativ hochwertige Inhalte, aber keinen trocke- nen und öden Vortrag eines Professors“, so die Programmdirektorin an der Univer- sität St.Gallen. Die große Kunst bestehe darin, aktuelle und forschungsbasierte Informationen in ihrer Komplexität so zu reduzieren, dass die Qualität erhalten bleibt und die Inhalte so rüberzubringen, dass die Teilnehmenden sie in der Praxis nützen können. Widmer: „Das ist alles andere als trivial.“ Bärbel Schwertfeger R

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