Wirtschaft und Weiterbildung 9/2021
personal- und organisationsentwicklung 30 wirtschaft + weiterbildung 09_2021 dern. Dafür braucht es durchlässige Hier- archien, freie und flexible Arbeitsweisen. Nur so können wir von- und miteinander lernen. Als Unternehmen müssen wir den Raum und den Rahmen dafür schaffen. Lernen muss den gleichen Stellenwert haben wie produktive Arbeit und es muss im Tagesgeschäft verankert sein. Und wie fördern Sie diese Lernkultur? Könneker: Wir haben unter anderem die konzernweite Weiterbildungsinitiative „TechUcation“ gestartet, mit der wir in der Organisation zu einem einheitlichen Verständnis von Digitalisierung kommen wollen. Durch „TechUcation“ erhält jeder Mitarbeitende einen Zugang zur digitalen Lernplattform und kann selbst Lernin- halte in interdisziplinär besetzten Teams erstellen. Das ist unser erklärtes Ziel: Wir wollen das fachliche Upskilling und selb- storganisiertes Lernen für rund 50.000 Mitarbeitende unabhängig von Berei- chen, Hierarchien und Alter ermöglichen. Ich nehme an, die Coronakrise hat hier den Wandel beschleunigt ... Könneker: Ja, gerade am Anfang des Shutdowns ging die Lernbereitschaft ex- trem hoch. Unsere Mitarbeitenden haben sich häufiger auf der Lernplattform auf- gehalten. Wir haben „Learning Journeys“ für sie entwickelt, zum Beispiel zum Thema „Remote Leadership“. Wir konn- ten also passgenaue Angebote während dieser Zeit machen. Gleichzeitig haben unsere Mitarbeitenden selbst Inhalte pro- duziert. Unsere Führungskräfte haben „Learning Nuggets“ als Einführung in die Themen rund um die digitale Transforma- tion erstellt. Selbstorganisiertes Lernen kann nur gelingen, wenn die Weiterbildung in ein transparentes Kompetenzmanagement eingebettet ist. Wie kam es dazu, dass die Otto Group das dynamische Kompe- tenzmanagementmodell von Acatech mitentwickelt hat und nun einsetzt? Könneker: Die Zusammenarbeit in der Acatech ist für uns sehr wertvoll. Es ist uns wichtig, dass wir die Öffnung für den Austausch mit Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft vollziehen. Herr- schaftswissen und Silodenken gehören der Vergangenheit an. In Zeiten des be- schleunigten Wandels brauchen wir mehr Öffnung nach außen, zum Beispiel über die Kollaboration mit Acatech. Das Kom- petenzmodell, das aus der Kollaboration entstanden ist, spiegelt diesen offenen Diskurs wider. Darin vereinen sich wis- senschaftliche Ergebnisse und praktische Erfahrungen. Wir haben vorher schon ein Kompetenzmodell im Unternehmen ange- wendet, das auf unserer Unternehmens- strategie, dem „Otto Group Path“, basiert. Mit dem Erreichen gesetzter Unterneh- mensziele wurde die Strategie überar- beitet. Wir haben das Acatech-Modell genutzt, um auch unser Kompetenzma- nagement an die damit einhergehenden neuen Gegebenheiten anzupassen. Das heißt, der erste Schritt des Acatech- Modells, die Analyse der Rahmenbedin- gungen, erübrigte sich, da Sie dafür den „Otto Group Path“ heranziehen konnten? Könneker: Ja, denn der „Otto Group Path“ bildet die strategische Grundlage für unsere Arbeit. Er zeigt, wie wir die Vision unserer Gesellschafter „Respon- sible Commerce that inspires“ zur An- Die Digitalisierung stellt Unternehmen aller Branche vor tiefgreifende Transfor- mationsprozesse. Wie hat die Otto Group diesen Wandel bisher wahrgenommen? Inge Könneker: Wir erleben überall, dass die Digitalisierung sehr tief in die Ge- schäftsprozesse eingreift und die Märkte derart schnell verändert, dass wir als Un- ternehmensgruppe sehr wandlungsfähig und reaktionsschnell sein müssen. Wir müssen aber nicht nur reagieren, sondern wollen darüber hinaus die Transforma- tion auch selbst aktiv gestalten. Um künf- tig weiter erfolgreich zu sein, müssen wir in der Otto Group zu einem neuen Ver- haltensmodus in unseren Organisationen kommen und uns an neue Arbeits-, Füh- rungs- und Organisationsprozesse anpas- sen. Dafür hat die Otto Group Ende 2015 einen intensiven Kulturwandelprozess ge- startet, der die wichtigste Basis für unsere Gestaltung der digitalen Transformation bildet. Die Tatsache, dass wir unsere Ar- beit schon im ersten Corona-Shutdown im März 2020 ganz selbstverständlich auf „remote“ umstellen konnten, zeigt, dass wir in diesem Kulturwandel schon sehr weit fortgeschritten sind. Noch immer ar- beitet die Mehrheit der kaufmännischen Mitarbeitenden mobil, von zu Hause aus. Das gelingt nur, wenn eine echte Vertrau- enskultur besteht. Was gehört neben der Vertrauenskultur noch zu dem Kulturwandel? Könneker: Das Vertrauen ist wirklich es- senziell. Daneben ist die Lernkultur er- folgsentscheidend. Wir müssen ständig Unbekannte lösen, weil viele neue The- men aufkommen und sich gelernte Rah- menbedingungen rasend schnell verän- „ Kompetenzen sind nicht in Zement gegossen“ INTERVIEW. Die Otto Group war bei der Entwicklung des dynamischen Kompetenz managementmodells im HR-Kreis von Acatech beteiligt und durchläuft nun gerade den Prozess auf Konzernebene. Inge Könneker teilt ihre Erfahrungen damit und zeigt, wie wichtig die Unternehmenskultur als Basis für den Prozess ist.
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