Wirtschaft und Weiterbildung 9/2021

wirtschaft + weiterbildung 09_2021 23 Fetzer: Das Pandemiejahr war natürlich für die Trainer und Trainerinnen extrem schwierig. Sie haben zwar auch staatli- che Hilfen erhalten, aber ihr Geschäft ist erstmal komplett weggebrochen. Insofern mussten sie sich auf die neue Lage ein- stellen. Sehr viele haben den „Switch“ zu Online sehr gut bewältigt. Aber einige tun sich noch schwer. Für unsere Trainieren- den bieten wir daher entsprechende Trai- nings- und Supportleistungen an. Hat denn eine Trainerin oder ein Trainer heute noch eine Wahlmöglichkeit? Fetzer: Es gehört schon zum Handwerks- zeug, zum Beispiel kompetent mit den Tools für einen „Virtual Classroom“ um- gehen zu können. In der Krise ist auch der Umsatz mit E-Learnings im Videoformat gestiegen. Coursera und Linkedin Learning sind hier zu nennen. Wir wird sich dieser Markt weiterentwickeln? Fetzer: Wir sollten hier unterscheiden zwischen dem B2B- und dem B2C-Weiter- bildungsmarkt mit teils unterschiedlichen Marktmechaniken. Insbesondere der digitale B2C Markt ist in der Krise über- proportional gewachsen. In der Vergan- genheit haben wir gesehen, dass Anbieter von (Video-) Plattformen aber auch von riesigen Content-Bibliotheken sehr stark in den B2B Weiterbildungsmarkt gedrängt sind. Aber insbesondere die riesigen Con- tent-Bibliotheken internationaler Anbie- ter konnten sich in Deutschland bislang nicht durchsetzen. Wird das Angebot ein- gekauft, aber dann aus unterschiedlichen Gründen in Unternehmen nicht entspre- chend in Anspruch genommen, hat es das Potential zur teuersten je eingekauf- ten Weiterbildung zu werden. Das Start-up Masterplan hat vor Kurzem ein Millioneninvest bekommen ... Fetzer: Die Anbieter entwickeln ihre Formate natürlich weiter. Und auch die Ausrichtung von primären Geschäftsmo- dellen unterliegen dem ein oder anderen Wandel mit einem entsprechenden Inves- titionsbedarf, was nicht nur an Ihrem Bei- spiel sichtbar ist. Die Haufe Akademie setzt auch auf ein eigenes Learning-Management-System (LMS). Wie sehen hier die nächsten Entwicklungsschritte aus? Fetzer: LMS sind für die Verwaltung der Weiterbildung in den Unternehmen eta- bliert. Mit einer Learning-Experience- Plattform (LXP), wie wir sie mit unserer „Haufe-Learning-Experience“-Lösung anbieten, können die Unternehmen den nächsten Schritt hin zu einer Lernkul- tur gehen, die das kontinuierliche und informelle Lernen in der realen Arbeits- situation stärkt, also den klassischen Kontext eines LMS um den immer wich- tiger werdenden Aspekt des Voneinan- der- und Miteinanderlernens in der Un- ternehmenslernstrategie durch eine LXP komplementär ergänzt. Über die vielen Möglichkeiten, die eine LXP bietet, den- ken aber derzeit wenige der LMS-Nutzer nach. Für uns ist sehr klar, dass es einen stark wachsenden Bedarf an guten daten- gestützten Formaten sowie durch künstli- che Intelligenz unterstützte Systeme, die eine individuellere Content-Steuerung und eine individualisierte Weiterentwick- lung zulassen, gibt. In einer LXP lässt sich auch „User Gene- rated Content“ einstellen. Ist das nicht eine Konkurrenz für Bildungsanbieter? Fetzer: Nein, das ist eine durchaus wert- stiftende Ergänzung zum formellen Ler- nen. In der Vergangenheit wurde das viel zu separat gespielt. Heute müssen wir als Akademie versuchen das formelle und informelle Lernen näher zusammenzurü- cken. Das schaffen wir über das techno- logische Angebot und Beratungsleistung zum Thema Lernkultur. Wir wissen, was der Lernende braucht und welchen Lern- pfad in welchem Formaten er am besten nutzt. Zeit und Budget ist heute nicht mehr der Grund, warum jemand nicht in eine Weiterbildung geht. Es ist eher die fehlende Orientierung. Hier müssen wir als Veranstalter stärker unterstützten. Wie kommt die Haufe Akademie selbst mit der Digitalisierung beziehungsweise der Transformation zurecht? Fetzer: Für uns ist das die konsequente Fortführung einer längst eingeschlage- nen Strategie. Bislang sind wir über eine wachsende Themen- und Formatviel- falt den unterschiedlichsten Weiterbil- dungsbedürfnissen unserer Teilnehmer entgegengekommen, auch im digitalen Bereich. Nun verstärkt sich die Notwen- digkeit, hoch individualisierte Lernbe- dürfnisse zu bedienen. Denn Lernen muss relevant sein und soll Spaß machen. Dazu bauen wir ein ganzes Ökosystem, das Lernen und Entwicklung erleichtert. Vom schnell abrufbaren Anwendungswis- sen bis zu tiefgreifenden und firmenspe- zifischen Entwicklungsprogrammen, per- sönlich oder digital, synchron oder asyn- chron, über unsere eigenen Lernsysteme oder über die des Kunden. Wir bieten das alles aus einer Hand und der Kunde hat die freie Wahl. Unsere Herausforderung ist, im Ausbau unserer Leistungen so systematisch vorzugehen, dass Lernende daraus die jeweils für sie stimmige Mischform als Lösung bekom- men. In der Breite und Tiefe und dann noch in der Stimmigkeit der Einzelbau- steine zueinander ist das für unsere Kun- den schwierig zu handhaben, wenn sie mehrere Anbieter koordinieren müssen, die sich thematisch oder vom Format her in einer Spezialisierung befinden. Kristina Enderle da Silva Hansjörg Fetzer ist Geschäftsführer der Haufe Akademie in Freiburg. Foto: Haufe Akademie

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