Wirtschaft und Weiterbildung 9/2021

22 wirtschaft + weiterbildung 09_2021 titelthema die Transformation erfolgreich zu gestal- ten. Corona hat diesen Wandel noch mal stark beschleunigt. Wie viel Prozent Ihres bisherigen Präsenzgeschäfts läuft jetzt digital? Fetzer: Wir bieten inzwischen für mehr als 80 Prozent unserer Präsenz- und Blen- ded-Learning-Formate gleichwertige Live- Online-Termine an. Diese sind sehr nah am eigentlichen Präsenzseminar – nur eben virtuell und damit ortsunabhängig: ein Training, das zu einem bestimmten Termin stattfindet und in dem Teilneh- mende persönlich mit einem Trainer oder einer Trainerin interagieren. Dane- ben bieten wir mehr zeitlich asynchrone E-Learnings an. Als deckungsgleiche Al- ternative zum Präsenztraining bevorzu- gen die meisten Lernenden aber die Live- Online-Angebote. Kommen die Präsenztrainings nach der Coronapandemie eigentlich wieder in gewohnter Weise zurück? Fetzer: Präsenztraining hat seine Be- rechtigung und wird bleiben. Daneben treten aber immer mehr synchrone und asynchrone digitale Lernangebote. Im Moment buchen rund 40 Prozent unse- rer Einzelkunden die Live-Online-Alter- native zum Präsenzseminar. 60 Prozent wollen inzwischen wieder Angebote mit Präsenzanteilen besuchen. Sehr viele unserer Weiterbildungen sind eben Blen- ded Learnings, die digitales und Präsenz­ lernen effektiv miteinander verknüpfen. Was den weiteren Verlauf der Pandemie betrifft, sind wir auf jeden Fall vorberei- tet: Wir können einen Termin, der heute in Präsenz ausgeschrieben ist, kurzfristig in einen Live-Online-Termin umwandeln. Da sind wir sehr flexibel geworden. Machen die Kunden solche kurzfristigen Formatwechsel mit? Fetzer: Ja, sie gehen mit. In der ersten Welle der Pandemie sind tatsächlich noch nicht viele Kunden auf die Live-Formate umgestiegen. Da haben viele erstmal ab- gewartet und sind auf spätere Termine ausgewichen. Mit der zweiten Welle ging eine viel höhere Akzeptanz für alle On- line-Angebote einher. Das kam sicherlich auch daher, dass die Leute in den Mona- ten davor gelernt hatten, verstärkt online zu arbeiten. Es ist immer mehr die Rede vom hybriden Arbeiten. Wird es auch in der Weiterbildung hybride Formate geben? Fetzer: Ich halte das für das schwierigste Lernformat, das es gibt. Es ist fast unmög- lich, den Ansprüchen von Präsenz- und Online-Teilnehmenden synchron gleicher- maßen gerecht zu werden. Bei IT-Schu- lungen ist das einigen Anbietern gelun- gen, weil sich didaktisch wenig ändert, wenn man Programme am Bildschirm durchgeht. Ein Führungstraining ist di- daktisch anspruchsvoller. Zudem kann man hybride Formate nur in Räumen ver- anstalten, die technologisch extrem gut mit Kamera und Ton ausgestattet sind. Doch auch dann bleiben die kommunika- tiven „Schnittstellenprobleme“ zwischen Online- und Präsenzteilnehmenden be- ziehungsweise den Trainierenden. Inwiefern können und wollen die Trainer und Trainerinnen den Schritt ins Virtuelle überhaupt mitgehen? Wie hat die Haufe Akademie die Pandemiezeit erlebt? Hansjörg Fetzer: Das Pandemiejahr war, vor allem während der ersten Welle, für die gesamte Weiterbildungsbranche ein großer Einschnitt. Das war noch viel ex- tremer als die beiden Wirtschaftskrisen in den 2000er-Jahren. Wir hatten vorher noch nie eine derartige Situation – aus der Volllast plötzlich auf fast null am An- fang der Pandemie. Wie hat die Haufe Akademie die Zeit überbrückt? Fetzer: Zunächst sahen wir uns gezwun- gen, auf den dramatischen Rückgang der Präsenzveranstaltungen mit Kurzarbeit zu reagieren. Damit gerieten wir aber zugleich in das Dilemma, dass wir auf- grund von Umbuchungen, Abstimmun- gen mit Trainern und Trainerinnen sowie Tagungshotels erhebliche Mehraufwände für Umplanung und Koordination stem- men mussten. Dann haben wir angefan- gen, unsere Präsenzveranstaltungen in Live-Online-Formate umzuwandeln. Die Krise hat vor allem kleinere Anbieter getroffen. Wird sich der Weiterbildungs- markt weiter konsolidieren? Fetzer: Früher war der Markt vielfälti- ger. Jetzt ist es schwieriger geworden für kleinere Anbieter, das stimmt. Die Un- ternehmensgröße spielt inzwischen eine wichtige Rolle auf dem Weiterbildungs- markt, weil wir extrem in Technologie und neue Lösungen investieren müssen. Das Investment ist für kleinere Anbieter oft nicht zu stemmen. Außerdem ist es als kleiner Anbieter wesentlich schwieriger, das passende Know-how aufzubauen, um „ Die jeweils stimmige Lernlösung finden“ INTERVIEW. Hansjörg Fetzer ist seit mehr als 20 Jahren Geschäftsführer der Haufe Akademie. In dieser Zeit hat er zwei Wirtschaftskrisen erlebt. Die Coronakrise hatte seines Erachtens allerdings die schlimmsten Folgen für die Weiterbildung. Die derzeitige Marktlage sieht er dennoch positiv – für alle, die sich digital gut aufgestellt haben.

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